Start Meinung Gamescom 2022 – Com ohne Games? (Fröhlich am Freitag)

Gamescom 2022 – Com ohne Games? (Fröhlich am Freitag)

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Sony-Auftritt auf der Gamescom 2019 - ob der PlayStation-Hersteller auch an der Gamescom 2022 teilnimmt, ist nicht bekannt (Foto: KoelnMesse / Thomas Klerx)
Sony-Auftritt auf der Gamescom 2019 - ob der PlayStation-Hersteller auch an der Gamescom 2022 teilnimmt, ist nicht bekannt (Foto: KoelnMesse / Thomas Klerx)

Keine drei Monate mehr bis zur Gamescom 2022: Viele Publisher würden gerne mit großem Besteck nach Köln reisen – allein, es fehlt an Spielen.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

dreieinhalb lange Jahre pinnte die Konzertkarte an der Pinnwand, zwei Mal wurde die Veranstaltung verschoben – von 2020 auf 2021 und dann schließlich auf 2022. Erst am gestrigen Abend standen die Simple Minds auf der Bühne und rissen netto fast zweieinhalb Stunden lang die örtliche Mehrzweckhalle ab.

Frontmann Jim Kerr – mittlerweile zarte 62 – beliebte zu scherzen: Zu dem Zeitpunkt, als ein Großteil des Publikums die Karten erworben hat, habe er noch volles Haar gehabt.

‚Simple Minds‘? Die Kapelle hatte ihre größten Hits in den 80ern und 90ern. Schon die ersten Takte von Don’t You (Forget About Me) sind seit Jahrzehnten eine schwer zu widerstehende Anregung, sich der Tanzfläche zu nähern. Nach-2000-Geborene dürften die Belfast Child-Flöte und das Stars will lead the Way-Riff am ehesten aus den Krombacher-Spots kennen.

Das Konzert war gut besucht, wenn auch erkennbar nicht ausverkauft. Nur geschätzt 1 unter 100 Personen trug noch FFP2 – inklusive mir, mit Blick auf einen pickepackevollen Terminkalender in den kommenden Wochen. Wenn einige tausend Kehlen beim Gruppenkuscheln 100 Mal in Folge „La … lalalala“ trällern, erschien mir die Aerosol-Verteilung in der Risikoabwägung etwas ungünstig. Nennen Sie es gerne ‚übervorsichtig‘.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Abgesehen davon fühlte sich die Veranstaltung an, als habe Corona nie stattgefunden – wovon mutmaßlich auch jene berichten können, die jüngst ein Stadion oder ein Restaurant von innen gesehen haben. Noch vor drei Wochen musste ich für den Zugang zu einem Comedy-Abend neben einem Impf-Nachweis auch einen tagesaktuellen Test beibringen – gestern Abend interessierte das ungefähr niemanden.

Jedenfalls hätte ich erwartet, dass es erheblich länger dauern würde, bis sich das Publikum wieder ‚raustraut‘ – auch deshalb, weil führende Experten eine gewisse Umgewöhnungszeit nach zähen Lockdown-Phasen prophezeit hatten. In der Praxis wirkt es so, als hätte bestenfalls ein Pause-Schalter wieder auf On geschaltet werden müssen. So wie nach der Pause, die die Band nach den ersten 45 Minuten einlegte – mutmaßlich, um mit Kamillentee zu gurgeln oder sich ein Fußbad zu gönnen. Danach ging es weiter, als wär nix gewesen.

Die zurückeroberte Normalität dürfte auch die Veranstalter von Konferenzen und Messen zuversichtlich stimmen. Die Blicke der Branche richten sich natürlich nach Köln, wo in drei Monaten mit der Gamescom 2022 wieder eine Vor-Ort-Messe zelebriert wird – nach zweijähriger Unterbrechung.

Die Veranstalter beschwören rituell ein Comeback des gewohnten Gamescom-‚Look & Feel‘, was gleichermaßen nach Versprechen und Drohung klingt.

Noch zum Zeitpunkt der Messe-Ankündigung Anfang März lautete die dringende Empfehlung, bei Geschäftsterminen einen Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten und auf Körperkontakt und Händeschütteln zu verzichten. Stand-Events waren untersagt.

Mittlerweile belässt es die KoelnMesse bei Appellen, das Gelände nur geimpft, genesen oder getestet zu betreten und freiwillig einen Mundnasenschutz zu tragen. Mehr lässt die NRW-Verordnung nicht zu. Davon übrig bleiben dürften bis Ende August maximal breitere Flure, personalisierte Tickets und Pro-Forma-Sagrotan-Spender.

Während ich noch nicht mal Restzweifel habe, dass die Privatbesucher-Tickets zum amtlichen Vorverkaufsstart ab nächster Woche reißenden Absatz finden, bin ich mit Blick auf das Aussteller-Programm ungleich skeptischer – basierend auf ungezählten, überwiegend nicht zitierfähigen Gesprächen mit kleinen, großen und sehr großen Herstellern.

Der Grund liegt einfach darin, dass in vielen Fällen zum Stichtag 9. August – der Termin, an dem die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) allerallerallerspätestens spielbares Material abnimmt – eben noch kein spielbares Material vorliegt.

Dabei ist das Ausprobieren neuer Games für drei von vier Gamescom-Privatbesuchern der Hauptgrund, Ende August nach Köln zu reisen – mit der Betonung auf ’neu‘. Doch genau daran hapert es, weil in vielen Release-Listen und Geschäftsberichten gähnende Leere herrscht. Vielfach sind frische Blockbuster noch viele Monate, wenn nicht Jahre entfernt. Keine Woche vergeht ohne immer neue Verschiebungen.

In Publisher-Kreisen spricht man aus gutem Grund vom ‚Covid-Gap‘.

Streng genommen würde es manchem AAA-Produzenten daher reichen, wenn er seine Trailer oder zweieinhalb Minuten Gameplay während der Eröffnungs-Show Gamescom: Opening Night Live (ONL, diesmal wieder mit Live-Publikum) zur Aufführung bringen könnte – und das Marketing-Budget ansonsten beisammen zu halten. Die Veranstalter waren jedoch findig genug, die ONL-Slots mit einem verpflichtenden Messeauftritt in Köln zu verknüpfen.

Was im September oder Oktober erscheinen soll, müsste spätestens jetzt im Juni angekündigt werden. Und da ist jenseits von FIFA 23 (das letzte EA-FIFA), Call of Duty Modern Warfare 2 und Nintendos Splatoon 3 ja noch nicht allzu viel in Sicht – keiner dieser Hersteller hat sich bislang (öffentlich) zur Gamescom geäußert. Wenn die Götter es besonders gut meinen, könnte es möglicherweise sogar für God of War Ragnarök reichen. Ob es dazu kommt: ungewiss. Sony PlayStation ist dafür bekannt, gefühlt zwei Stunden vor Öffnung der Messetore die Gamescom-Teilnahme zu bestätigen.

Immerhin: Von der sich abzeichnenden Headliner-Flaute könnten überproportional die Titel der zweiten Reihe, Newcomer sowie Indie-Games-Entwickler profitieren, die ja nicht nur geographisch oft im Schatten der lauten Bombast-Stände in den Hallen 6, 7, 8 und 9 stehen.

In jedem Fall ist Ausstellern und Besuchern schon jetzt eine möglichst muntere Gamescom 2022 zu wünschen – eben: Alive and kicking.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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1 Kommentar

  1. Warten wir es mal ab, der Normalverbraucher muss sich ja mit den anderen Normalverbrauchern um die Tickets schlagen und deshalb jetzt schon entscheiden ob sich ein Messebesuch lohnt, während das Fachpublikum sich die Entscheidung quais bis kurz vor 9 Uhr am Mittwoch noch überlegen kann. Das macht es aber am Ende natürlich nicht besser, wenn große Vertreter fehlen und man sich die PSVR2 oder den neuesten Hit aus dem Hause Bethesda nicht live vor Ort ansehen kann, dann hätte die Messe noch ein weiteres Jahr gut und gerne Digital stattfinden dürfen. Denn was nützt der Messegang wenn man nicht annähernd das „gewohnte“ geboten bekommt. Ich für meinen Teil widme den AAA Titeln nicht mehr Aufmerksamkeit als den Indies und auch der obligatorische Besuch in der Retroecke ist immer fest eingeplant, schließlich läuft die Messe ja schon ein paar Tage.

    Was ich mich mit Blick in den Merch-Shop allerdings gerade frage ist, ob auch bei dieser Veranstaltung wieder die leider mittlerweile etablierte Reseller-Community ihre Finger im Spiel haben wird oder ob die Tickets für den von der Köln Messe GmbH festgelegten Preis und in ausreichender Stückzahl den Tresen verlassen. Seien wir mal ehrlich, Personalisierung hat in den vergangenen Jahren so wirklich niemanden interessiert, warum sollte also jetzt damit begonnen werden? Dafür fehlt auch das Personal, die jedes Jahr zugekauften Männer (und Frauen) in den gelben Westen sind bestenfalls motiviert aber qualifiziert?

    Fänd ich aber mal einen schönen Denkzettel sowohl für die Köln Messe GmbH, als auch die Reseller Gruppen, wenn hier Kontingente von Tickets aufgekauft werden aber am Ende niemand kommt, weil die Leute eben nicht bereit sind die überhöhten Preise für einen Messebesuch auszugeben. Gerade wo die Messe ja auch zusätzlich noch digital stattfinden soll

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