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Wie kauft man ein Spiele-Unternehmen?

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Dr. Gesine von der Groeben und Dr. Andreas Lober sind Anwälte bei der Kanzlei Beiten Burkhardt in Frankfurt/Main (Foto: Beiten Burkhardt)
Dr. Gesine von der Groeben und Dr. Andreas Lober sind Anwälte bei der Kanzlei Beiten Burkhardt in Frankfurt/Main (Foto: Beiten Burkhardt)

Die Anwälte Gesine von der Groeben und Andreas Lober beraten bekannte Spielehersteller – und erklären in ihrem Gastbeitrag, wie der Kauf und Verkauf von Games-Unternehmen funktioniert.

Im Anschluss an diesen Artikel finden Sie ein ausführliches Glossar mit den wichtigsten Fachbegriffen.

Wenn wieder einmal ein deutsches Games-Unternehmen nach Schweden oder sonst wohin verkauft wird, gingen diesem Vorgang wahrscheinlich nächtelange Verhandlungen in chromblitzenden Büros voraus, die alle Klischees amerikanischer Anwaltsserien bedienen.

Die eigentlichen Vorbereitungen beginnen aber in aller Regel Wochen oder gar Monate, bevor die Öffentlichkeit über den Abschluss des „Deals“ informiert wird.

Manche Transaktionen – ein Sammelbegriff für Unternehmenskäufe, Beteiligungen, Finanzierungsrunden und Ähnliches – ergeben sich aus der persönlichen oder geschäftlichen Bekanntschaft der Akteure. Andere werden von M&A-Beratern eingefädelt – den „Heiratsvermittlern“ des Transaktionsmarktes („M&A“ bedeutet mergers and acquisitions).

Nach einer ersten Interessenbekundung des möglichen Käufers, die meist durch einen „Letter of Intent“ (also eine unverbindliche Absichtserklärung) oder ein ähnliches Dokument verschriftlicht wird, beginnt das Beschnuppern, „Due Diligence“ genannt. Dabei wird das so genannte „Target“ – also das zu verkaufende Unternehmen – vom Investor und seinen Beratern genauestens unter die Lupe genommen. Auch die Verkäufer und das Target selbst sollten sich ihrerseits den Investor ansehen, vor allem, wenn die Bezahlung (teilweise) in Geschäftsanteilen an dem Investor erfolgt oder die Verkäufer auf die eine oder andere Form am Erfolg beteiligt bleiben, beispielsweise durch einen Earn-out oder indem sie selbst noch weiterhin für das Unternehmen tätig bleiben.

Da bei der Due Diligence alle wichtigen bestehenden Verträge, die Finanzdaten des Unternehmens und in der Regel auch die IT analysiert werden, kann man schnell vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen. Da zahlt es sich aus, wenn die Berater nicht nur juristische Fachidioten sind, sondern sich auch in der Branche auskennen. Manche Vertragskonstruktionen mögen zwar rechtlich formal einwandfrei sein, widersprechen aber derart der Branchenübung, dass nur ein Narr nichts Böses dabei denkt.

Durch den Zukauf von HandyGames erhöht sich die Zahl der Angestellten in der deutschen Games-Branche, die bei schwedischen Mutterkonzernen unter Vertrag stehen (Stand: 10. Juli 2018)
Durch den Zukauf von HandyGames erhöht sich die Zahl der Angestellten in der deutschen Games-Branche, die bei schwedischen Mutterkonzernen unter Vertrag stehen (Stand: 10. Juli 2018)

Auch bei neuartigen Geschäftsmodellen sollte validiert werden, ob es sich um eine geniale Idee handelt oder eine Luftnummer oder ob ein Konflikt mit dem Gesetz vorprogrammiert ist – beispielsweise bei der „White Label“-Lösung für Glücksspiele, für die vielleicht eine Glücksspiellizenz aus Malta vorhanden ist, die aber die Glücksspiel-Aufsichtsbehörden in anderen Ländern nicht weiter beeindruckt. Oder beim Fußballspiel mit Originalvereinsnamen, wo man schon fast die Uhr danach stellen kann, wie lange es bis zur Abmahnung durch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) dauern wird. Bei prall gefüllten Kundendatenbanken mit Millionen von Spielern drängt sich nicht nur die Frage auf, ob diese in Übereinstimmung mit dem Datenschutzrecht verwendbar sind, sondern auch, ob es sich um aktive Spieler oder Karteileichen handelt, um Dubletten oder Unique User und so weiter.

Investoren, die zukaufen möchten, sehen sich in der Regel nach allen Seiten um. Genauso gibt es Targets, die nicht von vorneherein monogam auf einen Investor festgelegt sind, sondern sich im Rahmen der Due Diligence von mehreren beschnuppern lassen. In diesen Fällen hilft oft ein M&A-Berater bei der Vorauswahl. In der Regel verengt sich jedoch nach der Due Diligence der Kreis auf höchstens eine Handvoll Kandidaten, oft auf einen, mit dem dann exklusiv weiter verhandelt wird, wobei die Exklusivität nach einer gewissen Zeit enden sollte.

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stehen zu Beginn der eigentlichen Vertragsverhandlungsphase meist weitgehend, sind aber nicht in Stein gemeißelt. Die Erkenntnisse aus der Due Diligence („Findings“) werden gelegentlich nicht nur für die von der Verkäufern und manchmal auch vom Target selbst abzugebenden Garantien genutzt, sondern auch, um den Kaufpreis zu drücken.

Insbesondere sind die Vertragsverhandlungen aber eine juristische Angelegenheit, eine Mischung aus juristischem Fingerhakeln und Pokerspiel, denn nicht wenige Transaktionen stehen während der Vertragsverhandlungen tatsächlich oder vermeintlich auf der Kippe, wenn eine der Parteien bestimmte Vertragsklauseln zum „Dealbreaker“ erklärt. Dann gilt es, Nerven zu bewahren und Fingerspitzengefühl an den Tag zu legen, um weder den Deal scheitern zu lassen, noch wichtige Positionen grundlos zu räumen.

Häufig hilft es, sich in die Gegenseite zu versetzen, um einen Kompromiss zu finden – aber nicht immer: Oft stehen hinter vermeintlich juristischen Feinsinnigkeiten handfeste wirtschaftliche Interessen. Vielleicht denkt der Investor mit dem großzügigen Angebot bereits bei den Vertragsverhandlungen daran, wie er nach Signing des Kaufvertrages den Kaufpreis drücken kann. Oder das Target hat Leichen im Keller, die nicht gefunden werden sollen.

Generell gilt aber, dass die Punkte, die aus dem Hut gezogen werden, um ein entsprechendes Verhandlungsergebnis zu erreichen, für den erfahrenen Berater selten Neuheiten sind, sondern er kennt diese bereits aus vielen vorangegangenen Deals und weiß, wie er den vorgebrachten Argumenten zu begegnen hat.

Die zehn größten deutschen Games-Entwickler befinden sich inzwischen mehrheitlich im Eigentum ausländischer Investoren und Unternehmen (Stand: 3.12.2018)
Die zehn größten deutschen Games-Entwickler befinden sich inzwischen mehrheitlich im Eigentum ausländischer Investoren und Unternehmen (Stand: 3.12.2018)

Für die gesamten Vertragsverhandlungen gilt: Es haben sich zwar bestimmte Vertragsstandards herausgebildet und in bestimmten Branchen existieren auch bestimmte durchschnittliche „Multiples“ – also Faktoren, nach denen ein Kaufpreis branchengerecht berechnet werden kann. Aber Transaktionen entwickeln – viel stärker als andere Vertragsverhandlungen – eine psychologische Eigendynamik, die nicht vorherzusehen ist, mit der aber umgegangen werden muss. Manchmal stellen diese den Deal insgesamt infrage.

Beispiele aus dem realen Erfahrungsschatz der Autoren umfassen beispielsweise: Die Ehefrau des Gründers, die zwar nicht im Unternehmen tätig ist und keine Anteile hält, wegen des deutschen Familienrechts aber zwingend zustimmen muss und die Zustimmung auf der Zielgerade verweigern möchte – vielleicht, weil sie die nächtelange Abwesenheit des Gatten nicht nur mit Vertragsverhandlungen in Verbindung bringt.

Oder der Investor, der plötzlich gegen Mitternacht das schon begonnene Unterzeichnen der über Wochen vollständig ausverhandelten Verträge stoppt, weil das Headquarter die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit des gesamten Unternehmens doch nochmals zu hinterfragt.

Oder der im Alter fortgeschrittene Firmenpatriarch, der sein Unternehmen zwar nicht an seine eigenen Kinder übergeben möchte, sondern dieses an eine „Heuschrecke“ veräußern möchte – aber mit dem jugendlich-forschen Verhandlungspartner nicht auf einer Wellenlänge liegt (alle Beispiele wurden von den Verfassern dieses Beitrags doch noch zum guten Abschluss gebracht – sie entstammen nicht der Games-Branche.)

M&A-Glossar: Fachbegriffe zum Mitreden-Können

Asset Deal

Verkauf einzelner oder aller Vermögenswerte eines Unternehmens, nicht jedoch der Geschäftsanteile. Häufig bei Verkäufen von insolventen Unternehmen oder Teilen davon (zum Beispiel The Games Company an Kalypso, Radon Labs an Bigpoint, bitComposer an verschiedene Investoren).

Beteiligung

Verkauf eines Teils der Geschäftsanteile an ein anderes Unternehmen; der Rest bleibt bei den bisherigen Eigentümern(zum Beispiel Beteiligung von Tencent an Ubisoft oder Epic Games).

Bewertung

Wert, den das gesamte Target hätte, wenn 100% der Anteile verkauft würden. Wird teilweise aufwändig vor der Transaktion durch Unternehmenswertgutachten ermittelt, häufig aber auch durch eine Hochrechnung des tatsächlich zu zahlenden Preises.

Binding Offer

Angebotsschreiben des Investors, an das dieser sich zumindest moralisch gebunden fühlen sollte und das ihm auch bei den Vertragsverhandlungen immer vorgehalten wird, auch wenn es häufig im Rechtssinne nicht bindend ist (insbesondere bei GmbH-Anteilen, wo eine notarielle Beurkundung für eine rechtswirksame Verpflichtung notwendig wäre).

Closing

Zeitpunkt, zu dem der Vertrag über den Unternehmenskauf tatsächlich rechtswirksam wird und die Anteile an dem Unternehmen den Besitzer wechseln.

Disclosure

Offenlegung von Fakten im Rahmen der Due Diligence und der nachfolgenden Vertragsdokumentation durch das Target gegenüber dem Investor. Eine solche Offenlegung schließt aus, dass beispielsweise den Verkäufern vorgeworfen werden kann, wesentliche Risiken verschwiegen zu haben.

Due Diligence

Rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und ggf. technische Prüfung der wesentlichen Dokumente des Targets, die dem Investor und seinen Beratern in der Regel über einen elektronischen Datenraum zur Verfügung gestellt werden.

Earn-out

Variabler Teil des Kaufpreises, der von der künftigen Unternehmensentwicklung abhängt (beispielsweise Umsatzzahlen, Verkaufszahlen des gerade in der Entwicklung befindlichen Spiels).

Exit

Verkauf der Mehrheit des Targets in der Regel durch einen Finanzinvestor oder die Gründer.

Finanzinvestor

Investor, der hauptsächlich finanzielle Ziele verfolgt, oft aus einer anderen Branche stammt und sich in das Tagesgeschäft daher nicht einmischen will und sollte, jedenfalls so lange die Zahlen stimmen (Accel Partners bei Gameforge, seinerzeit auch TA Associates und Summit Partners bei Bigpoint). In der Regel sucht ein Finanzinvestor über Kurz oder Lang einen Exit.

Finanzierungsrunde

Das Target sammelt durch die Öffnung für Investoren Geldmittel ein, in der Regel für die Finanzierung der weiteren Expansion. Im Gegenzug erhalten die Investoren Anteile an dem Unternehmen sowie umfangreiche Mitbestimmungsrechte.

Fusion

Zusammenschluss zweier Unternehmen (beispielsweise Activision und Vivendi Games zu Activision Blizzard).

Garantien

Zusicherung der Verkäufer, bisherigen Gesellschafter und ggf. auch des bisherigen Managements, dass das Target in einem bestimmten Zustand ist, beispielsweise dass die vorgelegten Finanzkennzahlen stimmen und das Unternehmen alle Rechte an den vertriebenen Spielen hat. Stimmt eine solche Zusicherung nicht, besteht eine Schadensersatzpflicht.

ICO (Initial Coin Offering)

Die Übertragung eines Börsengangs in die Welt der Kryptowährungen. In Deutschland bisher nicht umfassend reguliert und nur schwierig rechtswirksam umzusetzen.

IPO (Initial Public Offering)

Börsengang

Investor

Unternehmen oder Privatperson, das sich am Target beteiligt, sei es mehrheitlich oder mit einer Minderheitsbeteiligung.

Letter of Intent

Absichtserklärung, beispielsweise gerichtet auf den Abschluss einer Transaktion, in der Regel in weiten Teilen nicht rechtlich bindend.

Management Buyout (MBO)

Transaktion, bei dem das bisherige Management die Mehrheit der Anteile übernimmt.

M&A-Berater

Unternehmen oder Privatperson mit der Aufgabe, im Auftrag des Targets Investoren zu finden oder im Auftrag eines Investors, geeignete Targets zu finden. Bezahlt manchmal als Erfolgsprämie, manchmal nach Arbeitstagen oder einer Kombination aus beidem.

Merger

siehe Fusion

Non-binding offer

Wie ein binding offer, aber ohne jede Rechtsverbindlichkeit.

NDA (Non Disclosure Agreement)

Geheimhaltungsvereinbarung. Spätestens vor Beginn der Due Diligence abzuschließen.

Share Deal

Verkauf von Geschäftsanteilen (beispielsweise Aktien oder GmbH-Anteilen), im Unterschied zum Asset Deal.

SHA (Shareholder Agreement)

Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern eines Unternehmens. Ein zentrales Dokument beim Unternehmenskauf, wenn es mehrere Gesellschafter gibt (mehr zukunftsgerichtet als das SPA, da es die zukünftige Zusammenarbeit regelt).

Signing

Bindendes Unterzeichnen der Vertragsdokumente, die damit ausverhandelt sind und an sich rechtswirksam werden, wobei große Teile in der Regel erst beim Closing nach dem Eintritt verschiedener aufschiebender Bedingungen tatsächlich in Kraft treten.

SPA (Share Purchase Agreement oder Sale and Purchase Agreement)

Der eigentliche Kaufvertrag und damit das Kernstück des Unternehmenskaufs.

Strategischer Investor

Unternehmen oder Privatperson. Verfolgt – anders als der Finanzinvestor – auch strategische Ziele verfolgt, beispielsweise weil er aus derselben oder einer benachbarten Branche ist und Marktanteile vergrößern oder das Portfolio abrunden möchte. Kann Know-How und auch IP einbringen, mischt sich häufig auch mehr ins Tagesgeschäft ein (Beispiele: früher Vivendi, aktuell Tencent bei Ubisoft; Microsoft und Mojang; früher NBC bei Bigpoint; THQ Nordic und Koch Media; mit Abstrichen auch Stillfront und GoodGame Studios)

Target

Zielunternehmen, das ein Investor übernehmen oder an dem er sich beteiligten möchte.

Term Sheet

Ähnlich Letter of Intent

Valuation

Siehe Bewertung


Über die Autoren:

Dr. Gesine von der Groeben ist Partnerin bei der Kanzlei Beiten Burkhardt in Frankfurt am Main. Zu ihren Mandanten gehören nationale und internationale Unternehmen – unter anderem berät von der Groeben namhafte Gründer, Investoren und Venture-Capital-Unternehmen.

Dr. Andreas Lober ist Partner bei der Kanzlei Beiten Burkhardt in Frankfurt am Main. Lober berät nationale und internationale Medien-, Games- und Technologie-Unternehmen in Fragen des Wettbewerbs- und Markenrechts und mit Blick auf den Jugend- und Datenschutz. Er gehört auch zu den Initiatoren der Fachkonferenz „More than just a Games 2018“, die in diesem Jahr erstmals in Frankfurt stattfand.