Start Meinung Sorgen Abo-Dienste für schlechtere Spiele? (Fröhlich am Freitag)

Sorgen Abo-Dienste für schlechtere Spiele? (Fröhlich am Freitag)

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Die PS5-Neuheit Marvel's Spider-Man 2 wird als reguläres 80-€-Spiel vermarktet (Abbildung: Insomniac Games)
Die PS5-Neuheit Marvel's Spider-Man 2 wird als reguläres 80-€-Spiel vermarktet (Abbildung: Insomniac Games)

Der eine (Microsoft Xbox) ‚verschenkt‘ sein Horizon an Abonnenten – der andere (Sony PlayStation) denkt nicht im Traum daran. Wer hat Recht?

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

Abo-Dienste führen zu schlechteren Spielen.

Das hat Hiroki Totoki zwar nicht wortwörtlich gesagt. Aber es ist die zwangsläufige Konsequenz dessen, was der Sony-Finanzchef in dieser Woche auf die Frage geantwortet hat, warum Top-Neuheiten nicht direkt ab Tag 1 im Abodienst PlayStation Plus inklusive sind – so, wie es bei Microsofts Xbox Game Pass der Fall ist.

Das Argument des Sony-Managers: Würde man Spiele aus dem AAA-Regal bei PlayStation Plus zum Launch integrieren, dann müssten Entwicklungs-Budgets gekürzt werden, was wiederum zu einer geringeren Produkt-Qualität bei First-Party-Titeln führen würde – also jenen Exklusiv-Titeln, die Sony selbst produziert.

Und das kann doch nun wirklich niemand wollen, oder?

Die Herleitung deckt sich mit jener von PlayStation-Boss Jim Ryan, der vor einigen Wochen darauf verwies, dass PlayStation-Spiele immer größer, gehaltvoller und besser würden – und diese im Grunde ja erfreuliche Aufwärts-Spirale ließe sich eben nicht gegenfinanzieren, indem man die Kronjuwelen gleichsam verschenkt.

Genau das tut der Mitbewerber aber. Was kann Microsoft, was Sony nicht kann?

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Das Geschäftsmodell ist schlichtweg ein anderes. Die allermeisten PlayStation-Studios bauen Produkte, die sich ‚durchspielen‘ lassen – oft reine Singleplayer-Titel, die noch dazu ohne Mikrotransaktionen auskommen. Wenn man so will, handelt es sich um ein ausgesprochen altmodisches Business: Denn die Musik spielt ja seit längerem beim Zusatzgeschäft in Form von Mikrotransaktionen und Saisonpässen für Online-Games. Von 100 Euro, die 2021 in Deutschland für Spiele-Software ausgegeben wurde, entfielen 78 € Euro auf In-Game- und In-App-Käufe – und nur 20 Euro auf klassische Vollpreis-Titel.

Microsoft setzt indes auf die Methode Netflix: Irrsinnig viel Content zum monatlichen Festpreis – die 25 Millionen Game-Pass-Nutzer können auf Eigenproduktionen wie den Flight Simulator oder Halo in der Basis-Ausführung ohne Mehrpreis zugreifen. Das muss man sich leisten können – und wollen.

Die Microsoft-Rechnung geht in etwa so: Wie viele Abonnenten muss ich gewinnen, um jene Einnahmen auszugleichen, die durch ausbleibende 80-€-Käufe verlustig gehen? Diese Kalkulation sieht bei einem Horizon: Forbidden West (Sony) zwangsläufig anders aus als beim Rennspiel Forza Horizon 5 (Microsoft) – wo der Hersteller darauf setzt, dass sich möglichst viele Kunden für eine VIP-Mitgliedschaft entscheiden, die für 19,99 € eine Fanfaren-Hupe freischaltet, unter anderem.

Mit der neuen PlayStation-Plus-Preisstruktur, die in wenigen Wochen in Kraft tritt, geht Sony einen Mittelweg: Denn gegen Aufpreis bekommt der Kunde Zugriff auf einen recht ansehnlichen Download-Katalog mittelalter Titel wie Death Stranding, Marvel’s Spider-Man: Miles Morales oder Returnal. Die Strategie ist offensichtlich: mehr bestehende Nutzer dazu zu bewegen, in eine höherpreisige Kategorie zu wechseln und 50 Prozent mehr als bisher auszugeben. Wenn man weiß, dass ein PS5-Spiel wie Returnal bei Amazon, MediaMarkt & Co. immer noch 70 € kostet*, dann wirken die 99,99 € Jahresgebühr für das PlayStation Plus Extra-Abo plötzlich wie ein echter Schnapper.

Fraglich ist indes, inwieweit das ’neue‘ PlayStation Plus dazu geeignet ist, neue Nutzer von einem Abo zu überzeugen. Denn genau das wäre dringend nötig, weil die Zahl der zahlenden Abonnenten im Vorjahresvergleich bei knapp 47 Millionen stagniert.

Schlimmer noch: Trotz Markteinführung der PlayStation 5 und starkem Line-Up ist die Zahl der monatlich aktiven User (der sogenannten MAUs) gegenüber 2020 sogar zurückgegangen. Die Marke PlayStation hat zuletzt also kaum neues Publikum erreicht, sondern wildert sehr offenkundig im bereits vorhandenen Stamm-Klientel – PS4 raus, PS5 rein. Unterm Strich bleibt die Kundschaft die selbe.

Die Situation wäre zugestandenermaßen eine andere, wenn Sony annähernd so viele Konsolen produzieren und ausliefern könnte, wie der Markt verlangt. Fast 4 Millionen Kartons gingen in den Wochen vor Weihnachten über den Tisch – im abgelaufenen Quartal war es nur noch die Hälfte. Linderung ist erst mittelfristig in Sicht.

Und was ist nun dran an der These, dass bei einer Direct-to-Abo-Vermarktung per se sowohl Budgets als auch Qualität unter die Räder kommen? Nix – wie Haus des Geldes, Better Call Saul, Game of Thrones, Stranger Things, Black Mirror, The Mandalorian, House of Cards & Co. belegen.

Trotzdem: Das Abo-Geschäft ist unerbittlich, wie sich zuletzt bei Netflix besichtigen ließ. Von einem Tag auf den anderen hat die Aktie mehr als 40 Prozent ihres Wertes eingebüßt. Warum? Weil der Streaming-Pionier nicht wie geplant mehrere Millionen Kunden hinzugewonnen, sondern netto 200.000 Abonnenten verloren hat – und weil das Management davon ausgeht, dass sich die Misere in den kommenden Monaten fortsetzt.

Wenn Sony nun weiterhin am gelernten 80-€-Etikett für Neuheiten wie God of War Ragnarök, Spider-Man 2 und Wolverine festhält, dann hängt das in erster Linie damit zusammen, dass man ungerne ein profitables Geschäft aufgibt. In zweiter Linie fehlt es für den Betrieb eines seriösen Abo-Systems schlichtweg an einer gut geölten, verlässlichen Content-Maschinerie à la Disney+.

Denn trotz steter Studio-Zukäufe klaffen riesige Lücken in den PlayStation-Release-Plänen: Wie schon im 2. Halbjahr 2021 steht Sony zwischen jetzt und Herbst mit runtergelassenen Hosen da. Das wäre keinem Abonnenten vermittelbar.

Frag nach bei Microsoft: Dass mit Starfield und Redfall gleich zwei Blockbuster ins Jahr 2023 verschoben werden mussten, ist kein überzeugendes Argument a) für den Kauf einer Xbox Series X und b) für die Buchung des Xbox Game Pass. Und bis die Activision-Blizzard-Übernahme ‚durch‘ ist, vergeht noch ein ganzes Jahr. Man darf umso gespannter sein, was Microsoft in vier Wochen beim Xbox & Bethesda Showcase aus dem Hut zaubert, um die anhaltende Software-Flaute zu überbrücken.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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3 Kommentare

  1. Man sieht halt bei Netflix, was bei raus kommt, wenn die massiven Anfangsinverstitionen zurückgenommen werden und das Geschäft profitabel werden soll. Dann bringt man halt nicht mehr die berühmte Netflix-Qualität in Serie und Film, sondern die aktuellen RTL-Style-Reality-Sex-Sells-Schimpfwörter-Wegpiep-Formate à la DMax-Doku von Netflix.

  2. Streaming hat bei Film, Serie und Musik zu einem klaren Qualitätsverlust geführt. Musik wird immer generischer und kürzer, um Spotify’s Algorithmus zu genügen. Serien werden flacher und künstlich verlängert, um Abonnenten mit minimalem Aufwand bei Laune zu halten.

    Gaming-Abos werden zwangsläufig zum gleichen Effekt führen. Von daher ist Sony’s Modell die sicherere Wette – bis man auch dort auf dumme Ideen kommt …

    • Ich hoffe auch sehr, dass Sony seinen Kurs durchhalten kann.

      Im Prinzip stellt Ubisoft jetzt schon den perfekten Content her, den nach voraussehbaren zukünftigen GamePass KPIs den Herstellern am meisten Revenue Share bringen dürfte:
      Wie Kaugummi laaaaanggezogener 08/15 Content in einem Spiel voller Microtransactions.

      Spiele, die extra für den Game Pass entwickelt werden, dürften einen unangenehmen Free2Play-Beigeschmack bekommen.

      Entwickler kurzweiliger 20 Stunden-Spiele dürften im Game Pass nur noch ein kaum kostendeckendes Stück vom Kuchen abbekommen.

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