Start Meinung Deutscher Marktanteil: Krümel vom Kuchen (Fröhlich am Freitag)

Deutscher Marktanteil: Krümel vom Kuchen (Fröhlich am Freitag)

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Vom riesigen Umsatzkuchen bleiben deutschen Games-Entwicklern gefühlt nur Krümel.
Vom riesigen Umsatzkuchen bleiben deutschen Games-Entwicklern gefühlt nur Krümel.

Wie wichtig ist ein möglichst hoher Inlands-Marktanteil deutscher Computerspiele-Entwickler? Wenig bis gar nicht, findet Petra Fröhlich.

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

zu den Kernkompetenzen jeder Branchen-Lobby gehört die Fähigkeit, sich stufenlos reich oder arm zu rechnen – je nach Anliegen. Mal undisputed heavy-weight champion of the world, mal dem Untergang geweiht.

Auch mit dem Inlands-Marktanteil von Computerspielen aus heimischem Anbau wird Politik gemacht: Die Kennzahl liegt weiterhin unter 5 Prozent – viel zu wenig aus Sicht der Branche. Weil das ja nichts anderes heißt, dass immer noch 95 von 100 Euro Spiele-Umsatz importiert werden. Vom großen Kuchen bleiben gefühlt also nur Krümel, gerade im Mobilegames-Bereich. Der Verband wünscht sich deshalb dringend, „auf Weltniveau mitspielen zu können“.

Pünktlich zur digitalen Gamescom öffnet Verkehrsminister Scheuer endlich die Subventions-Schleusen, auf dass die 250-Millionen-Euro-Flut alle Boote hebt. Zur Einordnung: Mit diesem Budget kriegt Activision ein einziges „Call of Duty“ gebaut und vermarktet – gerade so.

Im Vergleich zum restlichen Kulturbetrieb sind 4,9 Prozent zugegebenermaßen nicht viel: Drei von vier der erfolgreichsten Musik-Alben 2019 waren nationale Produktionen. Der deutsche Kinofilm hängt am staatlichen Förder-T(r)opf und wird Til Schweiger und Bora Dagtekin regelmäßig ins Abendgebet einschließen – ohne die beiden wäre die Reiseflughöhe von 20 Prozent nicht ansatzweise zu halten.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Doch das Geschäftsmodell von Games ist ein anderes: Ja, Deutschland ist ein wichtiger Markt – aber eben nur einer von vielen. Anders als einem ‚Amigos‘-Schlager sieht man einem Spiel ja selten bis nie an, woher es stammt: Curious Expedition? Berlin. The Surge? Frankfurt. Destroy All Humans? Offenburg. Big Farm? Hamburg.

Viel, viel, VIEL wichtiger ist deshalb der Export: Die meisten Betriebe erwirtschaften 60, 70, 80 Prozent des Umsatzes außerhalb des Landes; Spiele-Apps werden in alle Weltsprachen übersetzt.

Mehr noch: Solange der Kuchen groß genug ist und wächst, sind 5 Prozent keine Schande, sondern gelebter mitteleuropäischer Standard. Bei unseren Nachbarn in Polen, das ja stets als „role model“ für Förder-Forderungen herangezogen wird und mit CD Projekt einen vielbeneideten ‚Leuchtturm‘ betreibt, liegt der Import-Anteil bei 97 Prozent – kaum weniger sind es in Frankreich, obwohl die dortige Videospiel-Industrie ebenso wie in Großbritannien von üppigen Steuer-Rabatten profitiert.

Eine der zentralen Herausforderungen wird die Förderung jedenfalls nicht lösen (können): Sichtbarkeit. Der Game-Verband schreibt in seinem PDF-frischen Jahresreport, dass etwa die Appstores mit tausenden neuer Games pro Monat geflutet werden – es besteht also ein massives Überangebot. Gleiches gilt für Streaming- und Download-Plattformen.

Marktanteil deutscher Games 2019 im Vergleich zu Kino und Musik (Stand: 27.8.2020)
Marktanteil deutscher Games 2019 im Vergleich zu Kino und Musik (Stand: 27.8.2020)

Um an dieser Stelle ganz klar zu sein: Es ist großartig, dass die Förderung anläuft. Professionelle Umsetzung vorausgesetzt, werden mehr und/oder bessere Produkte, neue Studios, weitere Niederlassungen und Tausende Jobs entstehen. Denn hier hat Deutschland tatsächlich spektakulär großen Nachholbedarf, zumal es zuletzt nicht gelungen ist, die Zahl der Beschäftigten zu stabilisieren.

Der Tanz um den Inlands-Marktanteil ist hingegen vorwiegend Polit-Folklore. Ungleich wichtiger wird zunächst sein, dass Investitionen, Gründungen und Arbeitsmarkt in Gang kommen.

Wenn die Millionen vom Bund dann irgendwann auf den Inlands-Marktanteil durchschlagen, wäre das zwar erfreulich, aber gleichzeitig auch ein bisschen egal.

Ein schönes Wochenende und weiterhin viel Freude mit der digitalen Gamescom wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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