
Gegen die Marketing-Schatullen der Großen haben die Kleinen vermeintlich keine Chance – also braucht es kreativere Ansätze, wie der laufende Wahlkampf zeigt.
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
die TV-Du-, Tri- und Quadrelle der vergangenen Wochen vermittelten gelegentlich den Eindruck, zur Bundestagswahl würden nur fünfeinhalb Parteien antreten.
Tatsächlich sind es exakt 29. Ursprünglich haben sich 56 Gruppen beworben, von denen der Bundeswahlausschuss 41 Parteien formal anerkannt hat, darunter die Piraten, Volt, die Freien Wähler, die Werteunion, die Bayernpartei und die Partei für Verjüngungsforschung (kein Scherz).
Durchgefallen sind hingegen die Partei für Motorsport, die Partei der Rentner und die Anarcho-Partei, während die Gartenpartei, der Cannabis Social Club und die Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer ihre Kandidatur offenkundig zurückgezogen haben. Die Döner-Partei (Deutsche Partei für Ökonomische Neuordnung Essentieller Ressourcen), die sich für einen Kebab-Tarif von 3,50 € stark macht (what’s not to love), ist in Auflösung begriffen.
Und wenn Sie jetzt glauben, dass es sich hier um reine Spaß-Gruppierungen handelt, die aus dem den Bundestag einen Gürzenich machen wollen: Vielen dieser Ehrenamtlichen ist es ernst. Bitterernst. Am Ende fehlten meist Mittel oder Unterschriften, zuweilen genügten Programme und Satzungen nicht der erforderlichen Form. Auch das vorzeitige Ampel-Aus samt ultra-kurzer Vorbereitungszeit hat Gruppierungen schlichtweg überfordert.

Die jüngsten Umfragen sehen bei sieben Parteien zumindest theoretische Chancen, in den Bundestag einzuziehen – für FDP und BSW wird es sehr sehr sehr knapp, sagen die Demoskopen. Wer im grauen „Sonstige“-Balken auftaucht, muss ohnehin draußen bleiben.
Nun kann man natürlich die Frage stellen, ob das nicht wahnsinnig ungerecht ist, dass sich die mediale Aufmerksamkeit auf eine Handvoll Kandidatinnen und Kandidaten kapriziert, die dank Mitgliedsbeiträgen, Spenden und professioneller Strukturen ohnehin gut im Futter stehen. Von der „Staatlichen Parteienfinanzierung“ mit einem Volumen von 220 Mio. € profitieren in erster Linie die Großen – mehr als die Hälfte geht an Union und SPD. Matthäus-Effekt at work.
Für kleine und/oder junge Parteien war und ist es aus diesen Gründen absurd schwierig, mit legalen Mitteln hinreichend Sichtbarkeit herzustellen – trotz prominenter Galionsfiguren. Der Versuch der Wagenknecht-Partei, sich in Wahlarenen und Talk-Shows reinzuklagen, scheiterte auf ganzer Linie: Das Bundesverfassungsgericht sah keine Anhaltspunkte, dass die Chancengleichheit verletzt werde. Könnt ja jeder kommen.
Das Drama fehlender Sichtbarkeit kennt man in der Games-Industrie nur zu gut: Die Konkurrenz ist riesengroß – egal auf welcher Plattform. Die Analyse-Website SteamDB weist für 2024 eine Zahl von 18.931 Spielen aus – das sind mehr als 50 pro Tag. Allein im November waren es 1.800. In nur fünf Jahren hat sich das jährliche Pensum verdoppelt.
All diese Spiele treffen auf einen übersättigten Markt, in dem alleine die Live-Service-Games enorm viel Zeit und Budget ‚fressen‘ – GTA, EA Sports FC, Rainbow Six, all sowas. Auch wenn gelegentlich ein Überraschungs-Coup gelingt, ist die Statistik unerbittlich. Die populärsten Free2Play-Games des Jahres 2025 unterscheiden sich nur unwesentlich von jenen der Vorjahre: Fortnite, Roblox, Call of Duty, Rocket League. Ähnliches Bild auf Steam und natürlich in den Appstores – Monopoly Go!, Subway Surfers, Brawl Stars, Genshin Impact, you name it.
An dieser Stelle springt auch die Games-Förderung zu kurz, denn um am Markt zu bestehen, reicht es seit natürlich nicht, einfach nur ein ordentliches Spiel zu bauen und in die Stores zu kippen. Mindestens genauso wichtig war, ist, bleibt die Vermarktung, sei es durch Social Media, Messe-Auftritte, klassische PR, Kickstarter und / oder Influencer. Doch die aktuellen Antrags-Unterlagen sind diesbezüglich glasklar: Vertriebs- und Marketing-Kosten sind nicht förderfähig – mit Ausnahme der Trailer-Erstellung.
Gerade weil es so anstrengend geworden ist, aus der schieren Masse herauszustechen, braucht es kreativere Ansätze – so wie im Falle der Linken, die gefühlt schon mausetot waren. Bis jemand auf die Idee kam, TikTok auf sehr clevere und authentische Weise zu bespielen.
Dass und vor allem: wie Social Media wirkt, weiß auch Instinct3: In dieser Woche hat die Spandauer Agentur ihre erste ‚I3 Indie Expo‘ in Berlin abgehalten – in Anlehnung an die mittlerweile ausgestoppte E3 (sprich: Iiiiiiih-Friiiiih). Von handelsüblichen Publisher-Deals unterscheidet sich das Konzept dadurch, dass die Studios für ihre Spiele gezieltes Scheinwerferlicht durch die Reichweite der Content Creator bekommen – ein Mehrwert, der gerade für kleine und junge Studios buchstäblich unbezahlbar ist.
Solche Kooperationen und Koalitionen dürfte es ruhig häufiger geben – damit seltener das Prinzip Hoffnung (Motto: Irgendjemand wird das Spiel schon zufällig auf Steam entdecken) angewandt werden muss, das ganz viele der ‚Kleinen‘ durch den Rost fallen lässt.
Aber jetzt ist erstmal Bundestagswahl. Auf GamesWirtschaft finden Sie jede Menge Informationen zu den gar nicht mal so konkreten Plänen der Parteien mit Blick auf die hiesige Games-Industrie – einmal als Executive Summary und dann nochmal aufgeschlüsselt nach Parteien (CDU/CSU, SPD, FDP, Grüne). In einem gesonderten Beitrag richtet sich der Blick darauf, wie die Branchenverbände Politik machen – mit wem sie koalieren. Und mit wem nicht.
Ein schönes Wochenende und einen spannenden Wahlabend wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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Als Blatt für eine Kreativindustrie, die unter massiven Layoffs leiden muss, die unteranderem durch KI Mythen motiviert sind, hier mit einem KI-generierten Aufmacher dessen Nutzung zu normalisieren, ist extrem taktlos und kurzsichtig.
Die Glaubwürdigkeit des vermeindlich unterstützenden Blicks auf kleine und junge Studios wird dadurch komplett untergraben. Die KI Debatte ist weit genug vorangeschritten und die industrieweite Ablehnung aus Perspektive der Entwickler selbts ist weit genug klargestellt, so dass dieser Fehlgriff nicht mehr hätte passieren dürfen.
Danke für das Feedback. Zwei Nachfragen:
1) Auf welche Erhebung stützt sich die „industrieweite Ablehnung“? Kleine wie große Studios in ganz Deutschland arbeiten mit KI-Tools – in allen Gewerken.
2) Wie groß ist die Zuversicht, dass sich der KI-Einsatz in der Games-Branche ausbremsen lässt und dass dadurch Jobs erhalten bleiben?
Petra Fröhlich
GamesWirtschaft
1) Zunächst ist es nicht korrekt hier generalisierend von „KI generiert“ auf „KI Tools“ auszuweiten. Unpräzise Sprache, wie diese, vermengt verschiedene Prozesse und Werkzeuge die mit „KI“ im Titel benannt sind und schon seid vielen Jahren unproblematisch in der Spielenetwicklung angewendet werden mit den schädlichen KI Werkzeuge für KI generierten Inhalte.
Und selbst die KI Generierung, die in Entwicklerstudios Einzug hält ist oft aus CEO Perspektive oder anderer Gelbgeber (z.B. übergeordneter Firmen sowie Publisher) veranlasst, nicht aus Perspektive der Entwickler selbst.
Für ein Beispiel der industrieweiten Ablehnung aus Entwicklerperspektive diese Meldung: https://www.wired.com/story/xbox-muse-generative-ai-developers-say-nobody-will-want-this/
Mal ganz davon ab, das ich Entwickler bin und stark mit anderen Studios intenational vernetzt und es hier einen Eindeutigen Konsens gegen KI Generierung gibt.
Alle diese Erörterung sind eher für Leser dieses Kommentares gedacht, da es mir schwerfällt zu glauben, dass jemand, die sich Beruflich mit der Spieleindustrie befasst, wie Sie, sich dieser Tatsachen nicht bewusst ist. Ich kann ihre Frage 1 hier leider nur als defensive Rethorik einordnen.
Zu 2): Das kommt ganz dauf an wo und in welchem Umfang. Die von Ihnen diesem Artikel thematisierten kleinen und neune Studios duch aus haben oft den nötigen moralischen und kreativen Kompass, sowie Wertschätzung für ihre Zunft und Qualitätsanpsrüche, dass Positionen im Team von Menschen besetzt werden, obwohl es vermeindliche KI Generierungsalternativen gäbe.
Aber im ganzen betrachtet wird besonders bei grossen Firmen die KI Generierung weiter zunehmen und weiter Schaden anrichten. Bilden Sie sich dabei aber bitte nicht ein, dass sich daruch ein Mitläufertum rechtfertigen ließe.
Ich danke Ihnen für Ihre Nachfragen, aber Sie merken, dass die unter 1) dargestellte „Ach, ist das so?“-Unwissenheit und unter 2) implizierte „Macht doch jeder“-Gleichgültigkeit nicht meine Kritik an Sie entschärft. Ganz im Gegenteil, zeigen Ihre Nachfragen um so deutlicher, wo Sie Ihrer Verantwortung als Industrie-Stimme mit Platform nicht nachkommen.
Danke für die Replik. Wir haben an dieser Stelle offenkundig einen Dissens.
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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