Start Wirtschaft Blitzanalyse: Rolle rückwärts bei Embracer – und jetzt?

Blitzanalyse: Rolle rückwärts bei Embracer – und jetzt?

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Analyse: Die Aufspaltung der Embracer Group und die Folgen (Fotos: GamesWirtschaft)
Analyse: Die Aufspaltung der Embracer Group und die Folgen (Fotos: GamesWirtschaft)

Die Woche startet mit einem Paukenschlag: Aus der Embracer Group werden drei separate Unternehmen. Was heißt das jetzt konkret? 

Seit 2011 war Lars Wingefors damit beschäftigt, eine Art Galeria Karstadt Kaufhof der Videospiele-Industrie aufzubauen: mit Brettspielen, mit Comic-Verlagen, Spiele-Apps, Studios, Publishern, Dienstleistern, Agenturen, Merchandise-Spezialisten, Vertriebsstrukturen, mehr als 15.000 Beschäftigten, über 9.000 Marken-Rechten und zuletzt elf Geschäftsbereichen. Allein im deutschsprachigen Raum stehen nach wie vor 1.300 Angestellte auf der Gehaltsliste der schwedischen Embracer Group AB.

Doch die Zeiten und damit das Marktumfeld haben sich geändert, wie Wingefors im Nachgang zur heutigen Investoren-Konferenz sagte. Konzept und Struktur des Gemischtwarenladens passen nicht mehr in die heutige Landschaft – analog zum Von-allem-ein-bisschen-Kaufhaus im Einzelhandel. Was zuvor mit dem Argument von Synergie-Effekten aufgetürmt wurde, wird jetzt zum Mühlstein.

In der Konsequenz zerfällt Europas zweitgrößter Publisher (nach Ubisoft) in drei börsennotierte Einzel-Unternehmen:

  • das Brettspiel-Geschäft von Asmodee
  • die PC-, Konsolen- und Mobilegames-Sparte Coffee Stain & Friends, die sich auf Indie-Titel und das A-/AA-Business konzentriert, also Projekte mit kleinem und mittelgroßem Budget
  • und schließlich Middle-Earth Enterprises & Friends, wo große Marken mit großem Volumen und großen Umsätzen geparkt werden – Der Herr der Ringe, Tomb Raider, Kingdom Come: Deliverance, Metro und Dead Island.

Die Auswirkungen auf die Games-Industrie im deutschsprachigen Raum sind weitreichend. Denn das ‚Sorgerecht‘ für die hiesigen Töchter wird aufgeteilt:

  • Der Wiener Publisher THQ Nordic ist künftig Teil von Coffee Stain & Friends – und damit auch die Studios Grimlore Games (München), Black Forest Games (Offenburg), DECA Games (Berlin), HandyGames (Giebelstadt), Purple Lamp Studios (Wien), Metricminds und KAIKO Games (beide Frankfurt), Massive Miniteam (Köln) und dem, was von Piranha Bytes übrig ist.
  • Der Münchener Publisher und Distributor Plaion samt Fishlabs (Hamburg) wandert gemeinsam mit Crystal Dynamics, Warhorse Studios (Prag), Eidos Montreal und Dambuster Studios (Nottingham) in die Middle-Earth-Division.

Heißt auch: Aus den Konzern-Schwestern Plaion und THQ Nordic werden direkte Mitbewerber.

Die eigentliche Arbeit beginnt jetzt erst, sagt Wingefors: Verträge, Abläufe, Kooperationen, Personal, Strukturen, Marken- und Messe-Auftritte (etwa mit Blick auf die Gamescom 2024) – alles muss zwangsläufig neu gedacht werden, damit die drei immer noch sehr großen Firmen eigenständig funktionieren. Das neue/alte Management an der Spitze wird auch zu entscheiden haben, worin investiert wird und welche Standorte und Marken eine Zukunft haben – und welche nicht. Was nicht passt, wird passend gemacht.

Wenn man es positiv formuliert: Bei Embracer wird’s nie langweilig. Weniger euphemistisch: Die Unruhe bleibt.

Dies gilt auch für die künftige Rolle von Lars Wingefors, der zunächst an Bord bleibt und bei allen Gesprächen „im Raum“ sein wird, wie er es formulierte. Als Großaktionär redet er mindestens bei wesentlichen, sprich: strategischen Entscheidungen mit; die operative Verantwortung wird indes auf die bereits benannten CEOs der drei neuen Unternehmen übergehen.

Die Rolle Rückwärts ist die gleichermaßen unmittelbare wie drastische Folge jener Adhoc-Meldung vom 24. Mai 2023: Vor elf Monaten musste der sichtlich übernächtigte Embracer-Boss einräumen, dass ein Multi-Milliarden-Deal geplatzt war. Dem Vernehmen nach saßen am anderen Ende des Verhandlungstisches die Vertreter des Königreichs Saudi-Arabien. Embracer geriet daraufhin in eine schwere Krise, weil sich Kosten und Schulden aufgetürmt hatten. Es folgten: Projekt-Stopps, Entlassungen, Standort-Schließungen, Abspaltungen.

Mit Blick auf die nunmehr handlich filetierten Tranchen steigt nun wieder die Wahrscheinlichkeit, dass sich Saudi-Arabien – aktuell zweitgrößter Embracer-Aktionär – einzelne Filetstücke sichert, ohne sich wie vor einem Jahr den kompletten Fisch angeln zu müssen.

Diese Deutung lässt sich auch aus jenen Zeilen herauslesen, die die konsumfreudige, staatliche, saudische Savvy Games Group zur Feier des Tages beisteuert: „Wir begrüßen die heutige Ankündigung hinsichtlich der Transformation in drei separate Einheiten – und glauben, dass dieser Vorschlag signifikante Vorteile für das operative Geschäft und die Aktionäre hat.“

Auch wenn es auf viele Fragen erst in den kommenden Wochen und Monaten konkrete Antworten geben wird, eines ist sicher: Mit dem heutigen Tage wird die kontrollierte Abwicklung der Embracer Group as we know it eingeläutet.


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3 Kommentare

  1. Die Namen sind ja sicherlich nicht für die Ewigkeit gedacht. Es drängt sich geradezu die Vermutung auf daß man nun ein Jahr lang vergeblich nach Käufern gesucht hatte, aber einfach niemand Interesse an einem überschuldeten Haufen willkürlich zusammengekaufter Studios hatte.
    Nun wird man ja zumindest wissen woran potentielle Käufer Interesse haben und woran nicht, also hat man die letzten 3-4 Monate verkauft was man losbekommen hat, die größeren Studios ohne Kaufinteressenten geschlossen und hier und da Leute entlassen, damit es ein zukünftiger Eigentümer nicht tun muss. Der Rest ist nun in verdaulichere Happen aufgeteilt – vielleicht sogar schon auf mögliche Kaufinteressenten zugeschnitten.

    Für die Saudis müsste das ja ein prima Deal sein. Die können sich Firma 1 kaufen und durch den Verkauf ihrer Anteile an Firma 2 + 3 finanzieren.

  2. Herr Wingefors hat die teuerste und längste Partie Monopoly, die jemals in der Games Branche gespielt wurde, ziemlich spektakulär verloren…

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