Start Meinung Fröhlich am Freitag 21/2020: Würstchen mit Kartoffelsalat

Fröhlich am Freitag 21/2020: Würstchen mit Kartoffelsalat

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An der Frankfurter Börse wird keine deutsche Computerspiele-AG mehr gehandelt (Foto: Fröhlich)
An der Frankfurter Börse wird keine deutsche Computerspiele-AG mehr gehandelt (Foto: Fröhlich)

Anders als in Frankreich, Polen oder Schweden gibt es in Deutschland keine großen, börsennotierten Games-Entwickler – eine bedingt befriedigende Situation.

Verehrte Leserinnen und Leser,

wenn sich Kleinaktionäre überhaupt noch die Mühe machen, an Hauptversammlungen teilzunehmen, dann interessiert sie eher nicht, wie hoch die Dividende ausfällt. Oder wie viel Umsatz der Laden im abgelaufenen Jahr eingefahren hat. Denn all das ist ja schon vorher klar.

Sondern: Was gibt’s eigentlich zu futtern?

Nach der stundenlangen Verlesung von Kennzahlen fiebert das Publikum dem Moment entgegen, wenn endlich zum gemütlichen Teil übergegangen wird – in diesem Fall zum Buffet. Phasenweise kursierten Listen im Netz, bei welchem Maschinenbauer das beste Catering aufgetischt wird.

Die HV-Speisekarte ist keine Petitesse. Vor einigen Jahren eskalierte die Lage an einer Würstchen-mit-Kartoffelsalat-Station, als ein Daimler-Aktionär mehr „Saitenwürschtle“ wegtupperte, als ihm rechnerisch zustanden – sehr zum Unmut der Mitesser. Erst die gerufene Polizei konnte schlichten.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Über solche Wurst-Case-Szenarien muss sich die deutsche Games-Branche nicht den Kopf zerbrechen. Denn anders als zu New-Economy- und Neuer-Markt-Zeiten gibt es in Deutschland keine börsengehandelten Spiele-AGs mehr.

Das war vor 20 Jahren noch anders: Anfang der 2000er-Jahre existierten mit CDV (Karlsruhe), 10tacle Studios (Darmstadt), Phenomedia (Bochum) und JoWood (Rottenmann / Österreich) eine ganze Reihe Aktiengesellschaften, die man sich ins Depot legen konnte.

Was allerdings oft nur für ein winziges Zeitfenster rund um den Börsengang eine gute Idee war. Die Unternehmen brachen unter dem Quartalszahlen-Druck röchelnd zusammen und schlitterten zügig in die Insolvenz – aus sehr unterschiedlichen Gründen: oft Missmanagement, zuweilen Selbstüberschätzung und spätrömische Dekadenz, im Einzelfall aber auch Bilanzfälschung, Kreditbetrug und Untreue.

Zugunsten der handelnden Personen ist zu hoffen, dass bestenfalls die Hälfte der Geschichten stimmt, die über diese Phase im Umlauf sind.

Dass keine dieser Firmen überlebt hat, ist insofern betrüblich, weil seitdem ein heimischer, systemrelevanter Player fehlt, der analog zu unseren europäischen Nachbarn in Frankreich (Focus Home, Ubisoft), Polen (CD Projekt), Finnland (Rovio, Remedy) oder Schweden (Embracer, Stillfront, MTG, Paradox) auch Großprojekte im Inland schultern könnte.

Der unterentwickelte Zugang zum Kapitalmarkt ist ein Grund dafür, warum so wenige XXL-Games in Deutschland entstehen – und warum sich der Staat veranlasst sieht, mit Hunderten Millionen Euro an Subventionen aus- und nachzuhelfen.


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Indirekt lässt sich an den Erzeugnissen deutscher Studios und Dienstleister natürlich trotzdem am Aktienmarkt teilhaben – nämlich über die ausländischen Konzernmütter: Goodgame, Piranha Bytes, HandyGames, InnoGames, der E-Sport-Veranstalter ESL, Bytro Labs, Kolibri Games, Koch Media/Deep Silver, Bigpoint, Wooga, Playa, Gamigo, Blue Byte, um nur die naheliegendsten zu nennen.

Nicht mehr in diese illustre Runde gehört der Hamburger Publisher Daedalic Entertainment: Die angeknockte Kölner Verlagsgruppe Bastei Lübbe beendet den Ausflug ins Videospiele-Business. Nach dem Rückkauf der Anteile durch das Management wird aus der AG-Konzerntochter Daedalic wieder ein Unternehmen in Privatbesitz.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


Alle Kolumnen und Gastbeiträge finden Sie in der Rubrik „Meinung“.