Start Meinung Lockdown-Folgen: Engpass statt Battle-Pass (Fröhlich am Freitag)

Lockdown-Folgen: Engpass statt Battle-Pass (Fröhlich am Freitag)

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Anders als im Frühjahr sind zumindest die Lebensmittelproduzenten auf die höhere Lockdown-Nachfrage vorbereitet.
Anders als im Frühjahr sind zumindest die Lebensmittelproduzenten auf die höhere Lockdown-Nachfrage vorbereitet.

Immer mehr zeichnet sich ab: Die Games-Industrie mag von Lockdown-Umsätzen profitieren, doch auf der Produktionsseite wachsen die Probleme.

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

8,5 Prozent mehr Umsatz als 2019 – davon 86 Prozent (!) digital: So sehen die aktuellen Ubisoft-Zahlen fürs Sommerquartal 2020 aus. Europas größter Spielehersteller ist kein Einzelfall: Auch japanische und US-amerikanische Publisher melden abermals Rekordwerte.

Der Befund ist also eindeutig: Das Games-Gewerbe zählt analog zu Netflix, Online-Handel und Brettspiel-Produzenten weiterhin zu den Lockdown-Krisengewinnern – zumindest mit Blick auf die Geschäftszahlen. Wo Kinos, Kneipen und Konzerte ausfallen, suchen die Menschen Zerstreuung in virtuellen Welten.

Alles paletti also? Von wegen. Denn die Produktion neuer Games findet zunehmend unter erhöhtem Schwierigkeitsgrad statt. So sehr sich das Prinzip Home-Office branchenübergreifend als Industriestandard durchgesetzt hat, so sehr zeichnen sich die Grenzen dieser Produktionsweise ab – zwei von vielen aktuellen Beispielen:

  • Ubisoft muss die Auslieferung zweier Blockbuster – Far Cry 6 und Rainbow Six Quarantine – ins nächste Geschäftsjahr verschieben. Eine Entscheidung, die weder Aktionäre noch Management schlecht in den Schlaf finden lassen dürfte – gerade im Lichte einer prall gefüllten Produkt-Pipeline und brummendem Bestandsgeschäft. Die Entscheidung hat im Übrigen auch Auswirkungen auf die deutsche Dependance: Das Ubisoft-Studio nahe des Berliner Bahnhofs Zoo gehört zu jenem Netzwerk, das Bauteile für Far Cry 6 produziert.
  • „Covid-19“ und „Home Office“ lauten auch die Begründungen bei CD Projekt Red: Das Warschauer Studio befindet sich auf den letzten Metern der Cyberpunk 2077-Entwicklung, hat den Termin aber erneut um drei Wochen verschoben. Nicht alle Kunden haben die Botschaft mit der gebotenen Gelassenheit aufgenommen: Die Entwickler sahen sich mit wüsten Beschimpfungen und Morddrohungen konfrontiert. Gleichzeitig verzeichnet Polen derzeit mehr Infektionen als Deutschland – bei weniger als der Hälfte an Einwohnern.
Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
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Auch das Thema Lieferketten rückt durch die wild galoppierende Pandemie wieder in den Blick, wenngleich sich die Lage in den Sommermonaten entspannt hatte und die Fallzahlen in Taiwan, Vietnam oder China weiter auf niedrigem Niveau liegen. Erste Vorboten: In Australien verzögert sich die Bereitstellung von PlayStation-5-Headsets und -Ladestationen auf Anfang Dezember, also drei Wochen nach dem Verkaufsstart der Konsole.

Handel und Kundschaft müssen sich also darauf einstellen, dass es in den kommenden Wochen und Monaten mit höherer Taktfrequenz zu Verschiebungen, Engpässen und Ausverkäufen kommen wird. Insbesondere Großproduktionen sind aufgrund ihrer Komplexität anfällig, zumal Outsourcing-Regionen wie Indien heftig von der Pandemie betroffen sind.

Trotzdem reden wir hier von Jammern auf (rekordverdächtig) hohem Niveau – und das sollte Anlass zur Demut sein. Denn anders als Gastronomie, Hotellerie, Tourismus, Veranstaltungsbranche und weiten Teilen des Dienstleistungsgewerbes befinden sich Videospiele-Produzenten zumindest in der Lage, weiterhin ihrem Beruf nachgehen und Umsatz machen zu können – und zu dürfen.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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