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Wolfenstein 2: Bethesda prüft Veröffentlichung im Original

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Szene aus der bislang in Deutschland vertriebenen Version von
Szene aus der bislang in Deutschland vertriebenen Version von "Wolfenstein 2: The New Colossus" (Abbildung: Bethesda)

Nach der Nicht-Indizierung der US-Version von „Wolfenstein 2: The New Colossus“ denkt Hersteller Bethesda über eine nachträgliche Veröffentlichung des Original-Spiels nach.

Bis 8. August 2018 war ausgeschlossen, dass Computerspiele eine USK-Altersfreigabe bekommen, sofern sie Hakenkreuze, Hitler-Abbildungen und andere verfassungsfeindliche Symbole enthalten. Spielehersteller wie Activision Blizzard, Bethesda, Electronic Arts, Ubisoft und viele andere haben ihre Action-, Rollen- und Strategiespiele zwangsläufig mit großem Aufwand eigens für den deutschen Markt angepasst. Seit Anfang August nimmt die USK nun entsprechende Spiele zur Prüfung an – und hat auch schon Prüfsiegel erteilt.

Seit wenigen Tagen – genauer: seit dem 7. Dezember – liegt nun auch ein Urteil der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) vor. Die Bonner Behörde hat entschieden, die US-Version des im Oktober 2017 erschienenen Ego-Shooters „Wolfenstein 2: The New Colossus“ nicht auf den Index zu setzen. Ausschlaggebend war unter anderem der Umstand, dass die vom Spieler kontrollierte Hauptfigur keinen Zweifel an ihrer Gesinnung lässt und klar „das Böse“ bekämpft.

Damit wäre der Weg frei für den Vertrieb von „Wolfenstein 2: The New Colossus“ im Original, was nicht nur bedeutet, dass Hakenkreuze (wieder) auf Flaggen, Robotern und Uniformen innerhalb des Spiels zu sehen wären. Die Einzelspieler-Kampagne würde die ursprüngliche Hintergrundgeschichte erzählen, inklusive dem „Dritten Reich“ (statt „Das Regime“) und einem senilen Adolf Hitler anstelle der um sein Oberlippenbärtchen bemächtigen Figur „Herr Heiler“.

Die überarbeitete ‚deutsche‘ Version ist ab 18 Jahren freigegeben und gilt mit deutlich sechsstelligen Verkaufszahlen als eine der erfolgreichsten Games-Neuheiten des Jahres 2017. Unklar war bislang, ob der US-Publisher und das schwedische Studios MachineGames überhaupt ein Interesse daran haben, den Titel im Original noch einmal neu zu veröffentlichen.

Auf GamesWirtschaft-Anfrage teilt die deutsche Bethesda-Niederlassung in Frankfurt mit: „Die Entscheidung der BPjM ist ein überaus positives Signal angesichts der großen künstlerischen Leistung, die das Team von MachineGames mit diesem Titel erbracht hat. Das Votum ist ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung von Games mit anderen Medien in Deutschland. Gerade Games-Entwickler können und müssen sich auch bei schwierigen gesellschaftlichen Themen verantwortungsvoll, kritisch und künstlerisch zu Wort melden können. Auf Basis der Entscheidung der BPjM stehen wir nun in Kontakt mit der USK, um die Veröffentlichung der internationalen Versionen von ‚Wolfenstein 2: The New Colossus‘ auch in Deutschland zu prüfen.“

Wolfenstein 2: Bundesprüfstelle begründet Entscheidung

Martina Hannak, Vorsitzende der BPjM (Foto: Schafgans)
Martina Hannak, Vorsitzende der BPjM (Foto: Schafgans)

Warum die „Wolfenstein 2“-Original-Version überhaupt auf dem Tisch der Bundesprüfstelle landete, ob es beispielsweise einen Indizierungsantrag gab und wie knapp/deutlich die Entscheidung des 12er-Gremiums letztlich ausfiel, all das unterliegt strikter Geheimhaltung. Öffentlich ist indes, wie sich das Gremium grundsätzlich zusammensetzt. Neben der BPjM-Vorsitzenden Martina Hannak nehmen drei Länderbeisitzer plus acht Gruppenbesitzer an der Sitzung teil, die unter anderem den Buchhandel, die Jugendhilfe und die Kirchen und Religionsgemeinschaften vertreten. Der betroffene Künstler, Verlag oder Spielehersteller hat die Gelegenheit, sich live in Bonn zu verteidigen, meist mit Unterstützung eines Rechtsbeistands.

Für eine Indizierung – die sogenannte Listenaufnahme – ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Übersetzt: Im Falle von „Wolfenstein 2“ haben sich mindestens acht Experten gegen eine Indizierung ausgesprochen.

Gegenüber GamesWirtschaft betont Hannak, dass sich die Entscheidung an vorherigen BPjM-Entscheidungen orientiert habe. „Als jugendgefährdend gelten Medieninhalte, welche die totalitäre NS-Ideologie aufwerten, rehabilitieren oder verharmlosen, da das verfassungsrechtlich bedeutsame Interesse an einer ungestörten Entwicklung der Jugend unter anderem darauf gerichtet ist, Rassenhass, Kriegslüsternheit und Demokratiefeindlichkeit nicht aufkommen zu lassen“, so Hannak. „Die Verherrlichung, Rehabilitierung oder Verharmlosung der NS-Ideologie in einem Trägermedium kann daher bei Jugendlichen zu einer ’sozialethischen Verwirrung‘ unter anderem in dem Sinne führen, dass ‚in einer unterschwelligen Beeinflussung von Jugendlichen ein nationalsozialistisch geprägtes Weltbild‘ begründet oder verfestigt wird, das auch eine ‚darauf bezogene Gewaltneigung fördern kann´.“

Die Bundesprüfstelle muss also genau prüfen, ob und wie sich ein Medium (Film, Serie, Buch, Computerspiel usw.) des Mittels der Geschichtsklitterung oder -verfälschung bedient, um nationalsozialistisches Gedankengut aufzuwerten oder zu rehabilitieren.

Wo die Grenzen zur Kunst- und Meinungsfreiheit verlaufen, ist und bleibt stets eine Einzelfallabwägung „unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Gesamtkontextes“. Spielehersteller wie Bethesda müssen also auch künftig sehr genau analysieren, ob ihr Produkt diesen Ansprüchen genügt: Für 2019 stehen mit „Wolfenstein: Youngblood“ und dem Virtual-Reality-Titel „Wolfenstein: Cyberpilot“ zwei Neuheiten aus dem „Wolfenstein“-Universum auf dem Programm.

Weitere Erkenntnisse und Schlussfolgerungen werden sich aus der schriftlichen Begründung des BPjM-Votums ergeben, die Anfang 2019 vorliegt.