Start Wirtschaft Debatte: Was spricht eigentlich noch für Games auf Disc?

Debatte: Was spricht eigentlich noch für Games auf Disc?

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PC-Spiele werden fast nur noch per Download-Kauf erworben - bei Konsolen-Titeln entscheiden sich 63 % der Deutschen für Disc und Modul.
PC-Spiele werden fast nur noch per Download-Kauf erworben - bei Konsolen-Titeln entscheiden sich 63 % der Deutschen für Disc und Modul.

Lieber die Disc in der Hand als den Download-Balken auf dem Schirm: Deutschlands Gamer greifen überproportional oft zum Datenträger – warum eigentlich?

Wer wissen will, wie es um den Datenträger bestellt ist, muss nur einen Blick in die traurig bestückten Regale des nächstgelegenen Elektronikmarkts werfen – oder in die Geschäftsberichte von Niederlassungen großer Publisher in Deutschland:

  • Die Electronic Arts GmbH in Köln konstatiert zum Beispiel: „Die anhaltende Verlagerung von physischen Gütern hin zum digitalen Download wirkt sich weiterhin negativ auf die Umsatzentwicklung aus.“
  • Bei Ubisoft in Düsseldorf ist die Rede von einem „anhaltend starken Verdrängungswettbewerb in einem Markt der physischen Einzelverkäufe, mit seiner langfristigen Minus-Tendenz.“
  • Die Umsätze von Take Two Interactive in München sind „aufgrund der deutlichen Verschiebung von physischen Spielekäufen hin zu digitalen Käufen“ in der Corona-Saison 2020/21 um 10 Millionen € gesunken.

Dass eifrig Spielwährung und In-Game-Inhalte für GTA Online, Assassin’s Creed Valhalla oder FIFA 23 gekauft werden, freut die Konzernzentralen in New York, Kalifornien oder Paris, hilft den deutschen Büros aber nicht, deren Vertriebs-Teams einen zunehmend schrumpfenden Markt bedienen.

Trotzdem ist der deutsche Markt immer noch riesig: Der Umsatz mit Vollpreis-Spielen lag im Jahr 2022 bei knapp einer Milliarde Euro – inklusive Disc und Download.

In der vergangenen Woche hat der Branchenverband Game nun eine Statistik des Marktforschers GfK nachgereicht, wonach PC-Spiele fast nur noch digital gekauft werden: Der Marktanteil von Steam, Epic Game Store, Microsoft Store & Co. liegt bei 97 Prozent.

Anders im Konsolen-Segment: Dort wächst der Download-Anteil vorgeblich nur ganz piano, nämlich um 1 Prozent pro Jahr auf zuletzt 37 Prozent. Sprich: 63 von 100 Games für PlayStation, Xbox und Switch werden in physischer Form auf Datenträger erworben.

Der deutsche Markt bildet im internationalen Vergleich eine Ausnahme. Denn auf den Weltmärkten ist das Verhältnis genau umgekehrt: Sony Interactive weist für Eigenproduktionen einen Digital-Anteil von 70 bis 80 Prozent aus. Nur bei Nintendo ist das Verhältnis von Switch-Downloads zu Switch-Modulen nahezu ausgeglichen – allerdings wächst auch dort das Digitalgeschäft zulasten physischer Versionen.

Games-Umsatz 2022 in Deutschland im Vergleich zu Kino, Video-Streaming, Musik, Buch, Spielwagen und Bundesliga (Stand: 31. Mai 2023)
Games-Umsatz 2022 in Deutschland im Vergleich zu Kino, Video-Streaming, Musik, Buch, Spielwagen und Bundesliga (Stand: 31. Mai 2023)

Debatte: Was spricht eigentlich noch für Games auf Disc?

Dass es die Deutschen mit dem Umstieg auf Games-Downloads nicht eilig haben, verwundert. Schließlich verläuft die Entwicklung in anderen Entertainment-Bereichen viel schneller: Film-Blu-Rays, Serien-DVDs und Musik-CDs werden mit Karacho von Netflix, Disney+, Spotify, Amazon Music & Co. verdrängt und mutieren immer mehr zur Liebhaber-Nische.

Was also lässt die Videospiele-Kundschaft weiterhin zu Disc und Modul greifen, wenn doch Free2Play-Games, Streaming-Dienste und Flatrates wie der Xbox Game Pass immer relevanter werden? Nostalgie ist ein Faktor – aber eben nur einer. Die fünf wichtigsten Gründe:

1. Der Preis-Faktor

79,99 € kostet die PS5-Version von God of War Ragnarök im offiziellen Sony-Online-Shop, also bei PlayStation Direct – Amazon* verlangt 49 €. Ähnlich ist die Lage bei den Spielen von Nintendo, Ubisoft, Microsoft und ungefähr allen anderen Publishern.

Außerhalb von Rabattaktionen wie Days of Play verlangen die Hersteller üblicherweise die Unverbindliche Preisempfehlung (UVP) – auch aus Rücksicht auf den weiterhin wichtigen Einzelhandel. Wer sich für Disc-Versionen entscheidet, spart also häufig bares Geld gegenüber der Digital-Ausgabe.

45 von 100 € Games-Umsatz in Deutschland entfielen 2022 auf In-App- und Ingame-Käufe (Stand: 12. April 2023)
45 von 100 € Games-Umsatz in Deutschland entfielen 2022 auf In-App- und Ingame-Käufe (Stand: 12. April 2023)

2. Der Sammel-Faktor

Viele Spiele-Fans haben sich im Lauf der Jahre eine stattliche Sammlung aufgebaut – und die Lieblingsspiele will man nicht nur bewundern, sondern auch ‚anfassen können‘.

Doch immer öfter liegt statt eines Datenträgers nur ein schlichter Zettel mit Download-Code in der Packung: Das führt zur absurden Situation, dass in Sammler-Editionen formschöne Steelbooks mitgeliefert werden, ohne dass es dafür die passende DVD gäbe.


3. Weitergabe und Wiederverkauf

Dass der Gebrauchtspiele-Markt rückläufig ist, lässt sich an der drastisch gesunkenen Zahl an GameStop-Filialen ablesen. Aber wer The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom durchgespielt oder die Lust an Hogwarts Legacy verloren hat, kann die Spiele an Geschwister ‚weitervererben‘ oder an den Kumpel verleihen oder verschenken oder auf Online-Plattformen verkaufen. Der Datenträger fungiert in diesen Fällen als Kopierschutz und Kaufnachweis.

Das klappt natürlich nur, solange eine Seriennummer nicht ‚verbraucht‘ ist: Wer sich zum Beispiel in dieser Woche das Final Fantasy 16-PlayStation 5-Bundle gönnt, erhält nicht etwa das Rollenspiel auf Disc, sondern einen zwölfstelligen Code für den PlayStation Store. Einmal eingelöst, ist das Square-Enix-Spiel an das PSN-Konto gebunden – für immer.

Der GameStop-Store im fränkischen Fürth gehört zu den knapp 70 verbliebenen Filialen (Foto: GamesWirtschaft)
Der GameStop-Store im fränkischen Fürth gehört zu den knapp 70 verbliebenen Filialen (Foto: GamesWirtschaft)

4. Der Gigabit-Faktor

Gerade Spielefans außerhalb der Großstädte sind weder willens noch in der Lage, über Stunden hinweg gigabyteweise Spieldaten aus dem Netz zu laden – denn genau das ist beim Digital-Kauf die Regel. Doch auch bei Blu-Rays und Modulen erfolgt nach dem Einlegen des Datenträgers oft zunächst ein üppiges Update, das Fehler ausbügelt und Inhalte hinzufügt.

Dass vorhandene PlayStation 4- und Xbox-One-Games noch auf neueren Konsolen funktionieren, ist ein Grund, dass Konsolen mit Laufwerk (also PlayStation 5 und Xbox Series X) um ein Vielfaches häufiger verkauft werden als die laufwerk-losen Varianten.


5. Der Besitz-Faktor

Das Misstrauen ist groß: Was passiert, wenn mir der Spielehersteller den Zugang zu meinem Spiel abklemmt? Oder wenn ein Spiel aus dem Game Pass fliegt? Dann doch lieber die Disc in der Hand als den Download übers WLAN. Vielen Kunden ist es weiterhin wichtig, dass sie die Games tatsächlich besitzen – unabhängig von Download-Plattformen, Accounts, Internetzugang und Publisher-Launen.

Wahr ist aber auch: Bei PC-Spielen ist das wegen der Dominanz von Steam & Co. mittlerweile faktisch unmöglich. Auch immer mehr Konsolen-Spiele setzen eine Anbindung an die Systeme des jeweiligen Herstellers voraus, um überhaupt zu funktionieren – das gilt natürlich erst recht für Online- und Multiplayer-Games. Sollte Blizzard Entertainment eines fernen Tages auf die Idee kommen, die Diablo 4-Server vom Netz zu nehmen, ist auch ein Diablo 4 auf Disc ‚wertlos‘.


Wie könnte nun ein möglicher Kompromiss aus digitaler und physischer Welt aussehen?

Ein Beispiel, das Schule machen könnte, ist Starfield: Das Weltraum-Rollenspiel erscheint am 6. September – wer den Xbox Game Pass oder PC Game Pass abonniert hat, kann ab Tag 1 auf die Standard-Edition zugreifen. Zusätzlich bieten Microsoft und Bethesda ein „Premium-Edition Upgrade“* an: Für 34,99 € gibt es Vorabzugang ab dem 1. September, digitale Extras, einen Aufnäher und ein Steelbook fürs Regal – fehlt nur noch die Disc.

4 Kommentare

  1. Sind die Gamer heutzutage einfach nicht mehr pfiffig ? Oder spielt Geld keine Rolle mehr ?
    Ich spiele seit Jahren nur noch auf der Konsole (PS5) daher kenne ich die Situation bei PC Spielen nicht. Aber wenn ich ein Spiel neu für 80,- Euro kaufe und es in aller Ruhe durch spiele (Durchschnitt 3 Wochen), kann ich es danach in der Regel gebraucht weiter verkaufen (Kleinanzeigen, eBay). Abhängig davon, wie lange ich zum durchspielen gebraucht habe und wie stark das Spiel als Neuware bis dahin reduziert wurde, für 40-50 Euro. Nach max 3 Spielen hat sich die Disk Version der Konsole schon rentiert, danach macht man nur noch „Gewinn“. Ich nutze das Geld um das nächste Game dann quasi „reduziert“ für 40 Euro zu kaufen und so geht es immer weiter.
    Wenn man Geduld hat und gebraucht kauft, ist der Schnitt noch viel besser: 45 Kaufen, 35 Verkaufen z.B.
    Ich verstehe einfach nicht warum das scheinbar so viele Gamer ignorieren und all-in Digital gehen.
    Ist das eine teure Mischung aus Gleichmut und Faulheit ?
    Zumal man als Privater bei eBay keine Verkaufsprovision mehr zahlt und dort in der Regel noch nicht einmal mit dem Käufer kommunizieren muss.
    Klar macht das Ganze natürlich ein bissel Arbeit: Foto machen, kuvertieren, zum Paketshop bringen. 45 Euro netto sind aber kein schlechter Stundenlohn.

    Darf natürlich jeder nach seiner Fasson glücklich sein, aber nachvollziehen kann ich es nicht.

    PS: Das Gamestop kaputt geht, hat nichts mit der Privatverkauf-Situation zu tun, finde ich. Bei den Ripoff Ankaufspreisen von denen müsste man 5 Spiele mitbringen um ein Neues halbwegs vernünftig „bei“- zu finanzieren. Das war schon immer nur für Ahnungslose.

    • Problem ist einfach die Ungeduld der Leute. habe ich leider oft genug erlebt, dass man keine 2 Tage warten kann bis das Spiel vom versandhändler des Vertrauens dann endlich da ist. In den Playstation- oder Nintendo Switch Store gehen und da das Spiel kaufen + herunterladen dauert da oft nur wenige Minuten.

      Bei den PC-Spielern ist das Problem leider oft, dass neuere und oftmals auch hochwertigere Gehäuse gar keinen Platz mehr bieten um ein DVD- oder BlueRay-Laufwerk einzubauen. Auch wenn ich noch eines hier liegen habe, konnte ich es bei meinem aktuellen rechner leider nicht verbauen, auch wenn ich viele Spiele noch auf CD/DVD habe. Deswegen musste ich die leider alle digitalisieren

      • Wobei man „Garantierte Lieferung am Erscheinungstag“ hat, wenn man sich einen der entsprechenden Versandhändler aussucht.
        Ich habe zwar auch schnellen DL, ein 100GB Spiel lade ich in ~15 Minuten aus dem PS-Store, aber das Weiterverkaufspotenzial ist mir wichtiger. Die hohe Bandbreite verpflichtet ja nicht 🙂

        Mein neuer Office PC hat ebenfalls gar keinen Frontkäfig mehr. Da hast Du recht, das hatte ich gar nicht bedacht, weil ich am PC nicht mehr zocke.
        Aber wie so oft: Wo ein Wille da ein Weg, ein externes USB-BR Laufwerk bekommt man für < 100eu, das ist dann auch schnell wieder "reingespart".

  2. Bei Steam, Epic und co mache ich mir da weniger Sorgen. Dafür gibt es einfach viel zu viele Seiten und Reddit-Communities wo man entsprechende „Privatkopien“ aller erdenklichen Spiele herunterladen kann und mittlerweile einige etablierte Gruppierungen, die solche „Privatkopien“ zur Verfügung stellen, ohne dass man gleich Tür und Tor für Schadware aller Art öffnet.

    Finde ich persönlich aber auch vollkommen in Ordnung. Alleine schon aus dem grund weil die Qualität der Spiele so drastisch abgenomen und gleichzeitig der Preis in die Höhe geschossen ist und weil man immerhin viel Geld dafür bezahlt diese Software nutzen zu können. Wenn ein Storebetreiber dann mein geld nimmt aber kurz danach das Produkt für mich nicht mehr zur Verfügung steht, dann grenzt das schon an Betrug und ich finde es ehrlicherweise auch bedenklich, dass man den Anbietern dann nicht mal habhaft werden kann. Zumindest ist es nach aktueller Rechtslage schwíerig.

    Das macht GOG und auch Blizzard durchaus besser. Habe mir dort vor kurzem den alten Installer von Warcraft III herunterladen können weil ich zwar noch die CDs aber kein Laufwerk mehr besitze. Andere durchaus unterschätzte Retroperlen bekommt man ja teilweise nur noch auf CD.

    Das haben die Konsolenhersteller nicht. Das geschlossene System macht es schweirig sich Privatkopien der heruntergaldenen Spiele zu erstellen und erst recht diese dann wieder aus dem Backup auf die Konsole zu bekommen. Daher bin auch ich ein Freund von Games auf CD/DVD/Cardridge. Was man hat, dass hat man!

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