Ein Gericht in Kärnten gibt den Klägern Recht: Sony verstößt durch Lootboxen im Fußballspiel FIFA gegen das österreichische Glücksspielmonopol.
Update vom 4. April 2023: Nach GamesWirtschaft-Informationen hat der beklagte PlayStation-Store-Betreiber Sony Interactive die Fristen verstreichen lassen und keine Berufung eingelegt – das Urteil eines Kärtner Gerichts vom 26. Februar ist damit rechtskräftig.
Es handelt sich um die erste richterliche Feststellung im deutschsprachigen Raum, dass Lootboxen – in diesem Fall FIFA-Packs – als Glücksspiel einzustufen sind.
Der Kläger erhält seinen Einsatz von 338,26 € zurück. Gleichwohl sind in Österreich weitere Klagen gegen Sony anhängig, bei denen es noch um ungleich höhere Summen geht: In Wien wird etwa ein ähnlich gelagerter Fall verhandelt, bei dem ein 26jähriger mehr als 11.000 € durch FIFA-Lootboxen verloren hat. Mit einem Urteil ist in den kommenden Monaten zu rechnen – Ausgang: offen.
Die beauftragte Kanzlei hatte im Dezember angekündigt, die Prozesse nötigenfalls bis in die höchste Instanz – in diesem Fall: bis zum Obersten Gerichtshof (OGH) – durchzufechten.
Update vom 6. März 2023: Via Mail und Social Media haben uns viele Nachfragen erreicht, warum sich die Klage ausgerechnet gegen Sony Interactive und nicht gegen FIFA-Hersteller Electronic Arts richtet. Wie im Update vom 18. Oktober ausgeführt liegt dies daran, dass die Kaufverträge mit Sony Interactive – sprich: im PlayStation Store – zustande gekommen sind.
Update vom 3. März 2023: Von einem richtungsweisenden „Sensations-Urteil“ spricht der beteiligte Prozessfinanzierer: Das Bezirksgericht Hermagor hat am 26. Februar die umstrittenen Lootboxen als „illegales Glücksspiel“ eingestuft und die Sony Interactive Entertainment Network Europe Limited zur Rückerstattung von Zahlungen in Höhe von 338,26 € verurteilt. Die FIFA Ultimate Team-Packs seien als „konzessionspflichtige Ausspielung von Glücksspiel“ einzustufen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig – der PlayStation-Hersteller kann also Berufung einlegen.
Laut Gericht sei das inhaltliche Ergebnis der erworbenen FIFA-Packs vom Zufall abhängig und stelle daher eine „vermögenswerte Leistung im Sinne des österreichischen Glücksspielgesetzes“ dar – und zwar deshalb, weil die digitalen Fußballstars auf einem Zweitmarkt gehandelt würden und dadurch eine Gewinnerzielung möglich sei. Da Sony Interactive keine Glücksspiel-Konzession besäße, seien die zwischen dem Unternehmen und dem Kläger geschlossenen Verträge nichtig.
Richard Eibl, Geschäftsführer des Prozessfinanzierers Padronus: „Das Urteil ist ein Paukenschlag für die gesamte Videospiel-Branche. Weder in Österreich noch in Deutschland existierte bisher eine Rechtsprechung zur Frage der Legalität von Lootboxen und zur Rückforderbarkeit geleisteter Zahlungen. Das finale Ergebnis bleibt natürlich abzuwarten, da das Verfahren wohl die Instanzen hochgehen wird, doch sollten sich Sony und etliche andere Gaming-Konzerne ab sofort warm anziehen.“
Für die Subsumtion unter Glücksspiel reiche es nach dem Gesetz aus, wenn ein Kauf für etwas getätigt wird, dessen Ergebnis erstens vorwiegend vom Zufall abhängt und zweitens einen wirtschaftlichen Gegenwert hat, so Eibl: „Das Gericht hat uns Recht gegeben und plausibel dargelegt, warum dies bei FIFA-Packs der Fall ist. Auch von der Inszenierung her orientiert sich Sony beim Kaufprozess der Lootboxen stark an herkömmlichen Glücksspielen. Es wird mit der Untermalung von audiovisuellen Lock-Elementen wie beispielsweise Feuerwerkeffekten gearbeitet, um den Dopamin-Ausstoß bei vorwiegend männlichen Jugendlichen zu triggern. Durch die Gespräche mit unseren Kunden haben wir erst realisiert, wie enorm der Suchtfaktor der FIFA-Packs und wie krankhaft das Kaufverhalten der Spieler teilweise ist.“
Michael Linhard von der Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien: „Das Urteil ist richtungsweisend für den Umgang mit Looxboxen und zeigt, dass Videospiele kein rechtsfreier Raum sind.“
Eine vierstellige Zahl an FIFA-Nutzern hat sich nach Unternehmensangaben bislang an Padronus gewandt: Im Schnitt lägen die Ansprüche bei rund 800 € – in einem besonders extremen Fall gehe es sogar um 85.000 €.
Update vom 15. Dezember 2022: Der Fall eines 17jährigen Kärtners (siehe unten) ist nur eine von insgesamt fünf Klagen, die die Wiener Kanzlei Salburg gegen Sony Interactive und FIFA-Hersteller Electronic Arts eingereicht hat. Das berichtet das Portal heute.at.
Der Vorwurf in allen Fällen: Verstoß gegen das Glücksspiel-Monopol in Österreich – der Mechanismus erinnere an Spielautomaten, so Anwalt Sebastian Furtmüller. Sein 26jähriger Mandant habe demnach mit mehreren FIFA-Titeln rund 11.000 € durch den Einsatz sogenannter Lootboxen verspielt.
Die Verhandlung sei bereits abgeschlossen – jetzt warten die Prozessbeteiligten auf das schriftliche Urteil. Furtmüller sei „vorsichtig optimistisch“, da es sich um juristisches Neuland handele. Sollte das Gericht zugunsten von Sony und EA entscheiden, will die Kanzlei Berufung einlegen und nötigenfalls bis vor den Obersten Gerichtshof ziehen.
Gegenüber GamesWirtschaft hatten die Salburg-Anwälte die Erwartung geäußert, dass im Erfolgsfall mit einer regelrechten „Klagelawine gegen alle möglichen Anbieter von Lootboxen“ zu rechnen sei.
Lootboxen in FIFA: Österreicher klagt gegen Sony
Update vom 18. Oktober 2022: Noch in diesem Jahr erwartet die Wiener Anwaltskanzlei Salburg ein Urteil im Verfahren gegen Sony Interactive. Das geht aus der Antwort auf eine GamesWirtschaft-Anfrage hervor.
Zur oft diskutierten Frage, warum die Klage gegen den Konsolenhersteller und nicht – wie man vermuten sollte – gegen den FIFA-Hersteller Electronic Arts läuft, gibt es eine einfache Erklärung: Weil die Kaufverträge im PlayStation Store mit Sony zustande gekommen sind.
Vorrangiges Ziel der Klage ist nach Auskunft der Kanzlei, dass der Mandant sein eingesetztes Geld zurück bekommt. Im Erfolgsfall sei allerdings nicht ausgeschlossen, dass eine – so wörtlich – „Klagelawine gegen alle möglichen Anbieter von Lootboxen“ in Gang kommt, zumindest in Österreich.
FIFA-Hersteller Electronic Arts wehrt sich seinerseits seit Jahren gegen die Kritik, es handele sich bei Lootboxen um Pay2Win- oder Glücksspiel-Mechaniken: Vielmehr gehe es um „Geschicklichkeit, Können und Erfahrung“.
Meldung vom 17. Oktober 2022: Schon im August 2020 berichtete der öffentliche-rechtliche ORF über einen damals 17jährigen Azubi aus dem Kärntner Dorf Weißbriach, der es mit dem japanischen PlayStation-Konzern Sony aufnimmt. Laut einem ORF-Bericht hat am heutigen Montag der Zivilrechts-Prozess am Bezirksgericht Hermagor begonnen.
400 € soll der Mandant von Rechtsanwalt Ulrich Salburg an der Konsole ‚verspielt‘ haben – und zwar durch den Kauf von FIFA-Points im Fußballspiel FIFA aus dem Hause Electronic Arts. Damit lassen sich zufallsgenerierte Fußballstars freischalten – wer Benzema ins Mittelfeld oder Neuer ins Tor stellen kann, hat in Online-Partien zwangsläufig spielentscheidende Vorteile.
Jugend- und Verbraucherschützer sehen in solchen Lootboxen glücksspiel-ähnliche Mechaniken mit Suchtpotenzial, was bereits zu Regulierung bis hin zu Verboten in einigen EU-Ländern geführt hat.
Genau hier setzt die Klage an: Denn der Wiener Anwalt Ulrich Salburg klagt wegen des Verstoßes gegen das staatliche Glücksspielmonopol in Österreich. Außerdem handele es sich um Wucher, weil die eingeschränkte Entscheidungsfreiheit der Kunden ausgenutzt wird.
Offen bleibt in diesem Zusammenhang, warum ausgerechnet der Konsolenhersteller Sony verklagt wird, der ja ’nur‘ die Plattform stellt – und nicht der FIFA-Hersteller Electronic Arts. Sony soll laut ORF bereits im August 2020 darauf bestanden haben, den Fall in der Hauptstadt Wien oder am Sitz der Europa-Zentrale in London zu verhandeln – dem Antrag wurde allerdings nicht stattgegeben. Für den Vertrieb der PlayStation-Konsolen im deutschsprachigen Raum ist die Sony Interactive Entertainment GmbH mit Sitz in Neu-Isenburg bei Frankfurt zuständig.
Der Prozess findet nun zwar in der kleinen 7.000-Seelen-Gemeinde in Kärnten statt, könnte aber weitreichende Folgen für den Vertrieb von Computerspielen in Österreich und darüber hinaus haben. Denn abseits von Electronic Arts setzen noch weitere Spielehersteller auf Lootboxen und vergleichbare Geschäftsmodelle.
Das am 30. September erschiene FIFA 23 ist ebenso wie die Vorgänger in Deutschland ohne Altersbeschränkungen freigegeben.
GamesWirtschaft hat die beauftragte Kanzlei um eine Stellungnahme gebeten – Update folgt.
Lootboxen braucht keiner. Was aber interessant an der Sache ist, betrifft die Tatsache, dass Sony selber keine Lootboxen anbietet, sondern EA Games…
Was für ein überflüssiger Rechtsfall. Man sollte sich schon im Vorfeld entscheiden, wofür man etwas zahlt, aber erst zahlen und dann klagen ist schon dreist…
Kommentarfunktion ist geschlossen.