Je größer ein Unternehmen und damit das Investitionsvolumen, desto üppiger fallen staatliche Fördergelder aus – auch Ubisoft Blue Byte profitiert vom „Matthäus-Effekt“.

Fröhlich am Freitag 29/2018: Die wöchentliche Kolumne aus der Chefredaktion

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

kennen Sie den „Matthäus-Effekt“? Entgegen landläufiger Vermutungen handelt es sich dabei nicht um die durchschnittliche Haltbarkeit von Eheschließungen pro Rekordnationalspieler.

Der Matthäus-Effekt ist benannt nach einem Psalm im gleichnamigen Evangelium („Denn wer da hat, dem wird gegeben“). Die Wissenschaft hat nämlich herausgefunden, dass vorhandener Erfolg weiteren Erfolg geradezu magisch anzieht. Denn das mediale Buhei führt zu höherem Bekanntheitsgrad, besseren Connections und letztlich immer neuen, immer größeren Ressourcen.

Der Volksmund hat dafür ein hübsches Sprichwort – ganz genau, das mit dem Teufel und dem größten Haufen.

Es erklärt zum Beispiel, warum Fördergelder immer und immer wieder an die selben Begünstigten gehen – nicht nur bei Games, auch beim Film. Die staatliche Bezuschussung der Kino-Projekte von und mit Detlev Buck, Til Schweiger, Matthias Schweighöfer oder Elyas M’Barek rechnet sich fast immer von alleine.

Nun hat es sich zugetragen, dass Ubisoft Blue Byte eine Förderung von 1,58 Millionen Euro zum Aufbau des Berliner Studios an Land gezogen hat. Den Bescheid hat zwar die Wirtschaftssenatorin überreicht, doch das Geld stammt aus dem GRW-Topf(„Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Regionalen Wirtschaftsstruktur“).

Es handelt sich explizit nicht um eine Games-Förderung oder gar um eine Spezialität der chronisch armen, aber sexy Hauptstadt, sondern um eine klassische Subvention aus der Wunderwelt der Wirtschaftsförderung. Das GRW steht Unternehmen vieler Branchen offen, die nachprüfbar neue und vor allem nachhaltige Jobs schaffen – insbesondere in strukturschwachen Regionen, in Wunsiedel, Cuxhaven oder in der Uckermark.

Erst vor kurzem hat Berlin das Programm für Digital-Firmen geöffnet, deren Geschäftsmodell auf Affiliate-Umsätzen, Online-Abos oder Mikrotransaktionen basiert.

Ubisoft verzeichnete zuletzt einen weltweiten Umsatz von 1,7 Milliarden Euro, in Deutschland kamen Ubisoft und Blue Byte (seit Juni: Ubisoft Blue Byte) auf deutlich über 100 Millionen Euro. Ohne sich allzu sehr einschränken zu müssen, würde die Büro-Anmietung zur Not also auch mit Eigenmitteln gelingen. Andererseits wäre es aus Unternehmenssicht geradezu töricht, die Standortwahl nicht von regionalen Rahmenbedingungen abhängig zu machen, also Anträge auszufüllen und Fördermittel abzurufen.

Auch Milliardäre kriegen schließlich Kindergeld.

Jedenfalls dürfte die Rechnung für den Steuerzahler aufgehen: Menschen ziehen nach Berlin, zahlen Miete und Abgaben, tragen dort ihr Gehalt in Supermärkte und Einkaufszentren. Das Geld ist voraussichtlich gut angelegt.

Was zweifelsohne eine famose Nachricht für Ubisoft und den Games-Standort Berlin ist, verschärft gleichzeitig den Wettbewerb – insbesondere jenen um Talente. Denn Personal, das in der Lage wäre, an AAA-Produktionen zu arbeiten, wird auch andernorts gesucht – bei id Software, bei Yager, bei Crytek, bei Deck 13, bei Foundry 42. Vereinzelt ist der Ubisoft-Effekt bereits zu spüren. Warum sollte ein fähiger Coder bei einem kleinen oder mittelständischen Betrieb unterschreiben, wenn ihm Konzerntöchter einige Tausender mehr im Jahr überweisen?

Potenzial für mindestens 1.000 Jobs gäbe es in den drei deutschen Studios, prophezeit das Management. Und dies würde umso schneller klappen, je früher die bundesweite Games-Förderung kommt, heißt es. Damit wäre Ubisoft Blue Byte der mit weitem Abstand größte Arbeitgeber der deutschen Branche.

Der Evangelist Matthäus war offenkundig ein kluger Mann.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

Alle bisherigen Folgen von „Fröhlich am Freitag“ finden Sie in unserer Rubrik „Meinung“.


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