Start Wirtschaft Ubisoft-Untersuchung: Jeder vierte Mitarbeiter hat bereits Fehlverhalten erlebt

Ubisoft-Untersuchung: Jeder vierte Mitarbeiter hat bereits Fehlverhalten erlebt

0
Yves Guillemot ist Gründer und CEO von Ubisoft (Foto: Ubisoft)
Yves Guillemot ist Gründer und CEO von Ubisoft (Foto: Ubisoft)

Eine unabhängige Studie liefert erschreckende Zahlen zum Missbrauchs-Skandal bei Ubisoft: Unternehmens-Chef Guillemot verspricht schnelle Gegenmaßnahmen.

Mit einer langen E-Mail hat sich Ubisoft-Gründer Yves Guillemot am Freitag an die Belegschaft gewandt. Die Betreff-Zeile mutet harmlos an: „Auf dem Weg zu einer beispielhaften Arbeitsplatz-Kultur: Euer Feedback und unsere Schwerpunkte“

Doch das Schreiben (liegt GamesWirtschaft vor) hat es in sich: Im Auftrag von Ubisoft hat die externe Unternehmensberatung Accenture den Spiele-Konzern durchleuchtet. Parallel wurden „Listening Sessions“ von den Leitern der Ubisoft-Büros organisiert und von externen Experten moderiert – allein an diesen Sitzungen hätten über 2.000 Mitarbeiter mitgewirkt.

Zusätzlich haben 14.000 der mehr als 19.000 Ubisoft-Mitarbeiter an einer anonymen Umfrage teilgenommen, in der sie eigene Erfahrungen schildern und Verbesserungsvorschläge einreichen konnten. Zudem wurden über 100 Einzelgespräche und 40 Fokusgruppen mit 1.200 Teilnehmern geführt.

Das Unternehmen legt Wert auf die Feststellung, dass diese Maßnahmen bereits eingeleitet worden seien, nachdem im Sommer erstmals Mitarbeiter an die Öffentlichkeit gegangen sind. Deren Vorwurf: Macht-Missbrauch, Sexismus, Belästigung und Diskriminierung durch Kollegen und Vorgesetzte. Guillemot hat lückenlose Aufklärung zugesagt – und neben personellen Veränderungen auch grundlegende Korrekturen an der Unternehmenskultur angekündigt.

Die Umfragen unterfüttern die bisherigen Erkenntnisse mit konkreten Zahlen: 25 Prozent der Belegschaft – also jeder vierte Ubisoft-Mitarbeiter – hat in den vergangenen zwei Jahren ein Fehlverhalten am Arbeitsplatz selbst erlebt oder beobachtet, etwa Belästigung oder Diskriminierung. Einer von fünf Angestellten fühlt sich von Firma und Vorgesetzten entweder nicht respektiert oder am Arbeitsplatz nicht sicher. Frauen sind überdurchschnittlich häufig betroffen – der Anteil liegt im Schnitt 30 Prozent über jenen ihrer männlichen Kollegen.

Ebenfalls auf erstaunlich niedrigem Niveau ist das Zutrauen der Ubisoft-Mitarbeiter in ihre Vorgesetzten, also Teamleiter und Manager. Nur in zwei Drittel der Fälle, in denen Missbrauch gemeldet wurde, habe es den nötigen Rückhalt gegeben. Insbesondere habe es an Sensitivität und Nachdruck gefehlt. Künftig sollen unter anderem Boni an die Einhaltung von Vorgaben gekoppelt werden.

Guillemot will insbesondere sicherstellen, dass Vorstöße gegen Ubisoft-Werte angstfrei gemeldet werden können. Bis Jahresende sollen in allen Niederlassungen Anti-Sexismus- und Anti-Belästigungs-Trainings durchgeführt werden. Außerdem will das Unternehmen in den kommenden zwei Wochen einen Head of Diversity and Inclusion vorstellen, der die Maßnahmen koordiniert und überwacht. So soll unter anderem der Frauenanteil in den Teams bis 2023 auf mindestens 24 Prozent steigen – derzeit liegt er bei 22 Prozent.

Auch im Personalwesen (Human Resources) gibt es Umbauten: Ein Chief People Officer (CPO) auf Vorstands-Ebene hat die Aufgabe, das Recruiting und die Karriere-Planung mit Blick auf Vergütung und faire Aufstiegs-Chancen zu überprüfen und zu optimieren.

Der im Sommer aufgedeckte Ubisoft-Skandal hat bereits jetzt zu einer ganzen Reihe von Kündigungen und Rücktritten hochrangiger Ubisoft-Manager und -Spieldesigner geführt. In weiteren Fällen laufen noch Ermittlungen: So hat Rayman-Schöpfer Michel Ancel das Unternehmen überraschend nach mehr als 30 Jahren verlassen – offiziell, um sich einem Wildtier-Reservat zu widmen. Eine französische Zeitung will hingegen erfahren haben, dass auch gegen Ancel eine interne Untersuchung mit Blick auf dessen „toxischem Führungsstil“ eingeleitet wurde – der Spieldesigner wehrt sich gegen die Vorwürfe. An Ancels neuestem Projekt – Beyond Good and Evil 2 – ist auch das Ubisoft-Studio in Mainz beteiligt.

Der börsennotierte französische Publisher ist nach Nintendo of Europe der zweitgrößte Arbeitgeber der deutschen Games-Industrie. In der Vermarktungs- und Vertriebs-Niederlassung in Düsseldorf sowie in den Studios von Ubisoft Düsseldorf, Ubisoft Berlin und Ubisoft Mainz sowie beim Zukauf Kolibri Games sind mehr als 800 Mitarbeiter beschäftigt. Neben Eigenproduktionen wie ANNO 1800 und Die Siedler sind die hiesigen Entwickler auch in internationale Co-Produktionen wie Far Cry 6 eingebunden.