Start Meinung Halbiert die Gamescom-Besucherzahlen! – Kolumne

Halbiert die Gamescom-Besucherzahlen! – Kolumne

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Gamescom 2018: Der Messe-Boulevard verbindet die Hallen der Entertainment Area (Foto: KoelnMesse / Thomas Klerx)
Gamescom 2018: Der Messe-Boulevard verbindet die Hallen der Entertainment Area (Foto: KoelnMesse / Thomas Klerx)

Wie viel Wachstum verträgt die Gamescom? Nicht mehr viel, kommentiert GamesWirtschaft-Chefredakteurin Petra Fröhlich – und liefert deshalb einen Vorschlag mit.

„Gamescom begrüßt erstmals 500.000 Besucher“

Wenn die Messe die Besucherzahlen in gleicher Weise fortschreibt wie in den vergangenen Jahren, dann ist diese Pressemitteilungs-Überschrift fast schon zwangsläufig. Es wäre nicht die erste und einzige Messe im Land, die diese Marke knackt.

Fakt ist: Die Jagd nach Gamescom-Rekorden geht ungebremst weiter – jedes Jahr eine Schippe drauf, Stagnation ist im Businessplan nicht vorgesehen. Mit Hochdruck wird in Köln-Deutz gebaut, saniert, modernisiert, erweitert, digitalisiert, um den Boden für die kommenden Gamescoms zu bereiten – und potenziellen Standort-Mitbewerbern den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Daher ist die Gamescom auch in diesem Jahr gewachsen – mehr Aussteller, mehr Internationalität, (viel) mehr Capture-Stationen für Live-Streamer und 15.000 zusätzliche Privatbesucher.

Was nicht (mit)wächst, ist die Fläche in der Entertainment Area, die ohnehin nur knappe zwei Drittel der kolportierten 200.000 Gamescom-Quadratmeter umfasst. Ein erheblicher Teil der Messefläche entfällt nämlich auf die Business Area – also auf einen Bereich, zu dem 90 Prozent der zahlenden Besucher überhaupt keinen Zutritt haben.

Die Gamescom ist mittlerweile die zweitgrößte, jährlich veranstaltete Messe in Deutschland (Stand: August 2018)

Die wesentlichen Publikumsmagneten sind zudem in nur vier Hallen (6, 7, 8, 9) mit gerade mal 70.000 Quadratmetern untergebracht. Pro Gamescom-Tag wird darin deutlich mehr als der Inhalt einer ausverkauften Allianz-Arena umgewälzt.

Und deshalb ist dort auch dieses Jahr passiert, was auf deutschen Autobahnen geschieht, wenn Urlauber aus mehreren Bundesländern gleichzeitig am ersten Ferientag in den Süden aufbrechen: Stau. Erneut kam es zu den gefürchteten „vorläufigen Hallenschließungen“.

Die Veranstalter wollen deshalb im kommenden Jahr – mal wieder – an der ominösen „Aufenthaltsqualität“ schrauben. In der Vergangenheit bestand diese Optimierung unter anderem darin, die Besucherströme via Einbahnstraße über den Außenbereich umzuleiten.

Das ist solange eine hübsche Idee, wie die Sonne lacht. Die Ausrichter werden manche Kerze im Kölner Dom entzünden, dass zur Gamescom-Zeit auch das Wetter mitspielt. Doch wehe, wenn’s stürmt oder regnet – dann drängen Tausende zusätzlicher Besucher von jetzt auf gleich aus den Freiflächen und aus dem Open-Air-Bereich in die Hallen.

Selbstverständlich ist das alles durchkalkuliert, geplant und abgestimmt – mit der Feuerwehr, dem Ordnungsamt, der Polizei, den Rettungskräften, der Hallen-Security. Und wie uns die nationalen Katastrophen der vergangenen Jahrzehnte gelehrt haben, dann besteht zu übertriebener Sorge nun wirklich kein Anlass, solange alle einbezogenen Experten, Veranstalter und Behörden glaubhaft versichern, dass nix passiert.

Natürlich könnte man nun von den Ausstellern fordern, stumpf die Flächen und Spielstationen aufzustocken. Doch kleine wie große Entwickler und Publisher sind dazu entweder nicht in der Lage (manchmal) oder nicht willens (immer öfter), die Budgets unlimitiert hochzujazzen. Denn am Ende ist die Gamescom kein Akt der Nächstenliebe, sondern eine Marketing-Maßnahme, die sich in Umsätzen widerspiegeln muss.

Etlichen Ausstellern, mit denen ich gesprochen habe, fehlt die Vorstellungskraft, wie sich Standbau-und Personal-Kosten, Wartezeiten und Sicherheits-Risiken auf ein seriöses Maß eindämmen lassen, ohne die Besucherzahlen radikal nach unten zu schrauben – also nicht 80.000+ pro Tag, sondern eher so 40.000 bis 50.000. Die Gamescom würde dadurch zu einer exklusiveren, entspannteren Veranstaltung, was auch die irren Übernachtungspreise in geradezu magischer Weise auf ein vernünftiges Maß einschaukeln ließe.

Klingt zunächst toll – wird aber alleine deshalb nicht passieren, weil der KoelnMesse dadurch mehrere Millionen Euro an Eintrittskarten-Einnahmen verloren gingen. Es sei denn, die Gamescom-Tagesticket-Preise würden sich von Kino- in Richtung Konzert- oder Stadion-Besuch entwickeln.

Für diesen unwahrscheinlichen Fall lautet mein Servier-Vorschlag für die Pressemitteilung folgendermaßen: „Gamescom halbiert Besucherzahlen – und alle sind happy!“


Über die Autorin: Petra Fröhlich ist Gründerin und Chefredakteurin von GamesWirtschaft.

1 Kommentar

  1. An und für sich ist die Rechnung ja relativ simpel: Man halbiere die Besucherzahlen und verdopple dafür den Preis für die Tickets. Aber wahrscheinlich könnte die KoelnMesse den Spaß für seine Privatbesucher sogar noch teurer machen, Stichwort Angebot und Nachfrage. Und selbst mit 50 Euro pro Tagesticket wäre man immernoch weit von dem entfernt, was die Privatbesucher in LA auf den Tisch legen.

    Aber sind wir Mal ehrlich: was bringt es, die Messefläche zu vergrößern, wenn die Stände nicht Willens sind, mitzuwachsen? 6 Stunden anstehen ist gelinde gesagt eine Zumutung und bisweilen echt traurig, wie viele bereit sind, das mitzumachen, nur wegen einer 20-Minuten-Demo von Spielen, die manchmal schon 2 Monate später auf den Markt kommen…

    Long Story Short: ich bin absolut für ein kleineres Kontingent bei höheren Preisen. Sicher, es wird diejenigen mit knapperen Geldbeutel ärgern, aber viele werden auch äußerst dankbar sein. Ich zu meinen Teilen werde die Gamescom erstmal meiden. Dieses Jahr habe ich nämlich mit dem Eintritt 15 Euro aus dem Fenster geworfen.

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