Start Politik Upload-Filter: Bundestag beschließt neues Urheberrecht (Update)

Upload-Filter: Bundestag beschließt neues Urheberrecht (Update)

1
"Keine Upload-Filter in Deutschland" - das verspricht CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, der am Artikel-13-Kompromiss mitgeschrieben hat (Foto: CDU / Laurence Chaperon)

Jetzt also doch mit Upload-Filter: Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf zur Reform des Urheberrechts auf den Weg gebracht – im Netz herrscht Entsetzen.

Update vom 20. Mai 2021 (15 Uhr): Kurz vor Ablauf der Frist am 7. Juni hat der Deutsche Bundestag in seiner heutigen Sitzung das neue Urheberrecht gemäß der EU-Vorgaben in deutsches Recht umgesetzt. Mit den Stimmen der Koalitionsparteien CDU, CSU und SPD hat das Gesetz das Parlament passiert – FDP, Linke und AfD haben dagegen gestimmt, die Grünen haben sich enthalten.

Im Kern gilt künftig das, was sich schon im Februar abgezeichnet hat: Plattformbetreiber wie YouTube, Facebook, Twitter, Instagram, Twitch oder TikTok sollen stärker in die Haftung genommen werden, wenn urheberrechtlich geschützte Werke wie Videos, Texte, Fotos, Musikstücke oder Bilder hochgeladen werden, für die keine Lizenzvereinbarung mit Verlagen, Komponisten, Filmproduzenten oder Fotografen vorliegt. Gleichzeitig sollen Kreative und Urheber stärker an der Wertschöpfung beteiligt werden – soweit die Theorie.

In der Praxis muss das Hochladen geschützter Inhalte blockiert werden, sofern der Rechte-Inhaber darauf besteht. Die gefürchteten halb- und vollautomatischen Uploadfilter werden damit Realität. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak hatte im Mai eingeräumt, dass die Union das entsprechende Versprechen nicht habe einhalten können.

Der ausgehandelte Kompromiss sieht folgende Bagatellgrenzen vor, für die keine Lizenzen erforderlich sind.

  • Film und Video: maximal 15 Sekunden
  • Ton: maximal 15 Sekunden
  • Text: maximal 160 Zeichen
  • Fotos und Grafiken: maximal 125 KByte

Kritiker sehen eine Gefahr für die Netzkultur, etwa mit Blick auf Parodien oder Memes.

In den vergangenen Tagen wurden noch einige Verschärfungen eingebacken, wonach etwa kurze Auszüge unveröffentlichter Filme oder Live-Übertragungen komplett blockiert werden können.

Update vom 3. Februar 2021 (19 Uhr): Als Reaktion auf wütende #NieMehrCDU-Reaktionen in sozialen Netzwerken hat die Union ein Update ihres ursprünglichen Versprechens veröffentlicht, das Generalsekretär Paul Ziemiak seit März 2019 regelmäßig wiederholt hatte („Es wird in der nationalen Umsetzung keine Upload-Filter geben.“)

Fast zwei Jahre später klingt das dann so: Nach langen Verhandlungen habe die Bundesregierung einen „Kompromiss“ verabschiedet, der allen beteiligten Gruppen „Abstriche und Zugeständnisse“ abverlange. Wörtlich heißt es: „Unser Anliegen, Upload-Filter komplett unnötig zu machen, konnten wir nicht vollständig umsetzen.“

Die CDU verweist darauf, dass nicht nur Kreative und Urheber ihr geistiges Eigentum „wesentlich besser und einfacher schützen“ könnten und einen „Anspruch auf eine faire Vergütung ihrer Leistungen“ hätten. Auch Nutzer bekämen mehr Rechtssicherheit, etwa durch Bagatellausnahmen (siehe unten).

Die frühere EU-Parlamentarierin Julia Reda lässt dieses Argument nicht gelten: Das regt mich echt auf. Wenn die CDU sich die ganze Zeit gegen Upload-Filter engagiert hätte, warum ist dann der Regierungsentwurf so viel schlechter als der Diskussionsentwurf vom letzten Sommer, den die SPD (Justizministerium) allein verfasst hat?“

Meldung vom 3. Februar 201 (15 Uhr): Hunderttausende waren im Frühling 2019 gemeinsam mit prominenten YouTubern und Streamern auf die Straße gegangen, um gegen Artikel 11 und Artikel 13 (später Artikel 17) der EU-Urheberrechtslinie zu protestieren. Dennoch fand die Reform die nötige Mehrheit im EU-Parlament. Der gemeinsame Beschluss muss von den EU-Mitgliedsländern in nationales Recht umgesetzt werden – und zwar bis spätestens 7. Juni 2021.

Die Bundesregierung hat am heutigen Mittwoch einen Gesetzentwurf des SPD-geführten Justizministeriums gebilligt, dem ein langer Disput mit dem Wirtschaftsministerium unter Peter Altmaier (CDU) vorausging. Im Dezember 2020 hatten Verbände wie der Bundesverband Musikindustrie, die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und der Videospiele-Industrieverband Game in einem gemeinsamen Brief an Altmaier heftig gegen den damaligen Entwurf protestiert.

Christine Lambrecht (SPD), Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz (Foto: Thomas Köhler / Photothek)
Christine Lambrecht (SPD), Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz (Foto: Thomas Köhler / Photothek)

Mit der Reform sollen die Rechte und Pflichten von Urhebern, Online-Plattformen und Nutzern neu geregelt werden – im Kern ein sinnvolles Anliegen. Die Sorge vieler Nutzer: Fallen kurze Ausschnitte, Samples, Zitate, Parodien, Satire, Remixes, Fan-Art, Memes und andere Popkultur-Referenzen künftig automatisierten Upload-Filtern zum Opfer?

Zur Debatte standen (und stehen) nicht weniger als Netzkultur, Meinungsfreiheit und Kunst und Kultur.

Im finalen Entwurf versucht sich die Bundesregierung an einem Interessens-Ausgleich zwischen den Interessen von Verlagen, Künstlern, Fotografen sowie Musik-, Film- und Buch-Branche. Deren Forderung: Konzerne wie Google (YouTube), Facebook (Instagram), Twitter oder Amazon (Twitch) sollen künftig zur Kasse gebeten werden, wenn ihre Nutzer urheberrechtlich geschütztes Material hochladen. Dazu müssten Lizenzabkommen mit Verbänden und Unternehmen, zur Not aber auch mit Einzelpersonen abgeschlossen werden.

Einer der Hauptstreitpunkte: Wie umfangreich dürfen jene ‚Schnipsel‘ ausfallen, um unter eine Bagatellgrenze zu fallen? In den vergangenen Monaten wurde heftig um jede einzelne Sekunde und jedes Kilobyte Datenmaterial gestritten.

Der derzeitige Stand ist ein abermaliger Kompromiss und sieht folgendermaßen aus:

  • Film und Video: maximal 15 Sekunden
  • Ton: maximal 15 Sekunden
  • Text: maximal 160 Zeichen
  • Fotos und Grafiken: maximal 125 KByte

Für alle darüber hinaus gehenden Inhalte müssten die Plattformen zunächst Lizenzen erwerben – oder aber den Upload blockieren. Monatelang hatte die Politik heftig dementiert, dass zur Umsetzung auch die gefürchteten Upload-Filter zum Einsatz kommen würden. Doch genau dies ist aus Sicht von Netzpolitikern und Experten nun die zwangsläufige Folge.

„Kreative und Verwerter sollen fair an den Gewinnen der Plattformen beteiligt werden“, verspricht Justizministerin Christine Lambrecht (SPD). „Künstlerinnen und Künstler bekommen hierzu unmittelbare Zahlungsansprüche gegen die Plattformen. Gleichzeitig wollen wir die Kommunikations- und Meinungsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer im Internet wahren und vor ‚Overblocking‘ schützen.“

Im nächsten Schritt wird sich der Bundesrat mit dem „Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarkts“ beschäftigen, ehe der Bundestag darüber berät.

1 Kommentar

  1. Es ist eine Schande. Ein gigantische Schande. Die CDU/CSU hat, nachdem man zu einer Einigung gekommen ist, ihr Wahlversprechen von der Oarteiwebsite gelöscht, auf dass ja niemand merkt, dass sie den Koalitionvertrag gebrochen haben! Millionen von Menschen waren auf der Straße und es hat die Politiker einen Scheißdreck interessiert?! Das sollen unsere gewählten Vertreter sein?! Dieser Gesetzesentwurf ist ein absolutes Desaster, denn anstatt Leute einzustellen, die sich bei JEDEM Video mit der deutschen Gesetzeslage auseinandersetzt, wird es wohl viel eher so sein, dass Deutschland nicht mehr auf all diese Dienste/Plattformen zugreifen kann! Warum sollten YT, Twitch, FB und Co. einen Scheiß auf ein einziges Land geben?!

    Danke für NICHTS, liebe Politiker!!!

    #NieMehrCDU #NieMehrCSU #NieMehrSPD

Kommentarfunktion ist geschlossen.