PlayStation Plus und Game Pass verändern das Kauf-Verhalten der Gamer – die Auswirkungen lassen sich schon jetzt in den Marktdaten besichtigen.
Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,
haben Sie das auch gespürt? In dieser Woche? Diese Erschütterung der Macht?
Der Branchenverband hat am Dienstag die 2024-Zahlen für den deutschen Computerspiele-Markt vorgestellt. Auf den ersten und auch den zweiten Blick wirkt alles einigermaßen betrüblich: ganz viel Minus an ganz vielen Stellen. In Summe fehlte gegenüber 2023 eine halbe Milliarde in den Kassen.
Würde man darüber jammern – man täte dies auf hohem Niveau. Denn die gute Nachricht lautet: Die Branche hat das aufgebaute Corona-Sondereffekt-Plateau einigermaßen halten können. Was fehlte, waren lediglich ein paar frische Impulse und zugkräftige Produkte. Sony hat zum Beispiel das Kunststück fertiggebracht, pünktlich zur Bescherung ein neues 800-€-Topmodell aufzulegen – aber ohne den passenden Weihnachts-Blockbuster, der von der zusätzlichen Performance-Potenz profitieren würde.

Zu allem Unglück haben sich Brummer wie Assassin’s Creed Shadows und Kingdom Come Deliverance 2 ins Folgejahr verschoben. Nichts, was die Branche nicht gewohnt wäre. Entsprechend aufgeräumt zeigt man sich beim Verband mit Blick auf 2025: Switch 2 und GTA 6 werden’s schon richten.
Schaut man etwas genauer in die Zahlen, stellt man fest, dass sich in der Saison 2024 zwei gegenläufige Trends gekreuzt haben – und das zum ersten Mal:
- Deutschlands Verbraucher haben viel weniger für den Spiele-Einzelkauf ausgegeben – aus besagten Gründen. Die Umsätze sind um satte 17 Prozent regelrecht eingebrochen.
- Umgekehrt zogen die Einnahmen von Flatrate-Abos zweistellig an, auf fast eine Milliarde Euro. Dazu zählen der Game Pass für PC und Xbox aus dem Hause Microsoft, Nintendo Switch Online und PlayStation Plus von Sony Interactive. In geringerem Ausmaß muss man EA Play und Ubisoft+ dazuzählen, die je nach Tarif serienmäßig bei Sony und Microsoft integriert sind.
Wie viele Menschen solche Dienste de facto abonniert haben, lässt sich allenfalls schätzen, weil aktuelle Daten seitens der Konzerne nur noch alle Schaltjahre kommuniziert werden. Sony hat sich vor zwei Jahren von der bis dahin selbstverständlichen Transparenz verabschiedet – damals waren es stabile 47 Millionen Kunden. Wenn die Ratio gleich geblieben ist, hat pi mal Daumen jeder zweite bis dritte PlayStation-Besitzer auch ein Abo.

Was sich verändert hat, ist das Geschäftsmodell: PlayStation Plus und Xbox Live (inzwischen Game Pass Core) wurden ursprünglich erfunden, um den Zugang zum Online-Multiplayer-Modus zu monetarisieren. Warum man für so einen ‚Service‘ extra zahlen soll, erschließt sich immer weniger. Deshalb ist längst die monatlich wechselnde Spiele-Auswahl in den Fokus der Kommunikation gerückt – anders ließen sich die stolzen, zuletzt mehrfach angehobenen und in der Tendenz immer weiter steigenden Gebühren weder erklären noch rechtfertigen.
Sony bietet seit 2022 drei Pakete in den Ausbaustufen Essential, Extra und Premium an – also das übliche Upselling-Prozedere, das Sie beim Burger-Brater Ihres Vertrauens entgegen aller Vernunft und Vorsätze zum Maxi-Menü greifen lässt.
Im Premium-Tarif sind Hunderte PS4- und PS5-Games inklusive. Bei jährlicher Zahlungsweise werden 120 € fällig, also 10 € pro Monat, all inclusive. Microsoft ruft für das Ultimate-Paket satte 215 € im Jahr auf – was daran liegt, dass konzerneigene Games in der Basis-Ausstattung automatisch freigeschaltet werden. Nicht nach 6 oder 12 Monaten, sondern direkt zum Launch.
Beide Games-Bibliotheken unterliegt stetem, unkalkulierbarem Wandel. Welche Titel in den digitalen Wundertüten jetzt im April oder Mai enthalten sind und welche nicht (mehr), kann niemand seriös prognostizieren. Der Kunde kauft somit die Katze im Sack.
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen führt deshalb einen anhaltenden Rechtsstreit mit Sony PlayStation, weil sich das Unternehmen im Wege der AGBs selbst riesige Spielräume eingeräumt hat, die Anzahl und Verfügbarkeit der angebotenen Spiele jederzeit zu variieren – und gleichzeitig die Abo-Preise einseitig und anlassfrei ‚anzupassen‘. Das Kammergericht Berlin war der Ansicht, dass die Konsumenten dadurch unangemessen benachteiligt würden.
Mit Blick auf vergleichbare Entscheidungen spricht viel dafür, dass sich der Bundesgerichtshof in nächster Instanz dieser Bewertung anschließt. Wie auch immer Karlsruhe urteilt: Die Spotify- und Netflixierung der Spiele-Branche wird sich dadurch kaum aufhalten lassen.
Vielmehr ist mit dezenter zeitlicher Verzögerung genau das eingetreten, was schon seit Jahren immer und immer wieder vorhergesagt wird, aber nie wirklich Realität wurde. Denn wie Meister Yoda formulieren würde: Die Macht – stark sie ist im Einzelkauf. Im Unterschied zu TV-Serien-Binge-Watchern oder Playlist-Verwaltern gibt es unter jungen wie reifen Gamern nach wie vor ein ausgeprägtes Bedürfnis des Besitzen-und-in-den-Schrank-stellen-Wollens. Andere mögen das wohlige Gefühl, das sich beim Durchscrollen der Steam- und PlayStation-Store-Bibliotheken einstellt – alles meins!
Das ist bei Flatrate-Modellen ja nicht so. Der Verbraucher hat nur so lange Zugang zum All you can play-Buffet, wie der Abopreis entrichtet wird oder der Lastschrift-Einzug verlängert wird.
Die Mechanik ähnelt also einem Fitness-Studio, wo man nur so lange an die Geräte darf, wie die Mitgliedschaft läuft. Analog zum Gym würde ich eine amtliche No-Show-Quote unterstellen: Auf die Frage nach dem Hauptgrund für das bestehende Game Pass-/PS-Plus-Abo antworteten viele Nutzer in dieser Woche sinngemäß: „Hab vergessen zu kündigen.“
Den Plattform-Betreibern könnte das im Grunde egal sein, ob und wie oft und wie lange der Service genutzt wird, weil die Kohle ja in jedem Fall abgebucht wird. Trotzdem unternehmen Microsoft und Sony gehörige Anstrengungen, um die Kundschaft zum regelmäßigen Erscheinen zu motivieren – nur ein spielender Spieler erzeugt In-Game-Umsätze.
Meiner eigenen Mediennutzung kommen solche Hop-On-Hop-Off-Angebote zupass. Über die Weihnachtsferien hab ich mir zum Beispiel Indiana Jones und der Große Kreis gegönnt – zum Freundschaftspreis von 17,99 €. Das ist der Betrag, den mir Microsoft für 1 Monat Xbox Game Pass Ultimate abbucht – vier Wochen reichen zum entspannten Durchspielen des Indy-Spiels dicke. Hätte ich mir das selbe Produkt bei Amazon bestellt oder im örtlichen MediaMarkt mitgenommen, würden 70 € fällig.
18 vs 70 € für exakt die selbe Experience – das ist schon ein Unterschied. Kein Wunder, dass Flatrate-Abos das Kaufverhalten beeinflussen – und die Marktzahlen spiegeln diesen Trend.
So erfreulich das Wachstum aus Sicht von Sony und Microsoft ausfällt: Publisher und Studios müssen sich einen Weg überlegen, um ihre eigenen Produkte buchstäblich nicht zu entwerten. Es macht was mit Kunden, die noch im Herbst den vollen Preis für ein Dragon Age: The Veilguard bezahlt haben – und jetzt feststellen dürfen, dass das Fantasy-Rollenspiel nur vier Monate später allen PS-Plus-Abonnenten für umme freigeschaltet wird.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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