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Medienbericht: Tencent will Crytek kaufen

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Crytek gehört zu den fünf größten Spiele-Entwicklern Deutschlands (Abbildung: Crytek GmbH)
Crytek gehört zu den fünf größten Spiele-Entwicklern Deutschlands (Abbildung: Crytek GmbH)

Nach BILD-Informationen plant der chinesische Internet-Konzern Tencent die Übernahme des Frankfurter Spielestudios Crytek.

Es wäre die zweite Groß-Übernahme eines deutschen Traditions-Spieleherstellers durch Tencent nach dem Berliner Studio Yager, die erst vor wenigen Wochen bekannt wurde: Laut Informationen der BILD-Redaktion ist Tencent an Crytek mit Sitz in Frankfurt/Main interessiert.

Das 1999 gegründete Studio beschäftigt am Stammsitz derzeit mehr als 250 Mitarbeiter und gehört damit zu den größten Arbeitgebern der deutschen Games-Industrie. Crytek ist bekannt für Ego-Shooter wie Crysis und Hunt: Showdown, entwickelt mit der CryEngine aber auch eine eigene Games-Technologie. Mit dem Kletterspiel The Climb und Robinson: The Journey hat Crytek zudem vielbeachtete Virtual-Reality-Projekte umgesetzt.

Tencent wiederum ist das weltgrößte Games-Unternehmen, das nicht nur 100 Prozent an Riot Games (League of Legends) und Supercell (Clash of Clans) hält, sondern auch an Activision Blizzard, Ubisoft, Epic Games und vielen weiteren Publishern beteiligt ist. Mit der Mehrheit am Berliner 140-Mann/Frau-Studio Yager (The Cycle, Spec Ops: The Line) hat Tencent erstmals substanziell in der deutschen Videospiel-Branche investiert.

Laut BILD will Tencent die CryEngine nutzen, um – so wörtlich – „Kriegssimulations-Programme für die chinesische Armee zu produzieren“. Henning Otte, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU-/CSU-Fraktion, sieht demnach bereits das Wirtschaftsministerium in der Pflicht, die Übernahme zu verhindern. Die Zusammenarbeit von Crytek mit Rüstungsunternehmen und Streitkräften war in der Vergangenheit regelmäßig kritisiert worden und hatte auch zu Protestaktionen von Aktivisten geführt. Crytek selbst macht keine Angaben, ob und in welchem Umfang Unternehmen aus der Militärtechnik oder Regierungen zu den CryEngine-Lizenznehmern zählen.

Die 20 größten Games-Studios in Deutschland 2021 (Stand: 13.4.21)
Die 20 größten Games-Studios in Deutschland 2021 (Stand: 13.4.21)

Der Kaufpreis von Crytek soll laut einem Redakteurs-Tweet bei 300 Millionen Euro liegen, was per se keine völlig irreale Summe darstellt. Zuletzt gingen gleich mehrere deutsche Studios für Beträge im teils deutlich dreistelligen Millionen-Bereich an internationale Käufer, darunter die Berliner Studios Wooga und Kolibri Games sowie Goodgame Studios und InnoGames (beide Hamburg). Allerdings handelt es sich bei den genannten Firmen um hochprofitable Anbieter von Online- und Mobilegames.

Inwieweit vergleichbare Kennzahlen auch auf den PC- und Konsolen-Spezialisten Crytek zutreffen, ist von außen kaum seriös zu beurteilen: Seit 2018 wurden keine Abschlüsse mehr im Bundesanzeiger veröffentlicht. Crytek hat in den vergangenen Jahren gleich mehrere existenzielle Krisen durchlaufen und das Management mehrfach ausgetauscht, expandiert aber mittlerweile wieder. Allein für die Zentrale im Osten Frankfurts werden Dutzende Entwickler gesucht.

Was ist vom BILD-Artikel zu halten? Ungefähr niemand in der Branche dürfte grundsätzlich von einem solchen Deal überrascht sein – weder mit Blick auf den Käufer noch auf das Übernahmeziel. In den Bereich der Spekulation fällt allerdings die These, dass die Volksrepublik China via Tencent eine militärische Nutzung anstrebt. Entsprechende Passagen im Artikel sind daher auch im Konjunktiv formuliert.

Erst vor wenigen Wochen war Crytek im Vorfeld der US-Spielemesse E3 2021 mit Xbox-Hersteller Microsoft in Verbindung gebracht worden, der ebenso wie Mitbewerber Sony Interactive kräftig zukauft. Die kolportierte Ankündigung dieses angeblichen Deals zur E3 2021 ist allerdings ausgeblieben – ob überhaupt jemals Verhandlungen mit dem US-Konzern stattgefunden haben, ist daher mehr denn je unklar.

Wir haben Crytek um eine Stellungnahme gebeten – der Artikel wird im Lauf des Mittwochs aktualisiert.