Der Deutsche Entwicklerpreis 2024 im Kölner Gürzenich hat seinen Stellenwert als Branchen-Weihnachtsfeier ein weiteres Mal unterstrichen.
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
so sehr läge ihm der Deutsche Entwicklerpreis am Herzen, dass er dafür sogar die Weihnachtsfeier der CDU-Fraktion im Düsseldorfer Landtag habe sausen lassen. Sprach Staatskanzlei-Chef Nathanael Liminski eingangs der Preisverleihung am Dienstagabend – und holte sich damit gleich mal eine Ladung Szenen-Applaus ab.
Keine zehn Minuten später hatte er bereits den Festsaal im Kölner Gürzenich verlassen. Termine, Termine.
Wäre alles streng nach Ablaufplan gelaufen, dann hätte Liminski im weiteren Verlauf den Preis für das Studio des Jahres an Keen Games überreicht – und damit Trophäe Nummer 4 für die Enshrouded-Macher an diesem Abend, inklusive dem ‚Besten Deutschen Spiel‘. Das Management des Frankfurter Studios hatte zurecht antizipiert, dass es sich lohnen könnte, eigens einen Reisebus zu chartern und mit der Hälfte der 60köpfigen Belegschaft aus Hessen anzureisen. Also eine Art Klassenausflug, der in einem klasse Ausflug endete.
„Völlig verdient“ – so lautete der Smalltalk-Tenor entlang der After-Show-Party. Denn das ausgezeichnete Multiplayer-Action-Survival-Rollenspiel Enshrouded ist eine Art Blaupause für jene Games, von denen es immer noch deutlich zu wenige im Land gibt – international vorzeigbare Produktqualität, gebaut von großen Teams mit einem Mix aus abgeklärter Seniorität und Nachwuchs-Kräften, stabil wachsend, mit klarem Fokus und gutem Händchen für Genre und Timing.
Nicht zum ersten Mal. Immer Glück ist Können.
Dabei ist Enshrouded noch gar nicht ‚fertig‘, denn das Spiel befindet sich seit fast einem Jahr im Early-Access-Modus auf Steam. Das hat mehr als drei Millionen Fans nicht davon abgehalten, bis zu 30 € in die Hand zu nehmen und das Keen-Team bei dieser Reise zu begleiten. Eine Reise, die gerade erst begonnen hat und die auch der Steuerzahler mitfinanziert: Zwei Millionen Euro hat das Wirtschaftsministerium im September 2021 zugesagt – damals noch unter dem Codenamen Game 38.
Wer nach Gründen sucht, warum der Staat auch künftig die Entwicklung von Videospielen subventionieren sollte, findet sie in Produktionen wie Enshrouded.
Oder auch in Closer the Distance von Osmotic Studios: Das Indie-Team kehrt mit drei Trophäen nach Hamburg zurück – darunter die Preise für Story und Audiodesign plus den Innovationspreis. Man konnte spüren, wie viel den Ausgezeichneten dieser one moment in time bedeutet. Ein Moment, der möglicherweise in der kommenden Woche noch bei den The Game Awards in Los Angeles noch getoppt wird: Closer the Distance ist beim Spiele-Oscar in der Kategorie ‚Games for Impact‘ nominiert – Daumen sind gedrückt.
Überhaupt hat sich die zweistündige Entwicklerpreis-Show dramaturgisch deutlich weiterentwickelt: Denn die jeweils Nominierten verfolgten das Geschehen in einer Lounge im hinteren Teil des Saals. Während die Jury-Begründung für den Sieger-Titel verlesen wurde, zoomte die Kamera auf die Kandidaten, denen man live bei einer emotionalen Achterbahnfahrt zugucken konnte, weil entlang der Indizien und Stichworte immer klarer wurde, welches Spiel gewonnen hat. Zusammengepresste Lippen, ein wissendes Lächeln, verstohlene Blicke, einschießendes Pipi in den Äuglein, High-Five, Umarmungen. Wunderschön. Im Anschluss folgte ein Triumph-Marsch mitten durch den Saal auf die Bühne, unter dem Beifall der versammelten Branche – schöner kann man so einen solchen Augenblick kaum inszenieren.
Dazu beigetragen hat auch die neue Location, nämlich der weihnachtlich geschmückte Kölner Gürzenich – also dort, wo während der Rosenmontags-Prunksitzungen die Höhner, Kassalla und Paveier musizieren und zwischendurch das Funkenmariechen über die Bühne rotiert, während das Kölner Dreigestirn unter rhythmischem Klatschen einmarschiert. „Einmal Prinz zu sein …“
Wer un-un-unbedingt kritteln will, muss schon fast die unterdimensionierten und daher vorzeitig leergeräumten Veggie-Currywurst-Auslagen anführen. Oder die Jury-Besetzung, die eine latente Schlagseite in Richtung ‚alter Industrie‘ aufweist (der Mobile-Sektor ist zum Beispiel krass unterrepräsentiert). Oder das Show-Konzept, das mit dem Sparring zwischen einem unfassbar empathisch moderierenden Daniel Budiman und der „KI-Stimme“ Lynne Glaner die Vorjahres-Idee nahezu 1:1 auftrug. Sehr gerne hätte man auch erfahren, was Kathrin Radtke für den Entwicklerinnen-Förderpreis qualifiziert – an Argumenten mangelt es ja nicht.
Aber das sind Petitessen an einem Abend, den das Team des Standort-Netzwerks Games NRW mit erkennbarer Akribie viele Monate vorbereitet hat – inklusive Jury-Koordination, Sponsoren-Akquise, Dekoration, Logistik, Bühnen-Technik, Catering. Gereicht wurden unter anderem glacierte Ente an Orangen-Ingwer-Jus, argentinisches Roastbeef und ein göttlicher Apfelstrudel. Attendez la crème …
Und auch, wenn der seit 2004 verliehene Entwicklerpreis im Unterschied zum amtlichen Deutschen Computerspielpreis traditionell eher nach innen wirkt (‚Aus der Branche für die Branche‘), so ist auch diesmal zu konstatieren, dass Nominierte und Preisträger außerhalb der Bubble Beachtung finden – etwa bei überregionalen Zeitungen, Nachrichten-Portalen, im Radio. Dieses Scheinwerferlicht ist extrem wertvoll und wichtig – für die Studios selbst, aber auch für die Politik vor Ort.
Denn klar ist auch: Ohne die tatkräftige Unterstützung von Land und Stadt wären Formate wie der Entwicklerpreis nicht möglich. Das muss man auch der Stadt Köln sowie der NRW-Landesregierung rund um ‚Games-Minister‘ Liminski zugute halten, der nicht müde wird, die Wertschätzung für die Branche ins Schaufenster zu stellen. Geld ist das eine – doch fast noch wichtiger ist glaubwürdiges und vor allem nachhaltiges Commitment, das nicht beim nächstbesten Haushaltsloch kollabiert.
Allen Gewinnerinnen und Gewinnern des Deutschen Entwicklerpreis 2024 ganz herzlichen Glückwunsch – und den Ausrichtern ein großes Kompliment für einen zauberhaften Abend.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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