Monolith Productions ist Geschichte – nicht das erste ‚Kult-Studio‘, das schließt oder schrumpft. Die Gründe ähneln sich oft. Warner Bros. steht indes vor einem Scherbenhaufen.
Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,
Politik für die Mehrheit wolle er machen, polterte CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz im Wahlkampf-Endspurt. Für eine Mehrheit, die „gerade denken kann und die auch noch alle Tassen im Schrank“ habe – in Abgrenzung zu den „grünen und linken Spinnern auf dieser Welt“.
So richtig klar, wen genau er damit meint (und wen nicht), war Germany’s next Bundeskanzler nicht. Im Nachgang drehten seine Leute den Spin, dass er lediglich auf jene ‚Spinner‘ abzielte, die vor dem Veranstaltungs-Saal gegen Merz und die Union demonstrierten. Daran kann man Zweifel haben.
Jedenfalls nahm ich den Spruch zum Anlass, um mich per Blick in den Küchenschrank zu vergewissern, dass dort noch alle Tassen vorhanden sind. Dies ist offenkundig der Fall: in-, auf- und nebeneinander gestapelt, aus Keramik, Porzellan, Emaille – Glück gehabt.
Nicht wenige Exemplare der Fröhlich’schen Sammlung stammen von honorigen Studios und Publishern. Dazu muss man wissen: Computerspielehersteller überreichen gern und oft Tassen – zu Weihnachten, entlang von Messen oder zur Markteinführung von Spielen.
Dass sich das Werbegeschenk ‚Tasse‘ nicht nur in der Games-Branche so großer Beliebtheit erfreut, hat Gründe. Denn Tassen erfüllen alle Compliance-Vorgaben, sind einigermaßen robust, häufig dekorativ und man kann eigentlich nie genug davon haben. Egal ob in Kombination mit Arabica-Kaffee, Nesquik oder Pfefferminztee: Man wird ein ums andere Mal en passant mit der Marke konfrontiert – ohne dass es nervt.
Einige meiner Lieblings-Tassen sind tatsächlich schon seit Jahrzehnten im Einsatz und schauen immer noch aus wie neu – ganz im Gegensatz zu sündhaft teuren Exemplaren, die wir mal im Fanshop des FIFA-Museums in Zürich erworben hatten. Nur mit Mühe sind die Logos und Maskottchen der dazugehörigen Fußball-WMs noch zu erahnen, die entlang der ersten Spülmaschinen-Einsätze verblasst sind.
Was hingegen nicht verblasst ist: der an der Tassen-Unterseite eingedruckte Hinweis „Nicht spülmaschinenfest!“ Nun.

Einige besonders schöne Exemplare mit Games-Motiven haben ihre Absender überlebt, denn die dahinter stehenden Publisher und Studios existieren längst nicht mehr – teils eigenverschuldet entlang von strategischen Fehlentscheidungen, Missmanagement und Turbo-Wachstum, teils aufgerieben zwischen tragischen Umständen und schlichtem Pech bei der Auswahl von Personal und Partnern. Keramik-gewordene Mahnmale, was in dieser unerbittlichen Industrie alles schief gehen kann.
Und es kann eine Menge schief gehen. Beweisstück 1: Vor kurzem fiel mir beim Umräumen eine originalverpackte Version des PC-Shooters F.E.A.R. in die Hände, der vor fast 20 Jahren erschienen ist. Richtig gutes Spiel, hab’s geliebt.
Die Vorder- und Rückseite der Packung ist zugekleistert mit Auszeichnungen und Signets von Spielemagazinen und Institutionen, die es schon lange nicht mehr gibt – darunter ein „Best of GC“-Award der Leipziger Games Convention 2005, die 2008 zum letzten Mal statt fand. Daneben: die Logos von Sierra Entertainment und Vivendi Universal, deren Assets später in Blizzard Entertainment und Activision Blizzard aufgegangen sind.
Entwickelt wurde F.E.A.R. vom US-Studio Monolith Productions, das sich zuletzt am Superheldinnen-Spiel Wonder Woman abgearbeitet hat. Angekündigt Ende 2021 – seitdem Funkstille. Anfang der Woche wurde bekannt, dass der Mutterkonzern Warner Bros. den Stecker bei Studio und Spiel zieht – alle Beschäftigen verlieren ihre Jobs.
Der Wikipedia-Eintrag ist bereits im Präteritum verfasst: „Monolith Productions, Inc. war ein US-amerikanischer Entwickler für Computerspiele mit Sitz in Kirkland, Washington.“ So schnell geht das.
Die Meldung löste auf Websites, Social Media und in Foren eine Welle von Kondolenz-Bekundungen aus – auch deshalb, weil das Stichwort Monolith zwangsläufig eine Menge Kindheits- und Jugenderinnerungen triggert, ebenso wie in Falle anderer ‚Kult-Studios‘: Looking Glass, Westwood, Tango Gameworks, Lucasfilm, Bioware, unter anderem. Geopfert auf dem Rendite-Altar gieriger Games-Konzerne, heißt es dann oft.
Wer nicht in das Wehklagen einstimmen mag, ist Daniel Vávra – Co-Gründer des Kingdom Come: Deliverance 2-Studios Warhorse. Am Mittwoch hat der Unternehmer und Spieldesigner via X-Posting die rhetorische Frage aufgeworfen: Werden Games (und überhaupt: Kunst) von Unternehmen gemacht – oder von Menschen?
Vávra verweist zurecht auf die Credits, an denen sich ablesen lässt, dass das Monolith von heute (genauer: das Monolith von vor ein paar Tagen) mit jenem von vor 5, 10 oder 20 Jahren exakt nichts mehr zu tun hat. Es ist nur noch eine Marke – eine Hülle, ein Etikett, Marketing. Die führenden Köpfe haben sich längst in alle Winde zerstreut.
So wie bei Piranha Bytes, das zwar als GmbH oder als Marke noch existieren mag. Aber eben nur auf dem Papier. Die Mitarbeiter haben sich zwischenzeitlich anderweitig orientiert oder machen was Neues.
„Ich schau mir Steven-Spielberg-Filme an, keine Warner-Filme. Lucasfilm war mehr oder weniger am Ende, als George Lucas ging. Ich habe nicht viel Sympathie für Spielefirmen. Es sind die kreativen Menschen, die zählen“, schreibt Vávra.
Natürlich hat er da einen Punkt. Denn Sollbruchstellen und Fliehkräfte treten auffallend häufig zutage, sobald sich das Gründer-Team oder leitendes Personal verabschiedet. Dann verblasst die Strahlkraft einst glorreicher Studios schneller als der Aufdruck von Keramik-Tassen nach zu häufigen Spülmaschinen-Durchgängen.
Wie geht es nun mit dem Games-Business bei Warner Bros. weiter? Eine Abteilung, die nach Hogwarts Legacy offenkundig das Fortune verlassen hat, wie Abschreibungen im dreistelligen Millionen-Dollar-Bereich zeigen?
Ich würde mich nicht wundern, wenn das Warner-Management jenen Pfad beschreitet, den auch Disney nach teuren Experimenten gewählt hat, nämlich die Lizenzierung eigener Universen an erfahrene, externe Studios – siehe zuletzt Indiana Jones und der Große Kreis (Bethesda) oder Star Wars Outlaws (Ubisoft).
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
Ich kann den Ausführungen nur zustimmen – insbesondere die Parallelen zwischen zerbrechlichen Tassen und der Vergänglichkeit von Studios wie Monolith Productions regen zum Nachdenken an.
Die Gaming-Industrie ist längst ein wirtschaftlicher Riese, der quer durch alle Sektoren hinweg mehr Umsatz generiert als viele andere Unterhaltungsbranchen zusammen. Dennoch wird ihre Bedeutung gesellschaftlich und politisch oft unterschätzt oder gar belächelt. Das zeigte sich etwa beim DCP mit Barbara Schöneberger, als Dorothee Bär die Dokomi mit einer Gala verwechselte und den Profi-E-Sportler TimoX vom VfL Wolfsburg zum Gegenstand platter Witze wurde. Wäre es die Berlinale gewesen, hätte man derartige Entgleisungen kaum toleriert. Solche Momente verdeutlichen, wie weit die Gaming-Welt in vielen Köpfen noch von einer ernsthaften Anerkennung entfernt ist – auch bei Entscheidungsträgern wie Friedrich Merz, dessen Äußerungen Sie treffend aufgreifen.
Ich selbst komme aus einem privilegierten Umfeld innerhalb der Gaming-Branche und höre von allen Seiten ähnliche Klagen: Jobverluste, Existenzängste und ein zunehmend harter Wettbewerb, bei dem man oft gegen alte Freunde und Bekannte um Aufträge kämpft. Die jüngste Veröffentlichung von Command & Conquer durch EA – gepaart mit den Aussagen in US-Medien, dass man aus wirtschaftlicher Not alles rauswirft, was irgendwie Geld bringen könnte – wirft ein düsteres Licht auf die Lage. Wenn selbst Konzerne wie EA solche Schritte gehen, bleibt einem beim Gedanken an unsere Indie-Studios oder einstige Vorzeigeentwickler wie Crytek nur ein mulmiges Gefühl.
Auch in meinem Regal stapeln sich die Werbegeschenke aus Jahrzehnten – darunter unzählige Tassen, von denen heute kaum noch jede dritte eine aktuelle Relevanz hat. Viele der Firmenlogos, die einst stolz auf Keramik prangten, stehen mittlerweile nur noch für Erinnerungen an vergangene Zeiten. Eine treffendere Metapher für die Vergänglichkeit in dieser Branche lässt sich kaum finden.
Kommentarfunktion ist geschlossen.