Zweieinhalb Monate nach dem Tod von Kalypso Media-Gründer Simon Hellwig erklärt Anika Thun, wie es beim Publisher weiter geht.
Mit nur 46 Jahren ist Kalypso Media-Chef Simon Hellwig am 9. Oktober 2022 verstorben. Knapp eine Woche später hat das Unternehmen die Nachricht öffentlich gemacht – und damit eine Welle der Anteilnahme ausgelöst.
Hellwig zählte zu den rührigsten Unternehmern der Branche: In 16 Jahren hat er „die Kalypso“ zu einem der größten deutschen, inhabergeführten Games-Hersteller aufgebaut – zunächst gemeinsam mit Co-Gründer Stefan Marcinek, seit 2016 in alleiniger Verantwortung.
Heute betreibt der Publisher vier eigene Studios und beschäftigt alleine in Deutschland mehr als 160 Angestellte an den Standorten Darmstadt, Gütersloh, München und in der Zentrale in Worms. Spezialität des Hauses: Strategie- und Aufbau-Spiele wie Tropico, Port Royale, Railway Empire oder Dungeons.
Bereits im Herbst 2021 hat Hellwig die Weichen für die künftige Entwicklung gestellt – indem er die Geschäftsführung um Ehefrau Anika Thun erweiterte, die zuvor das internationale Marketing des Publishers verantwortete. Kalypso Media bleibt somit auch künftig in Händen der Familie.
Thun ist promovierte Medienwissenschaftlerin und gehörte einst zu den ersten Kalypso-Angestellten. Im GamesWirtschaft-Interview erklärt die Unternehmerin, wie sie die vergangenen Wochen er- und durchlebt hat und wie sich Kalypso Media für das kommende Jahr vorbereitet.
Anika Thun: „Ich blicke zuversichtlich nach vorne.“
GamesWirtschaft: Vorneweg: Wie geht es dir?
Anika Thun: Es ist zwar eine Plattitüde, aber es trifft zu: Den Umständen entsprechend. Natürlich trauere ich um Simon, und natürlich ist meine Situation hart, aber ich erfahre so viel Unterstützung – egal ob durch Freunde, Familie oder aber das großartige Kalypso-Team.
Ich schätze mich glücklich, dass wir alle an einem Strang ziehen und das, zusammen mit der riesigen Aufgabe, die die Führung eines Unternehmens wie Kalypso bedeutet, gibt mir Kraft und lässt mich positiv nach vorne schauen.
Vor knapp zwei Monaten – am 18. Oktober – habt ihr öffentlich gemacht, dass Simon verstorben ist. Welche Reaktionen hast du aus der Belegschaft und aus der Branche erfahren?
Zuallererst haben wir natürlich das Team informiert und all jene, die täglich mit Simon zusammenarbeiteten – das war ein schrecklicher Moment, aber auch daraus konnte ich Kraft schöpfen: Wir als Team in Worms haben uns dann im Konferenzraum getroffen und einfach zusammengesessen. Zuerst sprachlos und mit vielen Tränen, aber dann auch erinnernd.
Wir haben über viele kleine Details und typische Simon-Momente gesprochen und zusammen einen Mr. Brown getrunken – ein polarisierendes kaltes Kaffee-Getränk, von dem Simon sich quasi im Büro ernährt hat.
Ähnlich war es auch mit den Reaktionen aus der Branche – es gehört sicher zu den schwersten Dingen, die ich privat und geschäftlich jemals tun musste. Und auch hier wurde mehr als eine Träne vergossen – und genau das, die Anteilnahme und Wertschätzung, die ich hier und auch über die zahlreichen Nachrichten von Weggefährten und Freunden aus der Branche erfahren durfte, haben mir sehr geholfen.
Insgesamt habe ich von allen Seiten sehr viel Rücksicht und große Anteilnahme erfahren, und ich möchte behaupten, dass die Kalypso-Crew dadurch noch ein bisschen stärker zusammengewachsen ist.
Laut Ankündigung war es Simons Wunsch, dass du die Geschäfte weiterführst – zumal du ja schon zuvor als Co-Geschäftsführerin das Unternehmen geleitet hast. Welche Weichenstellungen wirst du mit Blick auf die Management-Ebene und Unternehmens-Struktur vornehmen?
Ich bin seit der Geburtsstunde von Kalypso in das Unternehmen involviert und habe auch bereits vor der Übernahme der Co-Geschäftsführung 2021 sehr eng mit Simon am Erfolg des Unternehmens gearbeitet, so dass jetzt alles relativ reibungslos weiterlaufen kann, da ich in viele Prozesse, Entscheidungen und auch Visionen bereits involviert war.
Die allermeisten Entscheidungen sind ja eben Prozesse und keine Hauruckaktionen, daher wird sich in dieser Hinsicht zunächst einmal nichts Gravierendes ändern. Unsere organisch gewachsene Struktur verfügt über ein sehr gutes Management in den einzelnen Geschäftseinheiten und aktuell gibt es hier keinen Änderungsbedarf.
Laut Pressemitteilung soll Simons Lebenswerk „zu seinen Ehren und in seinem Sinne“ fortgeführt werden. Kannst du beschreiben, wie ihr diese Aufgabe annehmt und wie ihr diese Philosophie mit Leben füllen werdet?
Simons Vision für das Unternehmen – kontinuierliches Wachstum, die diverse Ausrichtung in Bezug auf unsere Games, jedoch mit einem klaren Fokus auf Strategie und Simulation, sowie das Ziel, diese Spiele mit hohem Qualitätsanspruch auf die Konsolen zu bringen – ist auch meine Vision und wird so weitergelebt werden.
Das gilt natürlich auch für Simons Philosophie als Publisher mit eigenen Studios, die Spiele zu entwickeln, die er selbst gerne spielen würde. Wir haben das schon lange zu einem Teil der Team-Philosophie gemacht, und setzen das auch in die Praxis um.
Je nach Titel werden so zum Beispiel Pitches auch mit dem erweiterten Team geteilt und Meinungen dazu eingeholt. Außerdem kann jedes Kalypso-Team-Mitglied unsere Spiele auch vor der Veröffentlichung schon spielen und so Feedback einbringen, wenn er oder sie das möchte.
Was konkret die Zukunft angeht, kann ich hier natürlich nicht komplett aus dem Nähkästchen plaudern, aber Kalypso wird Kalypso und sich selbst treu bleiben.
Wie blickst du auf das Jahr 2023? In welchen Bereichen wirst du Schwerpunkte setzen, wo erwartest du Herausforderungen, was stimmt dich optimistisch?
Ich blicke zuversichtlich nach vorne – und gehe meine Aufgaben mit dem Wissen an, ein tolles Team hinter mir zu haben, mit dem ich gemeinsam Kalypsos Zukunft gestalte.
Wir haben eine großartige Perspektive auf das neue Jahr – mit der Weiterentwicklung von IXION, das zum Ende dieses Jahres phänomenal gestartet ist, und den kommenden Titeln Tortuga: A Pirate’s Tale, Railway Empire 2, Dungeons 4 und The Inquisitor sind wir bestens aufgestellt.
Mein Plan für 2023 sieht vor, vor allem unsere hauseigenen IPs weiter zu stärken und das Konzept der Games-as-a-Service weiter zu verfolgen und auszubauen, wie auch unser jüngst veröffentlichter, sechster Tropico 6-DLC namens New Frontiers und das parallel veröffentlichte Update 19 mit neuen Inhalten zeigt.
Eine der größten Herausforderungen wird dabei sicher das Finden neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein – den allseits besprochenen Fachkräftemangel spüren auch wir in fast allen Unternehmensbereichen, aber vor allem in unseren Entwicklerstudios.