Start Meinung Das Disc-Dilemma (Fröhlich am Freitag)

Das Disc-Dilemma (Fröhlich am Freitag)

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Eldorado für Spiele-Nostalgiker: das Archiv der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (Foto: GamesWirtschaft)
Eldorado für Spiele-Nostalgiker: das Archiv der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (Foto: GamesWirtschaft)

Konsolen-Besitzern droht, woran PC-Spieler längst gewöhnt sind: Games auf Datenträgern entwickeln sich mit Karacho zum Nischengeschäft.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

es gibt im redaktionellen Alltag Pressemeldungen, bei denen ahnt man bereits beim Texten der Überschrift: Diesen Artikel werden lifetime geschätzt zweieinhalb Leute lesen – und da ist der PR-Manager und sein Chef schon inklusive.

Und dann gibt es Themen, die völlig unscheinbar daherkommen, die aber dann mit Blick auf Abrufe und Social Media eine bemerkenswerte Eigendynamik entwickeln. Schnell wird klar: Hoppla, die Nummer brennt den Leuten offenbar extrem auf den Nägeln.

In diese Kategorie gehört die harmlos anmutende Meldung: „Konsolen-Besitzer setzen weiterhin auf Disc und Modul“. Eigentlich ein Klassiker. Denn wie in jedem Jahr hat die GfK auch diesmal im Auftrag des Branchenverbands bei Deutschlands Konsumenten nachgefragt, wie sie es mit dem Spielekauf halten: Datenträger oder Download?

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Im PC-Bereich ist das Thema durch. Also komplett. Der Digitalanteil lag 2021 bei 93 Prozent – in der Realität wird der Wert stramm auf die 100 Prozent zulaufen.

Denn Versender und Elektronikmärkte haben das PC-Geschäft weitgehend aufgegeben. MediaMarkt führt online keine 80 Computerspiele im Sortiment, darunter Moorhuhn Complete für 5 € oder die Anno 1503 Königsedition für 6,49 € – ein Spiel, das vor 20 (!) Jahren auf den Markt kam. Die Top 50 „Bestseller in Spiele für PC“ bei Amazon* besteht aus Xbox Game Pass-Guthabenkarten, fünf Landwirtschafts-Simulator-Jahrgängen und sieben Die Sims 4-Erweiterungen.

Steam & Co. dominieren längst das PC-Games-Business: Wer Spiele für Windows-Systeme verkaufen will, sollte durchdrungen haben, wie man Early Access, Wishlists, Bundles, Sales und Startseiten-Platzierungen seriös durchchoreographiert. Derzeit läuft bei Steam zum Beispiel eine Survival-Spiele-Aktion, GOG rabattiert Rollenspiele und der Ubisoft Store hat das Far Cry-Sortiment um bis 80 Prozent reduziert. Alles muss raus.

Anders die Lage bei den Spielkonsolen – noch. Die GfK beziffert den Digitalanteil auf nahezu unveränderte 36 Prozent, was bedeutet, dass zwei von drei Games auf Datenträgern gekauft werden.

Ich halte den kommunizierten Wert für viel zu optimistisch beziehungsweise pessimistisch, je nach Sichtweise. Denn die Zahlen beziehen sich erstens auf 2021 und beruhen zweitens auf Verbraucherbefragungen, sind also ein Stückweit anekdotisch.

Werfen wir daher einen Blick in die aktuellen Geschäftsberichte: Bei der Nintendo Switch mit ihrem überdurchschnittlich hohen Geschenke-Geschäft hat der Digitalanteil jüngst die 50-Prozent-Marke übersprungen. Bei Sony PlayStation waren es zwischen April und Juni bereits sagenhafte 79 Prozent.

Bedeutet: Nur noch eines von fünf PS4-/PS5-Spielen wird auf einem Datenträger erworben. Und das, obwohl für vergleichsweise frische Blockbuster wie Elden Ring im PlayStation Store immer noch 69,99 € fällig werden, während Versender für die Disc-Version mindestens zehn Euro weniger aufrufen. Im Xbox Store kostet Cyberpunk 2077 via Download stolze 69,99 € – bei Saturn 39,99 €. Assassin’s Creed Valhalla? 69,99 € – in der GameStop-Filiale: 29,99 €.

Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.

Plattformbetreiber und Publisher könnten die Datenträger-Ära im Konsolen-Bereich rasend schnell beenden – einfach, indem sie bei den Neuheiten nicht starr an UVPs festhalten, sondern zügig rabattieren. Oder indem systemseitig verhindert wird, dass sich eine Disc-Version weitergeben-/verkaufen lässt, sobald die Lizenz einmal mit einem Spieler-Konto verbunden wurde.

Dass dies nicht schon längst passiert, liegt an gelebter Rücksichtnahme gegenüber Versendern und Elektronikmärkten – und zwar vorwiegend aus Sichtbarkeits-, sprich: Marketing-Gründen. So stellt Sony Interactive der MediaMarkt-Saturn-Gruppe demnächst eine Palette mit Schlüsselbändern auf den Hof, die dann an Vorbesteller von God of War Ragnarök ausgehändigt werden.

Auf Sammler, die ihre Lieblings-Games auf Disc besitzen und ins Regal stellen möchten, wird hingegen immer seltener Rücksicht genommen.

Beispiel: Die PlayStation 5 ist derzeit fast ausschließlich in Form des offiziellen Horizon: Forbidden West-Bundles zu haben. Der Käufer erhält neben der Konsole (mit Laufwerk wohlgemerkt) nicht etwa das Spiel auf Blu-Ray-Disc, sondern lediglich ein Zettelchen mit einem zwölfstelligen Code, mit dem sich das Spiel im PlayStation Store freischalten und herunterladen lässt.

Noch irrer: Wer die immerhin 230 € teure God of War Ragnarök Collector’s Edition erwirbt, darf sich neben allerlei Nippes (Zwergen-Würfelset, ‚Schnitzereien‘ usw.) auf ein blechernes Steelbook zur Aufbewahrung eines Datenträgers freuen. Klingt gut, wäre da nicht der Hinweis im Kleingedruckten: „Keine Spiel-Disc enthalten“. Auch hier gibt’s die Vollversion nur via Gutscheincode – wie schon zuvor bei Horizon: Forbidden West.

In meinem Fall ist die Um- und Entwöhnung schon so weit fortgeschritten, dass ich in den vergangenen 21 Monaten gefühlt zu keinem Zeitpunkt eine Disc in Xbox Series X und PlayStation 5 geschoben habe. Ich könnte Ihnen also gar nicht mit letzter Sicherheit sagen, ob die verbauten Laufwerks-Schächte überhaupt technisch funktionieren – oder ob es sich wie im Falle der Steelbooks nur um Attrappen handelt.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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6 Kommentare

  1. Ich bevorzuge auch die reine Disc Version.
    Ich habe noch nicht einmal irgendetwas Digital auf der PS erworben. Hoffentlich bleiben die Disc Version in Zukunft noch bestehen 🙂

  2. Ich bevorzuge nach wie vor den Kauf von Spielen auf disc. Allein schon bei möglichen Fehlkäufen kann man diese weiterverkaufen, aber auch aus dem sammlerprinzip.
    Ich besitze aber auch einige wenige digitale Spiele – meist aber nur indie-games, die es schlicht nicht auf disc gibt oder geben wird und die werden dann auch nur im sale gekauft, damit ich mich bei evtl Fehlkäufen nicht all zu sehr über den preis ärgere ^^‘
    Bei disc bin ich auch eher bereit, spiele vorzubestellen und nicht immer auf ein sale zu warten, wegen dem wiederverkauf-faktor.

  3. „die Nummer brennt den Leuten offenbar extrem auf den Nägeln“ – also mir nicht: ich bin ein Mann und ich benutze keinen Nagellack, der zumindest theoretisch auf den Nägeln anfangen könnte zu brennen… ;o)

    aber um im sprachlichen Bild zu bleiben: unter den Nägeln brennt mir das Thema tatsächlich und ich habe auch lange überlegt, ob ich die PS5 mit oder ohne Laufwerk kaufen soll, denn beim PC habe ich in der Tat schon seit über eine Dekade keine physischen Medien mehr gekauft!? Ich habe die PS5 dann doch mit Laufwerk gekauft, denn es fehlt halt einfach an ernsthafter Konkurrenz zum Sony Playstation Store…

  4. Es gibt bei dem digitalen Verkauf der PC Spiele im Vergleich zu einem Playstation Store einen erheblichen Unterschied:
    Steam Keys muss man nicht unbedingt bei Steam erwerben, es gibt sie auch bei vielen alternativen Stores – und dabei spreche ich nicht nur von zwielichtigen Shops wie MMOGA, es gibt auch viele Seriöse wie z.B. GamesPlanet.
    Diese Stores bieten die Keys meist um einiges günstiger an und das drückt den Preis – und sorgt somit dafür, dass auch Steam und Co schnell mit Vergünstigungen und großen Sales reagieren müssen um die Käufer in ihrem Shop zu halten.
    Keys für Spiele auf Playstation, Switch und XBOX erhält man in aller Regel nur beim Hersteller direkt.

    Die Ursache dafür ist mir nicht bekannt, aber es ist auf jeden Fall der Grund, wieso es sich Sony nach wie vor leisten kann, in seinem Shop über Monate hinweg die UVP aufzurufen. Es fehlt die Konkurrenz.
    Daher kaufe ich bis heute auch gerne auf Disc und bekomme neben einer hübschen Schachtel ein günstigeres Spiel.

    • Genau wie bei Steam gibt es auch bei Konsolen sehr viele Händler, die Keys verkaufen ist also im Prinzip kein Unterschied.

  5. Ich gehe davon aus, dass physikalische Datenträger ein Produkt für Sammler werden. Dennoch werden sie neben den digitalen Produkten weiter existieren. Es ist klar, dass Statistiken schwanken. Daher müssen die kolportierten 65 Prozent für Konsolen ja irgendwo herkommen. Gleichermaßen ist klar, dass Studien gerne in beider Seiten interpretiert werden können.

    Da es in letzter Zeit sehr schwierig war, im stationären Handel einzukaufen und es auch wenig Neuerscheinungen gab, war doch klar dass im April bis Juni viele Klassiker als Download genutzt wurden.

    Gleichermaßen werden im Herbst und Winter, traditionell Monate für den stationären Handel, die Zahlen für physikalische Datenträger deutlich anziehen.

    Ich gehe ebenso davon aus, dass auf ein Jahresmittel gesehen 65 Prozent der Spiele als Datenträger erworben werden.

    Ich persönlich in nutze beides. Möchte das Spiel im Schrank stehen haben, spiele es aber als Download. 🙂

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