Start Meinung Eier! Wir brauchen Eier! (Fröhlich am Gründonnerstag)

Eier! Wir brauchen Eier! (Fröhlich am Gründonnerstag)

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Um als Unternehmer in der Games-Industrie zu bestehen, können Superhelden-Kräfte nicht schaden (Abbildung: ähnlich / Midjourney)
Um als Unternehmer in der Games-Industrie zu bestehen, können Superhelden-Kräfte nicht schaden (Abbildung: ähnlich / Midjourney)

Rolle rückwärts in der Games-Industrie: Was in den Boom-Jahren wie im Rausch angehäuft wurde, muss nun wieder auf den Markt. Dringend.

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

da hat uns der Osterhase so kurz vor den Feiertagen ja noch mal ein paar hübsche Breaking News ins Nest gelegt. Ich hatte mir gestern Abend schon ein schönes Feierabend-Schaumbad eingelassen, als plötzlich das Smartphone brummte und die ersten Links reintickerten. Was mich dazu veranlasste, den eingeleiteten Wellness-Prozess zu unterbrechen, ins Büro zu flitzen und die Nachrichten-Lage zu sichten.

Und die sah folgendermaßen aus: Der schwedische Publisher Thunderful trennt sich vom Dürener Indie-Games-Spezialisten Headup. Dieter Schoeller, der die Firma seit 2009 aufgebaut hat, kauft die Anteile nach drei Jahren zurück. Kaufpreis damals: bis zu 11 Mio. – 5 Mio. € in cash, bis zu 6 Mio. € on top bei Erreichung erfolgsabhängiger Kriterien.

Schoeller bekommt ’sein‘ Headup inklusive 80 Games-Lizenzen zu einem Bruchteil der ursprünglichen Summe, nämlich für 500.000 €. Durch die Verrechnung vertraglich vereinbarter Ansprüche muss Thunderful in den kommenden Jahren sogar zusätzliche Tranchen in Millionen-Höhe abstottern.

Warum ist das so? Weil sich Thunderful analog zu Mitbewerbern in erheblichen Turbulenzen befindet, wie sich plastisch an den Aktienkursen ablesen lässt. Die Kosten müssen runter – und das geht nun mal am schnellsten, indem man sich von Beteiligungen und Personal trennt. Für emotionales Gedöns ist in diesem Business kein Platz. Thunderful hatte ganz offiziell nach einem Headup-Käufer gefahndet und mehrere Kandidaten gecastet. Am Ende fiel die Wahl auf den Gründer.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Die Meldung hat am Mittwoch-Abend noch für viel Aufsehen gesorgt – was auch in der Person von Dieter Schoeller und seinem Wirken für die deutsche Indie-Szene begründet ist. Der rührige Unternehmer stand aus guten Gründen regelmäßig auf den Bühnen des Deutschen Computerspielpreises, weil die von ihm mitvermarkteten und -finanzierten Games bei den Jurys reüssiert hatten – 2014 mit The Inner World zum Beispiel. Oder 2019 mit Trüberbrook, das von der Kölner Bildundtonfabrik entwickelt wurde.

Nach Abschluss des Deals wird aus dem Indie-Publisher Headup wieder ein ‚richtiger‘ Indie. Eigentümer-geführt. Ohne die Quartalsdruck-Hölle börsennotierter Konzernmütter.

Schoeller liegt damit voll im Trend. Denn nach Jahren, in denen Kapitalmarkt-getriebene Holdings alles zusammen kauften, was nicht schnell auf die Bäume flüchtete, finden derzeit „Divestments“ in erheblichem Umfang statt. Erst heute wurde bekannt, dass Embracer – immerhin Europas zweitgrößter Spielehersteller – eine weitere Säule des Kerngeschäfts wegsprengt. Wenn Tafelsilber wie Gearbox verkauft wird, ahnt auch der Laie: Es brennt.

Sofern die Indizien nicht trügen, dann werden wir in der Games-Industrie des deutschsprachigen Raums schon sehr bald weitere Management-Buyouts, Ausgründungen und Rückabwicklungen erleben. So, wie es 2020 beim Hamburger Spiele-Entwickler Daedalic Entertainment der Fall war, wo das Management die Anteile vom Kölner Bastei-Lübbe-Verlag zurückholte und damit wieder die volle wirtschaftliche und kreative Kontrolle erlangte.

Wie es sich sowas anfühlt? „Sehr geil“, wie es Gründer Carsten Fichtelmann damals im Interview formulierte.

Auf die Frage, wie es um die Zukunftsfähigkeit seiner Firma bestellt sei, schrieb Fichtelmann: „Das ist das Schöne am Leben. Wenn alle gesund bleiben, wird man darauf in drei bis vier Jahren eine Antwort haben. Unser Ziel ist offenkundig, dass man dann sagen wird. Es war Wahnsinn und riskant die Anteile zurückzukaufen, aber es war der richtige Schritt.“

Keine zwei Jahre später wurde Daedalic vom französischen Publisher Nacon übernommen – für sagenhafte 53 Mio. €. Zuletzt lief’s für die Hamburger leider nur so mittelgut.

In die Corona-‚Euphorie‘ fielen weitere Groß-Übernahmen, etwa Astragon Entertainment, das für 100 Mio. € an die britische Team17 plc ging. Seitdem hat sich die Landschaft erheblich gelichtet. Verübeln kann man es den Gründern kaum, dass sie nach Jahren, teils Jahrzehnten entbehrungsreicher Aufbau-Arbeit die Früchte ernten und Verantwortung abgeben. In unzähligen Gesprächen wurde mir berichtet, wie viele schlaflose Nächte mit der Sorge um Folge-Aufträge und Jobs zugebracht werden. An Rückschlag-Potenzial mangelt es jedenfalls nicht: Jede außerplanmäßige Verschiebung, jede nur okay laufende Neuheit treibt den Adrenalin-Spiegel, flankiert vom Fördermittel-Harakiri.

Mir nötigt es daher regelmäßig Respekt ab, wenn Unternehmerinnen und Unternehmern eine nachhaltige Firma aufbauen, den Laden auch in schwierigen Phasen zusammenhalten, im besten Fall seriöse Gehälter zahlen und oft genug mit Haut und Haaren in der Haftung stehen, weil eben das eigene Vermögen in der Firma steckt. Noch viel mehr gilt dies für jene, die sich nicht aufs Sonnendeck zurückziehen, sondern immer und immer wieder Verantwortung übernehmen – auch mit Blick auf die anvertraute Belegschaft.

Um in dieser Industrie zu gründen und bestehen, braucht es Eier aus valyrischem Stahl (an dieser Stelle gerne eine beliebige andere Metapher für hohe Risikobereitschaft einsetzen). Einer Branche, die nur Schwarz und Weiß und kaum Grautöne kennt. Entweder läuft’s unnormal super – oder halt schlichtweg katastrophal.

George Lucas liefert dazu das passende Bild: „Also gut, ich werd’s versuchen …“, sprach Luke Skywalker. Und Meister Yoda antwortete: „Nein, nicht versuchen. Tu es oder tu es nicht. Es gibt kein Versuchen.“

Oder wie es der große Philosoph Oliver Kahn formulierte: „Eier! Wir brauchen Eier!“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, Ihrem Team und Ihrer Familie ein sonniges Oster-Wochenende und erholsame Urlaubstage – genießen Sie’s!

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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2 Kommentare

  1. „… finden derzeit „Devistments“ in erheblichem Umfang statt“

    ^ Sie meinten sicherlich „divestments“ 🙂 .

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