Der mögliche Brexit schreckt ihn nicht – im Gegenteil: Martin Wein gerät förmlich ins Schwärmen über die rührige britische Games-Branche. Der langjährige Deep-Silver-Kommunikations-Chef Martin Wein arbeitet als Senior Brand Manager beim Online-Rollenspiel-Riesen Jagex („Runescape“) in Cambridge.
[no_toc]Sein Kommunikations-Handwerk hat Martin Wein von der Pieke auf gelernt, unter anderem als PR-Berater bei Münchener Agenturen wie Fischer Appelt und Fink & Fuchs. Vor exakt zehn Jahren – im April 2008 – startete Wein dann als Senior Communications Manager bei der Koch Media GmbH, die erst vor wenigen Wochen vom schwedischen Medienkonzern THQ Nordic übernommen wurde.
In dieser Funktion betreute er große Titel des Koch-Labels Deep Silver, darunter „Saints Row“, „Metro“, „Sacred“ und „Risen“, aber auch Spiele von Dritt-Publishern wie Square Enix („Final Fantasy“), SEGA („Total War“) oder Codemasters („F1“).
Ab 2015 übernahm Wein in der Londoner Koch-Filiale die Rolle des Global Brand Manager – im Herbst 2016 wechselte er dann als Senior Brand Manager zu Jagex nach Cambridge. Das 150.000-Einwohner-Städtchen liegt zwei Autostunden nördlich von London und beherbergt neben Oxford die berühmteste britische Universät.
Sein Arbeitgeber Jagex gehört zu den traditionsreichsten Anbietern von Online-Rollenspielen und beschäftigt derzeit über 300 Mitarbeiter. Das erfolgreichste und bekannteste Jagex-Spiel „Runescape“ soll demnächst den Sprung vom PC aufs Smartphone schaffen. Zuständiger Brand Manager: Martin Wein.
Tschö Germany: Jagex-Manager Martin Wein über Ruderer, Pork Scratchings und den Brexit
Immer wieder schmunzeln muss ich über folgendes englische Wort:
„Shenanigans“ ist immer noch mein Favorit. Es bedeutet „Unfug“ oder „Schabernack“ und kommt eigentlich immer auf, wenn es um Wochenend-Aktivitäten geht.
Das am wenigsten zutreffende Klischee über den Großraum Cambridge lautet:
Dass es in England immer kalt und nass ist. Cambridge ist die wärmste und sonnigste Stadt in UK und von Mai bis Oktober kann man eigentlich in fast jedem Pub gemütlich im Biergarten sitzen.
Hingegen trifft folgendes Klischee über Stadt und Region definitiv zu:
Ruderer! Die ganze Zeit! Das ganze Jahr über! Ich bin noch kein einziges Mal über den Cam (Fluss durch Cambridge, Anm. d. Red.) gefahren, ohne mindestens ein Ruderboot zu sehen. Und „Queuing“, also Schlangestehen, ist auch voll das Ding. Der Engländer stellt sich einfach gerne an.
Noch immer nicht daran gewöhnt habe ich mich daran, dass in Cambridge …
…der Bahnhof so weit vom Stadtzentrum weg ist. Du läufst nochmal 20 Minuten. Wenn man abends in Cambridge weggeht, sollte man auf jeden Fall noch ein Wegbier zum Bahnhof einkalkulieren.
Nicht genug bekommen kann ich von der englischen Spezialität namens…
Pork Scratchings, gewürzte und fritierte Schweineschwarten. Perfekter Bar-Snack zu einem schönen Pint Bier, gibt es hier in jedem Pub.
Die wenigsten dürften wissen, dass in Cambridge …
… das erste offizielle Fußballspiel nach modernene Regeln gespielt wurde – und zwar 1848 im Parker’s Piece Park. Die sogenannten „Cambridge Rules“ waren die Grundlage für das Regelwerk der Football Association (quasi der britische DFB) im Jahr 1863.
Der aus meiner Sicht größte Unterschied zwischen deutschen und britischen Studios besteht darin…
…. dass die Akzeptanz und die Förderung in Großbritannien deutlich höher sind. Dadurch ist es für die Studios hier einfacher, an hochqualifiziertes Personal zu kommen. Ich hoffe, dass der neue Game-Verband in Zukunft eine ähnliche Rolle spielen kann wie UKIE hier in Großbritannien und weiter intensiv daran arbeitet, dass Games nicht immer nur als Prellbock herhalten müssen, wenn was passiert.
Von England könnte das Games-Entwicklerland Deutschland lernen, dass…
… Work/Life-Balance and Benefits wichtig sind. Boni, Fitnessclub, Zusatzversicherungen auch für Familienmitglieder etc. gehören hier zum Standardprogramm und sind ein wichtiger Bestandteil im Rekrutierungsprozess.
Umgekehrt könnten sich englische Studios von deutschen Spiele-Machern abgucken…
… wie man erfolgreich Online- oder Mobile-Games betreibt. Abgesehen von Jagex fokussiert sich der Großteil der britischen Games-Szene auf klassische PC- und Konsolenspiele.
Allen, die mit einem Wechsel in die britische Gamesbranche liebäugeln, möchte ich Folgendes mit auf den Weg geben:
In Großbritannien tut sich viel in Sachen Games-Entwicklung, viele Studios suchen gute Leute und bieten zumeist gute Gesamtpakete an. Natürlich schreckt der (kommende? drohende? eventuelle? vielleicht doch nicht?) Brexit und das damit verbundene Chaos ab. Als jemand, der schon da ist, kann ich aber beruhigend 5 Euro ins Phrasenschwein werfen und sagen: „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird“. Wer sich von den Schlagzeilen nicht verunsichern lässt, findet nach wievor ein sehr gastfreundliches Land, in dem vor allem Deutschland erstaunlich positiv gesehen wird. „Made in Germany“ ist hier tatsächlich noch ein sehr starkes Gütesiegel.
Über Tschö Germany
In der Serie „Tschö Germany“ stellt GamesWirtschaft in loser Folge spannende Persönlichkeiten der Games-Branche vor, die ihre Karriere in Deutschland gestartet haben und mittlerweile im Ausland leben und arbeiten – manchmal temporär, oft aber auch mit langfristigen Plänen.
- Episode 1: Guido Schmidt, Paradox Interactive, Schweden
- Episode 2: Florian Emmerich, THQ Nordic, Wien / Österreich
- Episode 3: Bernd Diemer, DICE, Stockholm / Schweden
- Episode 4: Frank Fay, Riot Games, Los Angeles