Gaming trifft Markenhersteller: Was sich Thorsten Hamdorf als Director Publisher Relations bei Jung von Matt Nerd vorgenommen hat.
Super Mario, Luigi, Prinzessin Peach und Toad als Fruchtgummi im Supermarktregal – geht das? Kauft das jemand? Aber hallo: Zeitweise war die limitierte Haribo-Kollektion ausverkauft. In den sozialen Medien tauschten sich Nutzer aus, in welchem Büdchen die Tütchen noch zu bekommen wären.
Idee und Konzept stammten von Jung von Matt Nerd – einer noch jungen Tochter der bekannten Agentur-Gruppe, die zu den ganz Großen der Branche zählt. Die Supergeil-Kampagne von Edeka, die bitterbösen Sixt-Plakate, der Sparkassen-Claim „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“, Zalandos „Schrei vor Glück“ – alles Jung von Matt.
Die vor zwei Jahren von Toan Nguyen gegründete Nerd-Tochter hat sich auf Gaming und Popkultur spezialisiert: Marken wie Pringles, Mercedes-Benz oder Microsoft Xbox stehen auf der Kundenliste.
Neu im 14köpfigen Team ist Thorsten Hamdorf, seines Zeichens Director Publisher Relations. Hamdorf kommt vom Branchenverband Game, wo er unter anderem das Marketing und die Marktforschung verantwortete. Zuvor war er für große nationale und internationale Spiele-Publisher tätig – er kennt den Markt also von beiden Seiten.
Jetzt kommt das Agentur-Geschäft dazu, wo er als Mittler zwischen den Welten für den richtigen ‚Sound‘ bei Kooperationen zwischen Games- und Nicht-Games-Branche sorgen soll. Im GamesWirtschaft-Exklusiv-Interview erklärt Thorsten Hamdorf, was er sich in seiner neuen Rolle vorgenommen hat.
Jung von Matt Nerd-Neuzugang Hamdorf: „Ich wollte schon immer in die Werbung“
GamesWirtschaft: Die Berufsbezeichnung „Director Publisher Relations“ ist zumindest im Agenturgeschäft ungewöhnlich. Was genau ist deine Mission bei JvM Nerd?
Hamdorf: Die gesamte JvM Nerd ist ungewöhnlich. Wir bringen die Markenwelten der Gaming und New Pop Culture mit der klassischen Konsumgüterindustrie zusammen, die zunehmend neue Zielgruppen und Communities erschließen wollen. Diese Mission unterstütze ich mit meiner Branchen-Erfahrung und meinem Netzwerk zu Publishern und Entwicklern.
Klassisch ist das eine Funktion wie ein Berater oder Kontakter. Als Kuratoren müssen wir möglichst nah an den zentralen Branchen-Akteuren sein, Lizenzinhaber betreuen und mit Entwicklerstudios kooperieren.
Nach vielen Jahren auf Industrie- und Verbands-Seite gehst du nun ‚in die Werbung‘. Was hat dich an dieser Aufgabe besonders gereizt?
Während meines Studiums wollte ich immer in die Werbung. Jung von Matt waren quasi die Rockstars dieser Studienzeit. Über ein Praktikum in einer Werbeagentur kam ich 1996 in die Games-Branche. Letztlich waren schon immer alle meine Tätigkeiten darauf ausgerichtet, Produkte und Services zu verkaufen, an den internen Vertrieb, an den Handel, an Konsumenten oder beim Verband an die Games-Unternehmen und die Politik.
Gewissermaßen schließt sich hier also in mehrerlei Hinsicht ein Kreis für mich. Ich kehre zurück in die Wirtschaft, kann mich auf Vermarktung fokussieren, darf unter der Flagge meiner einstigen Idole segeln und dafür sorgen, dass die Wertschöpfung der Games-Branche weiter wächst.
Ich kann gemeinsam mit einem leidenschaftlichen Team Konzepte und Kampagnen erschaffen, wie es sie noch nie zuvor gegeben hat. Und natürlich ist es auch ganz privat sehr schön, dass ich nun zu Fuß ins Büro gehen kann und nicht mehr mit dem ICE in eine andere Stadt fahren muss (Hamdorf lebt in Hamburg, der Game-Verband hat seinen Sitz in Berlin – Anm. d. Red.).
Zuletzt gab es eine Menge Beispiele großer Konsumgüter-Marken, die bei der Ansprache von Gamern haarscharf am richtigen ‚Ton‘ vorbeigeschrammt sind. Wie ist das zu erklären?
Das ist genau eine der besonderen Herausforderungen, wenn Fandom und Nerd-Kultur genutzt werden sollen. Im Zentrum stehen die Fans. Dafür muss man die Fan-Kultur tiefgreifend verstehen, ihre Codes beherrschen und auf Augenhöhe kommunizieren. Das lässt sich nicht mal eben nachlesen.
Wir kuratieren daher Partnerschaften auf Basis umfassender Exklusiv-Daten und behandeln sie behutsam mit Fingerspitzengefühl und persönlicher Leidenschaft. Alle in unserem Team schauen mit zwei Brillen auf Marken und ihre Potenziale: Mit dem Blick des Fans und mit dem Blick des Marketers. Nur so lässt sich der richtige Ton treffen und non-endemische Industrien lassen sich glaubhaft gamifizieren.
Was sind denn aus deiner Sicht unverzichtbare Voraussetzungen, um eine Marke glaubwürdig und authentisch zu ‚gamifizieren‘?
Es ist wichtig das Thema ernst zu nehmen und in die spezifische Markenwelt, ihre Fan-Kultur einzutauchen. Wird einfach ein Logo aufgeklebt oder einer Kampagne ein oberflächlicher Anstrich verpasst, so entlarvt die Community das schnell. Der Schuss kann dann schnell nach hinten los gehen.
Es bedarf also intensiver Recherche, Wertschätzung und handwerklicher Exzellenz bei der Umsetzung. Nur so lässt sich ein echter Fit finden und mit Leben füllen. Dazu kommt schlicht und ergreifend Intuition: In der Nerd arbeiten nur Menschen, die sich seit ihrer Kindheit für diese all diese Themen begeistern.
Durch deinen Games-Industrie-Background bist du prädestiniert als ‚Übersetzer‘ und Mittler zwischen den Welten. An welcher Stelle drohen buchstäblich Missverständnisse – und wo liegt aus deiner Sicht das größte Potenzial, das bislang aber noch nicht gehoben wurde?
Es gibt unendlich viele Stolpersteine. Es fängt ja beim Kultur-Clash an: Nehmen wir zum Beispiel die unterschiedlichen Geschwindigkeiten verschiedener Industrien. Die Games-Branche ist sehr agil und schnell. Andere Industrien benötigen womöglich längere Produktionszeiten, längere Vorlaufzeiten, unterliegen anderen Auflagen. Das kann die Zusammenarbeit schnell schwierig werden lassen, wenn man sich nicht versteht und nicht gut genug synchronisiert.
Dazu kommen Missverständnisse bei den Erwartungshaltungen: Nehmen wir die aktuellen Diskussionen über das Metaverse, NFTs, Blockchain-Gaming und so weiter. Liest man die Kommentare, meint man, es handele sich um einen Glaubenskrieg. Es wird viel pauschalisiert und verzerrt. Leute, die sich mit der Technik zu wenig auskennen, sprechen über Interoperabilität und zeichnen eine Vision eines Metaverse, die einfach auf absehbare Zeit gar nicht umsetzbar ist.
Dabei steht das Thema Metaverse doch noch ganz am Anfang, und wir erleben eine Pionier-Phase des Experimentierens. Als Games-Branche sollten wir den Blick zunächst auf die technischen und kreativen Potenziale richten, denn keine andere Industrie verfügt über so viel Erfahrung mit Aspekten des Metaverse wie die Games-Branche.
Nichts desto trotz ist unbestritten, dass sich alle Akteure befruchten können, um gemeinsam noch stärker zu sein. Fortnite tut Nike Air Jordan gut und Nike Air Jordan tut Fortnite gut.