Start der neuen GamesWirtschaft-Serie: Wie lebt es sich eigentlich als deutscher Spiele-Entwickler oder Manager im Ausland? Guido Schmidt war als Spieldesigner an „Anno“- und „Siedler“-Spielen beteiligt – und arbeitet jetzt bei Paradox Interactive in Schweden.
In loser Folge wird GamesWirtschaft im Rahmen der Serie „Tschö Germany“ interessante Menschen vorstellen, die ihre Karriere in der deutschen Games-Branche gestartet haben und dann den Schritt ins Ausland gewagt haben – manchmal temporär, oft genug aber mit langfristigen Plänen.
Anders als bei TV-Auswanderern, die sich gerne mal ohne Sprachkenntnisse und ohne Budget den Traum einer Fischbrötchenbude an der Copacabana erfüllen wollen, handelt es sich in fast allen der demnächst vorgestellten Fälle um sehr konkrete Jobs an sehr konkreten Projekten bei sehr konkreten Unternehmen.
Selbstverständlich wird es auch ein Pendant zu dieser Serie geben – dort geht es dann um Entwickler aus aller Welt, die inzwischen Teil der deutschen Games-Branche sind.
Tschö Germany – Folge 1: Guido Schmidt von Paradox Interactive in Schweden
Den Anfang macht Guido Schmidt: Er startete 2001 als Programmierer und Spieldesigner beim Giebelstädter Entwickler HandyGames und wechselte 2007 nach Mainz zu Related Designs – heute besser bekannt als Ubisoft Blue Byte. In leitender Funktion mitgewirkt hat er unter anderem an Spielen wie „Anno 1404“, „Anno 1701: Der Fluch des Drachen“, „Die Siedler Online“ und „Anno Online“.
Nach Stationen als Spieldesigner und Projektleiter bei der OnlineFussballManager GmbH und bei Digamore Entertainment wechselte er im Sommer 2017 zu den Strategiespiel-Experten von Paradox Interactive („Europa Universalis“, „Cities: Skylines“) im schwedischen Umeå. Dort arbeitet Guido Schmit an einem neuen, noch nicht angekündigten Projekt – und er ist der erste Kandidat, der den GamesWirtschaft-Fragebogen ausgefüllt hat.
Guido Schmidt, Paradox Interactive: „Die meisten Klischees über Schweden treffen zu.“
Immer wieder schmunzeln muss ich über folgendes schwedische Wort:
Ostkaka. Was zum…? Aber nein, „Ost“ bedeutet „Käse“ und „kaka“ bedeutet „Kuchen“. Ist also doch nur ein harmloser Käsekuchen.
Das am wenigsten zutreffende Klischee über Schweden lautet:
Dass der „Swedish Chef“ (der Koch aus der Muppet-Show, Anm. d. Red.) tatsächlich wie ein Schwede klingt. Tut er nämlich anscheinend überhaupt nicht. Höchstens, wenn man ins tiefe Skåne reist, kann man leichte Anleihen von ihm hören.
Hingegen trifft folgendes Klischee über Schweden definitiv zu:
Fast alles andere stimmt. Sie lieben Köttbullar, es gibt unglaublich viele blonde, schöne Menschen hier und ihre Möbel kommen alle von IKEA.
Noch immer nicht daran gewöhnt habe ich mich daran, dass es in Schweden…
… so kalt ist. -24 Grad war mein bisheriger Rekord, aber die Kollegen lachten nur und meinten es wäre hier auch schon -30 Grad und kälter gewesen.
Nicht genug bekommen kann ich von der schwedischen Spezialität namens…
Julmust – ein Getränk, das es an Weihnachten gibt. Schmeckt ein bisschen wie Malzbier, aber dann auch doch wieder ganz anders. Das ist ziemlich lecker.
Die wenigsten dürften wissen, dass in Schweden…
… die Kollegen einem nicht „Gesundheit“ wünschen, wenn man niest. Was bei uns fast schon unhöflich ist, ist hier hingegen ganz normal. Allerdings lassen sie sich auch gerne davon überzeugen und mittlerweile sagt im Büro fast jeder auch „Gesundheit!“. Muss ja schließlich auch etwas Deutsches mit nach Schweden bringen.
Der aus meiner Sicht größte Unterschied zwischen schwedischen und deutschen Studios besteht darin…
… dass die Hierarchie wesentlich flacher ist als in deutschen Studios. Wenn hier der Chef nicht mit dem Azubi Kaffeepause – Verzeihung: „Fika“ – macht, dann wird der Chef ganz schön schräg angeschaut, als ob er sich für was Besseres hält.
Was Schweden das Games-Entwicklerland Deutschland lernen könnte:
Durch das schwedische Mindset, welches zu den flachen Hierarchien führt, können die Schweden das ganze Potenzial ihrer Mitarbeiter besser nutzen. Es führt dazu, dass das Management sich auch selbst hinterfragt und immer versucht, weiter zu lernen und sich zu verbessern – auch und vor allem in der Führung ihrer Mitarbeiter.
Wenn es eines gibt, was ich den deutschen Studios sagen möchte, dann dass sie – gerade auf CEO- und Management-Ebene – nicht aufhören sollten, zu lernen und an sich zu arbeiten. Denn gerade dort schwächelt die deutsche Branche meiner Meinung nach sehr.
Was sich Schwedens Studios umgekehrt von deutschen Spiele-Machern abgucken könnten:
Es gibt einige erfolgreiche deutsche Firmen, die sich mit Mobile- und Free2play-Games beschäftigen. Dort könnten sich die Schweden einiges an Know-How, Best Practices und Business-Strategien anschauen, um zu sehen, was funktioniert und was nicht.
Allen, die mit einem Wechsel in die schwedische Gamesbranche liebäugeln, möchte ich Folgendes mit auf den Weg geben:
Das eigene Land zu verlassen ist nicht gerade ein kleiner Schritt, den man da geht. Das sollte man sich gut überlegen. In Schweden ist das Leben etwas teurer, als in Deutschland. Nicht übermäßig viel, aber man merkt es. Wohnungen zu finden ist extrem schwierig, da sollte man sich definitiv von der Firma helfen lassen.
Dafür bekommt man überaus intelligente und schlaue Menschen, ein Gefühl der Wertschätzung, das in Deutschland seinesgleichen sucht – und eine großartige Möglichkeit, an einigen der besten Spiele der Welt mitzuarbeiten.