Start Meinung eFootball: Die neue Kostenlos-Kultur (Fröhlich am Freitag)

eFootball: Die neue Kostenlos-Kultur (Fröhlich am Freitag)

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Szene aus eFootball: Der FC Bayern (hier: Niklas Süle) kooperiert seit 2019 mit Konami.
Szene aus eFootball: Der FC Bayern (hier: Niklas Süle) kooperiert seit 2019 mit Konami.

Schluss mit 60-Euro-Vorauszahlungen: Kann Konami das vermeintlich aussichtslose Spiel gegen EAs FIFA durch die Free2Play-Einwechslung von eFootball drehen?

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

seit mehr als einem Vierteljahrhundert arbeitet sich der japanische Spielehersteller Konami am US-Mitbewerber Electronic Arts ab – doch das Fußballspiel Pro Evolution Soccer (PES) für PC und Konsole stand stets im Schatten von FIFA, zumindest kommerziell. Das Wehklagen über marginale Veränderungen gegenüber der Vorjahresversion plus Server-Ärger hat nur wenige FIFA-Stammkäufer vom Erwerb der jeweils neuesten FIFA-Ausgabe abgehalten oder gar zu einem Transfer zum 1. FC PES bewogen.

Mit dem Ergebnis, dass sich FIFA 21 seit September alleine in Deutschland mehr als 2 Millionen Mal verkauft hat. Rechnerisch existiert damit in jedem 20. Haushalt eine Ausgabe von FIFA 21.

Für den fcbayernesken FIFA-Dauer-Erfolg gibt es eine Reihe von Gründen – ein loyales Publikum, eine robuste Marke, Lizenzen aller führenden Ligen und vor allem der Online-Modus FIFA Ultimate Team (FUT), quasi Panini-Sticker auf Steroiden. Um FUT herum hat sich ein lukratives, wenngleich nicht völlig unumstrittenes Ökosystem entwickelt, das YouTube- und Twitch-Influencern auskömmliche Reichweiten beschert – und dem Publisher Milliarden-Umsätze.

Am 1. Oktober folgt FIFA 22. Gerade die Ultimate Edition für 100 Euro wird aggressiv beworben. Es müsste schon eine Menge schief gehen, damit das Spiel nicht erneut als Tabellenerster in den Jahres-Charts abschließt.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
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Doch in dieser Saison werden die Sticker-Packs neu gemischt, denn Konami hat einen radikalen Schnitt vorgenommen und mit der Vergangenheit gebrochen: Erstens heißt Pro Evolution Soccer nicht mehr Pro Evolution Soccer, sondern schlicht eFootball. Und zweitens stellt Konami auf Free2Play um.

Das ist prinzipiell nichts fürchterlich Neues: Bei den Heimspielen des FC Bayern München wirbt Premium-Sponsor Konami seit Jahren für die kostenlose Smartphone-App eFootball PES, die sich mit Ingame-Käufen refinanziert. Doch das von Grund auf neu entwickelte eFootball 2022 wird ab Herbst auch auf PlayStation 5, Xbox Series X und Windows-PCs gratis herunterladbar und spielbar sein.

Konami verzichtet also komplett auf die Handelsumsätze mit Vollpreis-Spielen – schließlich wären die Konsolen-Versionen unter normalen Umständen für 60 bis 70 Euro angeboten worden. Außerdem sollen PlayStation-Nutzer gegen PC-, Xbox- und Mobile-Gegner antreten können (‚Crossplay‘) – auch das keine Selbstverständlichkeit.

All das ist ein echter Hammer. Und es ist ein weiteres Indiz für den Gezeitenwechsel in der Games-Industrie. Egal ob Activision Blizzard, Electronic Arts, Ubisoft oder Take Two: Bei fast allen großen Spieleherstellern generieren die „Live Services“ inzwischen weit höhere Umsätze und hübschere Margen als „boxed games“ und Download-Käufe – das gute, alte Vollpreis-Spiel lebt zwar noch, verliert aber an Bedeutung. Es ist in erster Linie Nintendos Switch zu verdanken, dass das Segment nicht schon stärker unter die Räder gekommen ist.

Im Mobilegames-Sektor werden schon jetzt 99 Prozent aller Umsätze mit In-App-Käufen innerhalb von Free2Play-Games erwirtschaftet. Es gibt aus meiner Sicht wenige Argumente, warum dies bei PC- und Konsolenspielen mittelfristig nicht genauso laufen sollte, zumindest mit Blick auf Online- und Multiplayer-fähige Games.

Große Solo-Blockbuster und Indie-Produktionen dürften hingegen analog zu Netflix, Prime Video & Co. immer häufiger in Streaming-Flatrates à la Xbox Game Pass abwandern, um deren Abo-Basis zu stärken. Dass Sony Interactive neuerdings bei PlayStation Plus Monat für Monat brandneue, unveröffentlichte PlayStation-5-Games wie Destruction AllStars oder Oddworld: Soulstorm ‚verschenkt‘, ist so gesehen kein Zufall.

Erst recht ist diese Kostenlos-Kultur kein Akt der Nächstenliebe, sondern verfolgt ein naheliegendes Ziel: mehr Content, mehr Spielzeit, mehr Spieler, mehr Umsatz. So kalkuliert ganz offenkundig auch Konami: Es wird spannend sein zu sehen, wie sich eFootball schlägt – und inwieweit EA Marktanteile abgeben muss.

Interessanterweise wurde schon in den Tagen vor der Konami-Ankündigung im Netz spekuliert, dass FIFA 22 womöglich das letzte Vollpreis-FIFA sein könnte.

Diese Wette würde ich glatt mitgehen.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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