Start Meinung Hakenkreuz-Debatte: Die USK ist die Lösung

Hakenkreuz-Debatte: Die USK ist die Lösung

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Kai Bodensiek ist Partner bei der Berliner Kanzlei Brehm & v. Moers
Kai Bodensiek ist Partner bei der Berliner Kanzlei Brehm & v. Moers

Wie könnte es gelingen, dass Games-Entwickler analog zu Film, TV und Theater straffrei Hakenkreuze und andere verfassungsfeindliche Symbole in Videospielen zeigen dürfen? Medienanwalt Kai Bodensiek plädiert in seinem Gastbeitrag gegen eine Klage und für den Weg des Dialogs – und der führt über die USK.

In der vergangenen Woche war ich zu Gast auf den German Dev Days in Frankfurt. Eine Veranstaltung, die von einem Unternehmer ins Leben gerufen wurde, um den Nachwuchs in seiner Branche zu fördern. Das ist eine wichtige Form von sozialer Verantwortung.

Ich hatte das Vergnügen, mit Petra Fröhlich, der Chefredakteurin von Gameswirtschaft.de, kontrovers über das Thema Hakenkreuze in Computerspielen diskutieren zu dürfen. Der Saal war überfüllt und das Publikum hochmotiviert. Es war eine konstruktive und ruhige Diskussionen zu einem Thema, bei dem sonst die Gemüter hochkochen, wie man nicht zuletzt an Petras Fröhlichs Artikel diese Woche und Wolfgang Walks Diskussionsbeitrag im Podcast von „The Pod“ spüren könnte.

Deutlich aufgeregter war die Diskussion auf dem Games-Festival A MAZE auf der Games Week Berlin, zu dem ich eingeladen wurde, um zu erklären, warum man den Preisträger des Festivals „Attentat 1942“ nicht auf der Amaze zeigen konnte. Das Spiel zeichnet die Recherchen der Enkelin eines Mannes nach, der als Verschwörer zum Attentat gegen Reinhard Heydrich in Prag inhaftiert wurde. Nach und nach erfährt die Enkelin durch Interviews mit Zeitzeugen, was sich damals wirklich abgespielt hat und wie brutal und willkürlich das NS-Regime das Leben von Menschen zerstörte.

Das Spiel verwendet viele Filmaufnahmen und Originaldokumente aus der NS-Zeit , enthält deshalb Hakenkreuze, Hitlergruß, SS-Runen und alles Mögliche andere, was unter das Verbot des § 86a StGB fällt. Da Spiele mit solchen Inhalten derzeit noch nicht von der USK geprüft werden dürfen, konnte „Attentat 1942“ mangels Alterskennzeichnung nicht öffentlich gezeigt werden, auch aus Angst vor staatlichen Repressalien.

Es mutet absurd an, dass ein Spiel, das über die NS-Gräuel aufklären will, jetzt in Deutschland nicht gezeigt wird, weil ein Gesetz, das den Staat gegen NS-Nachfolger verteidigen will, das Zeigen der Zeichen des NS-Regimes verbietet. Darüber regte sich auf der A MAZE nicht nur das Publikum, sondern zuletzt auch Wolfgang Walk zu Recht auf.

Und auch der Gesetzgeber hat eine solch absurde Situation nie gewollt, denn mit § 86 Absatz 3 StGB hat er genau dem Rechnung getragen. Wenn die Darstellung der Symbole der „staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken“ dient, so ist sie natürlich straffrei.

Die sogenannte Sozialadäquanzklausel ist der direkte Ausdruck einer Grundrechtsabwägung. Die Grundrechte aus Art. 5 GG (Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Kunst- und Forschungsfreiheit) müssen sich im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung auch solcher Symbole bedienen können, um sich mit dem Thema Nationalsozialismus oder der Zeitepoche auseinanderzusetzen.

Computerspiele unterfallen dem weiten und offenen Kunstbegriff des Bundesverfassungsgerichtes ohne Zweifel und die Games-Branche ist seit langem Teil des Deutschen Kulturrates.

Dass ein Spiel wie „Attentat 1942“ schon nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2007 zur Verwendung von Hakenkreuzen in Antifa-Materialien nicht unter § 86a StGB fallen kann („Der Gebrauch des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation in einer Darstellung, deren Inhalt in offenkundiger und eindeutiger Weise die Gegnerschaft zu der Organisation und die Bekämpfung ihrer Ideologie zum Ausdruck bringt, läuft dem Schutzzweck des § 86a StGB ersichtlich nicht zuwider und wird daher vom Tatbestand der Vorschrift nicht erfasst.“), ist so offensichtlich, dass ich sogar als vorsichtiger Rechtsanwalt den Herstellern dazu raten würde, das Spiel online in Deutschland ohne Einschränkungen zu vertreiben.

Dass Wolfgang Walk hierzu einen Aufschrei aus dem Branchenverband vermisst, ist nachvollziehbar. Auf der anderen Seite kann man auch nicht jeden Fall kommentieren – die Argumente verkommen sonst zur Gebetsmühle – und tatsächlich befindet sich der Game-Verband in sehr konkreten Gesprächen mit den zuständigen Behörden.

Denn dem Verband geht es nicht nur um diese offensichtlichen Fälle, sondern es geht um die Verwendung in Spielen allgemein, auch außerhalb des Genres Serious Games, es geht um die Verwendung in Genres wie Adventures und Rollenspielen, aber auch in Action-Spielen. Die Kunstfreiheit endet nämlich nicht am Serious Game oder der Dokumentation. Wie auch im Medium Film muss es auch dem Medium Games möglich sein, das Thema Nationalsozialismus in angemessener Form zu behandeln.

Wenn Petra Fröhlich darauf verweist, dass Zweck des § 86a StGB unter anderem auch darin besteht, eine erneute Verbreitung der Zeichen in der Gesellschaft und damit eine emotionale Abstumpfung hinsichtlich der Zeichen zu verhindern, so ist dies richtig. Der BGH hat dies im Rahmen der schutzzweckorientierten Auslegung selbst eingebracht. Gleichzeitig wurden aber aufwendige Filmproduktionen regelmäßig als sozial absolut unverdächtig und somit als sozialadäquat im Sinne des § 86 Absatz 3 StGB bezeichnet.

Natürlich gilt es, eine sinnlose Häufung der Kennzeichen in einem Medium mit dem Ziel der Abstumpfung zu vermeiden, das bedeutet aber nicht, dass eine Verwendung in Spielen generell auszuschließen ist. Eine solche Auslegung überreizt den Schutzzweck und übersieht das erhebliche Gewicht der grundrechtlichen Schranken in Form von Art. 5 GG.

Auch das Argument, dass ein Spiel grundsätzlich länger sei als ein Film und damit schon das Vorkommen der Kennzeichen entsprechend häufiger sei, ist zu kurz gegriffen. Es ist zwar richtig, dass ein Spiel häufig länger genutzt wird als ein Film, der Film ist aber auch viel verbreiteter und hat eine noch stärkere gesellschaftliche Wirkung. Es mag sein, dass eine halbe Million „Call of Duty“-Spieler in Deutschland betroffen sein könnten, aber „Inglourious Basterds“ haben allein in Deutschland im Jahr 2009 mehr als 2,1 Millionen Zuschauer im Kino gesehen und seitdem sicherlich einige Millionen weitere im Fernsehen oder auf Streamingplattformen.

Serien werden in Massen und extremer Länge konsumiert (Stichwort „Binge watching“) und auch filmische Inhalte werden in beliebiger Menge und Länge durch die Streaming- und VOD-Plattformen konsumiert. Eine intensivere Befassung nur durch das Medium „Spiel“ dürfte daher kaum gegeben sein.

Es ist vielmehr eine Frage des Einzelfalls, ob die Verwendung der Kennzeichen in einem Spiel tatsächlich die – eher weiten Grenzen – der Sozialadäquanz überschreitet oder ob lediglich der künstlerische Freiraum im grundrechtlich garantierten Bereich ausgenutzt wird.

Und genau deshalb braucht es einen ruhigen und besonnenen Dialog mit den zuständigen Behörden, wie er vom Game-Verband aktuell geführt wird. Die zuständigen Behörden müssen gemeinsam mit der USK Richtlinien zur angemessenen Umsetzung der Sozialadäquanz und der Grundrechte nach Art. 5 GG entwickeln, damit die USK in die Lage versetzt wird, wie auch die FSK angemessene Einzelfallentscheidungen zu fällen. Dabei darf es nicht zu pauschalen Veboten für bestimmte Genres oder Kunstformen kommen, sondern vielmehr muss der individuelle Eindruck im Einzelfall ausschlaggebend sein; so wie es eben in jeder Grundrechtsabwägung geboten ist.

Dies trauen Politik, Behörden, Gesellschaft und Branche der USK seit Jahren in den Bereichen Gewalt, Sexualität oder sonstigen kritischen Bereichen zu. Die USK gilt weithin als Erfolgsmodell.

Der Game-Verband hat daher genau den Dialog mit dem Ziel der Schaffung gemeinsamer Richtlinien für die Grundrechtsabwägung bei Spielen im Hinblick auf § 86 Absatz 3 StGB aufgenommen. Das ist der notwendige Schritt, um die Grundrechte der Kreativen zu schützen, ohne die gesellschaftliche Verantwortung der Branche zu vernachlässigen.

Der oft gepriesene Klageweg löst immer nur den Einzelfall und ist ein jahrelanger Prozess, an dessen Ende wir womöglich wieder ohne allgemein gültige Aussagen dastehen. Nur eine gemeinsame Lösung im Rahmen der USK wird dauerhaft den Anforderungen des Grundgesetzes gerecht. Diesen Weg sollten wir als Teil der Branche unterstützen.

GamesWirtschaft-Kolumnen und -Gastbeiträge spiegeln stets die Meinungen und Einschätzungen der Autoren wider und entsprechen nicht zwingend der Meinung der Redaktion.

Über den Autor: Kai Bodensiek ist Partner bei der Berliner Kanzlei Brehm & v. Moers. Er berät unter anderem Kunden aus der Games- und Medienbranche.