Start Politik In-Game-Währung: EU-Kommission will Kinder besser schützen

In-Game-Währung: EU-Kommission will Kinder besser schützen

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Gewohnter Anblick: Analog zu Abertausenden ähnlich gelagerter Apps erfolgt die Monetarisierung von Star Stable Online über In-Game-Währung (Screenshot)
Gewohnter Anblick: Analog zu Abertausenden ähnlich gelagerter Apps erfolgt die Monetarisierung von Star Stable Online über In-Game-Währung (Screenshot)

Verbraucherschützer und EU formulieren Vorschläge für den fairen Einsatz von In-Game-Währung – die Games-Industrie ist alarmiert.

Mit großem Umsatz kommt große Verantwortung – das gilt gerade für Produkte, die sich an Kinder und Jugendliche richten. Und genau an dieser Stelle setzt nun eine Initiative des Consumer Protection Cooperation Network (kurz: CPC) an – ein Zusammenschluss europäischer Verbraucherschutz-Organisationen, der von der EU-Kommission koordiniert wird. Dem Netzwerk gehört auch der Bundesverband der deutschen Verbraucherzentralen und die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. an.

Auslöser ist eine Beschwerde der schwedischen Verbraucherzentrale im März 2024 über Star Stable Online – ein zunächst kostenlos spielbares „Online-Pferdespiel voller Abenteuer“, das seit fast 15 Jahren vom Stockholmer Studio Star Stable Entertainment angeboten wird und auch in Deutschland stark verbreitet ist.

Der Einstieg gelingt in Sekundenschnelle: Bereits beim Start von App oder PC-Version lassen sich Fellfarben, Mähne, Name des Pferdes und Avatar festlegen – wer ein Spielkonto anlegt und die E-Mail bestätigt, erhält als ‚Geschenk‘ 100 Star Coins. Diese In-Game-Währung kann für Pferde, Kleidung und Pflegeprodukte genutzt werden – doch mit diesem Budget kommt man nicht weit. Also muss nachgebucht werden, etwa 5.000 Star Coins für 54,95 €. Noch mehr Inhalte, Chats, Wettrennen, Quests und Reitclubs lassen sich per ‚Star Rider‘-Abo freischalten, in dem auch ein wöchentliches „Star Coins-Tachengeld“ enthalten ist.

Selbst der Laie merkt: Ohne Geld-Einsatz ist der Online-Ausritt schnell beendet. Die Verbraucherschützer kritisieren insbesondere die gezielte werbliche Ansprache von Minderjährigen, ausgesprochen aggressiver Kaufdruck durch vermeintlich begrenzte Angebote und die allgegenwärtige Intransparenz – auch mit Blick auf gebuchte Influencer.

Nachdem es in den vergangenen Monaten bereits einen regen Schriftwechsel (PDF) zwischen den Verbraucherschutzorganisationen und Star Stable Entertainment gegeben hat, wird dem Studio nun eine einmonatige Frist eingeräumt, um schriftlich auf die Vorwürfe zu erwidern und Vorschläge für Gegenmaßnahmen zu unterbreiten.

Im deutschen Google Play Store ist Star Stable Online mit einer USK-Altersfreigabe von 6 Jahren versehen – Begründung: „Schreckmomente“ und „Chats und In-Game-Käufe“. Im iOS-Appstore führen „selten/schwach ausgeprägte“ Horror-/Gruselszenen sowie Zeichentrick-/Fantasy-Gewalt zu einer Alterseinstufung von 9 Jahren – Hinweise zu den Risiken und Nebenwirkungen der In-Game-Käufe finden sich nirgends.

Games-Umsatz 2024 in Deutschland: Online-Abos erzielen erstmals mehr Umsatz als der Einzelkauf (Stand: 11. März 2025)
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In-Game-Währung: Verbraucherschutz formuliert Mindest-Anforderungen

Parallel hat das CPC Network sieben Minimal-Anforderungen (PDF) formuliert, die sicherstellen sollen, dass junge und damit unbedarfte Nutzerinnen und Nutzer von Games nicht ausgenutzt werden:

  1. Klare und transparente Ausweisung des Euro-Gegenwerts bei In-Game-Inhalten und Spielwährungen
  2. Keine Verschleierung des Kaufpreises durch Einsatz verschiedener Währungen innerhalb des selben Spiels
  3. Kein Zwang, mehr Spielwährung zu erwerben, als für den Kauf eines gewünschten Items erforderlich ist – etwa durch Bundles
  4. Maximale Transparenz und Kennzeichnung mit Blick auf Verkäufer, Widerrufsrecht, Zahlungsmethoden etc.
  5. 14tägiges Rücktritts-/Rückgaberecht beim Kauf digitaler Güter oder In-Game-Währungen
  6. Verständliche Beschreibung der Kaufbedingungen und faire Vertrags-Klauseln – zum Beispiel der Verzicht, Accounts anlassfrei stillzulegen oder Dienste einzuschränken
  7. Verantwortungsbewusste Gestaltung von Gameplay und Monetarisierung – unter besonderer Berücksichtigung gefährdeter Zielgruppen wie Kinder und Jugendliche

Was wie Selbstverständlichkeiten anmutet, ist keineswegs gelebte Praxis, wie regelmäßig auch die Auswertungen der Stiftung Warentest belegen.

Deutliche Kritik an der Position der EU-Verbraucherschützer kommt erwartungsgemäß von den Lobbyverbänden: In einer gemeinsamen Stellungnahme äußern sich European Game Developers Federation (EGDF) und Video Games Europe (VGE) enttäuscht über die formulierten Prinzipien, der eine „Fehlinterpretation“ der EU-Gesetzgebung zugrunde liegt – die zu einer Verunsicherung der Verbraucher und nachgelagert zu „Herausforderungen“ für die europäische Games-Industrie führen könnte. Tatsächlich sei der Einsatz von In-Game-Währung stets optional und seit Jahren ‚gelernt‘ und eingeübt – auf dem Markt gebe es eine riesige Vielfalt an Spielen, die komplett kostenlos genutzt werden könnten.

EGDF und VGE wollen die Vorwürfe nun einer gründlichen rechtlichen Bewertung unterziehen und den Austausch mit den Behörden suchen.

Eine mögliche Regulierung von Mikrotransaktionen hätte spürbare Auswirkungen auf den Computerspiele-Markt in Europa: Nach jüngsten Marktdaten entfallen 80 Prozent aller Spiele-Software-Umsätze in Deutschland auf In-Game- und In-App-Käufe. Volumen im Jahr 2024: mehr als 4,5 Milliarden Euro.


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1 Kommentar

  1. Ein seit jeher kontroverses Thema, wobei ich die unterschiedliche Behandlung einiger Ausprägungen von In-Game-Käufen schon recht bizarr und bedenklich finde.

    In-Game-Käufe, Zeitbarrieren, Lootboxen, Cosmetics, käufliche Perks uvm. Die unterschiedlichen Möglichkeiten Geld in Spielen loszuwerden ist vielfältig und zugegebenermaßen auch durchaus kreativ. Dabei sind nicht alle Möglichkeiten perse schlecht oder auch gut. Das hängt oft auch vonden Spielern/Käufern ab, was diese aus den Möglichkeiten machen.

    Sicher ist, dass der Schutz von Menschen und vorallem von Kindern, oberste Priorität haben sollte/muss. Doch dort die Grenzen zu ziehen ist extrem schwer. Was so manch ein 12 jähriges Kind an Verstand und Kauf-Zurückhaltung mitbringt, treibt dafür so manch 40 jahre alter Erwachsener in den finanziellen Ruin… gar nicht so einfach, Wer und in/ab welchem Alter da nun geschützt werden muss.

    Dass das Ganze zwei Seiten hat, sollte jedem klar sein. Computerspielentwicklung ist und sollte nun auch keine Brotlose Kunst sein, also eine gewisse wirtschaftliche tragfähige kommerzialisierung ist durchaus geboten. Als Gegenleistung erhalten Spieler gegen Geld auch Unterhaltung… ob dass dann Fair und Anständig ist, ist eine andere Sache.

    So gibt es ja Konsolen, PC und Mobile/Smartphone. Während die ersten Beiden noch oft auf gute alte Werte setzen (Mal abgesehen von Roblox und einigen anderen Ausnahmen), eskaliert auf Mobilen Geräten, also Smartphones und Tablets, regelmäßig die *Kommerzialisierung* und das nicht selten mit einer besonders jungen Spielerschaft (Zielgruppe!?)

    Persönlich fand ich die Overwatch 1 Monetarisierung am gelungensten. Ein solider und durchaus fairer einmaliger Kaufpreis, kein Pay to Win und Lootboxen, die durch spielen ergattert werden konnten. Für mich als Spieler hatte ich tatsächlich nie den Anreiz, Lootboxen zu kaufen. Dennoch kaufte ich ab und an mal einen Skin um das Spiel zu unterstützen, schließlich kostet das Serverhosting fortwährend Geld. Und doch sind die wunderbar animierten OW1 Lootboxen zum absoluten Synonym für die In-Game-Käufe Thematik geworden… irgendwie nicht ganz fair gegenüber einem der fairsten Systeme :-/

    Und dann gibt es noch den Fußball Spiele… das E-Sports Schwergewicht und Vorzeigegenre steht fest in seiner eigenen Liga. Dass dabei begründete Vorwürfe wie Pay to Win im Raum stehen, um mit kostenpflichtigen Booster Packs die faktischen Werte seines Teams gegen Geld und damit seine Gewinnchancen zu verbessern, tut der Popularität keinen Abbruch und die Kritik bleibt stets irritierend gering…äußerst Fragwürdig, vorallem für E-Sports Titel.

    Einige interessante Beiträge:

    Ultralativ: Die Abgründe des mobile Gamings | Hogwarts Mystery
    https://www.youtube.com/watch?v=4ht1f7YuW3k

    Game Two: Report: Wie ROBLOX bei Kindern abkassiert
    https://www.youtube.com/watch?v=GUAGdq7Ns38

    (Anmerkung: teils noch sehr verharmlost dargestellt… und was in ROBLOX an Urheberrechtsbrüchen, Diebstahl und vielen weiteren teils Straftaten abgeht wurde kaum bis gar nicht erwähnt.)

    Bin mal gespannt, ob wirklich was verbessert wird, wenn sich die EU dem Ganzen annimmt, oder ob wir nicht doch die dystopische Ausgeburt so mancher Cyberpunk Fiktion miterleben dürfen. Reposession Mambo läßt grüßen XD

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