Start Wirtschaft Warum sich Square Enix von Lara Croft trennt

Warum sich Square Enix von Lara Croft trennt

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Szene aus 'Shadow of the Tomb Raider' (Abbildung: Square Enix)
Szene aus 'Shadow of the Tomb Raider' (Abbildung: Square Enix)

Weil das Geschäft mit 70-€-Spielen bestenfalls stagniert, verkauft Square Enix mehrere Dutzend Marken an die Embracer-Gruppe – die GamesWirtschaft-Analyse.

Was in der Pressemitteilung so harmlos als „Divestiture of Select Overseas Studios & IP“ überschrieben ist, enthält echten Branchen-Sprengstoff: Der japanische Spielehersteller Square Enix (Final Fantasy) verkauft westliches Tafelsilber an den schwedischen Spielekonzern Embracer Group – Marken wie Tomb Raider, Thief und Deus Ex sowie drei große Studios in Nordamerika mit über 1.100 Mitarbeitern wechseln den Eigentümer.

Im Lichte der jüngsten XXL-Übernahmen wirkt der Cash-Kaufpreis von umgerechnet 280 Millionen € geradezu absurd gering. Selbst für einen – zugestandenermaßen hochprofitablen – Düsseldorfer Mittelständler wie Astragon Entertainment (Bus-Simulator) wurden zuletzt 100 Millionen € überwiesen. Allein die Lara-Croft-Markenrechte wären gefühlt diesen Preis wert.

Vorbehaltlich der erwartbaren Zustimmung der Kartellbehörden erscheint das nächste Tomb Raider also erstmals unter der Regie von Embracer Group. Das Action-Abenteuer entsteht derzeit beim kalifornischen Studio Crystal Dynamics, das die Schweden gleich mitgekauft haben.

Auch wenn der Lara-Croft-Lack schon etwas abgeblättert sein mag und weder Guardians of the Galaxy noch Marvel’s Avengers die kommerziellen Erwartungen erfüllt haben: Die Meldung hat am heutigen Morgen eine Art Schockwelle durch die Industrie geschickt – bestenfalls zu vergleichen mit der 70-Milliarden-$-Übernahme von Activision Blizzard durch Microsoft.

Bleibt die Frage: Warum um alles in der Welt gibt man pures Markengold wie Tomb Raider aus der Hand?

Wer den jüngsten Neujahrsbrief von Square Enix-Chef Yosuke Matsuda erstens aufmerksam studiert und zweitens ernst genommen hat, musste auf das Schlimmste gefasst sein. Bereits im zweiten Satz tauchen Schlagworte wie Metaverse, Extended Reality, Cloud, Blockchain, KI und die heftig umstrittenen NFTs auf – gemeint sind Spiel-Figuren, -Schwerter oder -Autos, die mit Kryptowährung gehandelt werden.

Der Herr Präsident ist ganz aus dem Häuschen mit Blick auf solche „Play to earn“-Konzepte – und äußert gleichzeitig Verständnis für jene, die dem vermeintlich altmodischen „Play to have fun“-Ansatz nachtrauern.

Was hingegen so gar nicht in diese neue Strategie passt, sind Solo-Abenteuer wie Tomb Raider oder Deus Ex, die buchstäblich wenig Spielraum lassen für die mittelfristige Dauer-Monetarisierung. Während der klassische Einmalkauf stetig in alle Richtungen verliert, verzeichnen In-Game- und In-App-Käufe nach wie vor stramm zweistellige Zuwächse.

Der Umsatz mit Games-Hardware und -Software in Deutschland ist 2021 auf fast 10 Milliarden € angestiegen (Stand: 11.4.2022)
Der Umsatz mit Games-Hardware und -Software in Deutschland ist 2021 auf fast 10 Milliarden € angestiegen (Stand: 11.4.2022)

Lars Wingefors ist all das ziemlich wurscht: Der Embracer-CEO pumpt das Unternehmen immer weiter mit Marken, Studios, Entwicklern und Standorten auf – Elex, Jagged Alliance, Metro, Saints Row, Valheim, Little Nightmares, SnowRunner, MotoGP, Spellforce, Desperados: alles Embracer.

Als das „am besten gehütete Geheimnis im Gaming“ hat Square Enix-Manager Phil Rogers den neuen Eigentümer bezeichnet. Zu Recht: Allerspätestens jetzt dürfte Embracer auch bei jenen auf dem Zettel erscheinen, die bislang nur mit halbem Auge hingesehen haben, wenn die Skandinavier mal wieder ein Animationsstudio, einen Comic-Verlag, einen Brettspielhersteller oder ein deutsches Spielestudio zugekauft haben. Mit einer Marktkapitalisierung jenseits von 7 Milliarden € ist Embracer derzeit viel wertvoller als Ubisoft, das ja immerhin Marken wie Assassin’s Creed, Far Cry, Rainbow Six, Watch Dogs und Anno beherbergt.

Man kann nur die Daumen drücken, dass das Embracer-Management hinsichtlich der immer komplexeren und verästelten Firmen- und Finanzstruktur den Überblick behält – und dass sich hier kein Klumpungsrisiko anstaut, das in einem Krisen-Szenario die halbe europäische Games-Industrie in den Abgrund reißt.

Während sich Embracer geografisch und inhaltlich immer breiter aufstellt, geht Square Enix all in: Das Unternehmen streift weite Teile der eigenen Identität und Historie ab, weil das PC- und Konsolengeschäft zuletzt zu geringe Margen erwirtschaftet hat. Stattdessen investiert Square Enix in den weiteren Ausbau von Online-Welten und Mobilegames – mit ungewissem Ausgang: Denn die von Matsuda skizzierten Irgendwas-mit-Blockchain-Geschäftsmodelle sind erst im Entstehen. Und Square Enix wäre nicht der erste Publisher, der sich hier die Finger verbrennt.

Möglicherweise ist die Buzzword-Folklore aber auch nur eine profane Nebelkerze – und die Abschichtung von Marken-Patina dient lediglich dazu, um die Braut hübsch(er) zu machen für einen der kolportierten Interessenten. Sowohl Microsoft als auch Sony Interactive werden seit Jahren Ambitionen im japanischen Publisher-Markt nachgesagt – und neben den Resident Evil-Machern von Capcom fällt bei Analysten eben regelmäßig ein Name: Square Enix.