Start Meinung So wird die Gamescom 2024 (Fröhlich am Freitag)

So wird die Gamescom 2024 (Fröhlich am Freitag)

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Der Countdown läuft: Am 21. August startet der Messebetrieb der Gamescom 2024 (Foto: GamesWirtschaft)
Der Countdown läuft: Am 21. August startet der Messebetrieb der Gamescom 2024 (Foto: GamesWirtschaft)

Keighley, Kölsch, Konsolen: Heute in drei Wochen ist die Gamescom 2024 bereits in vollem Gange. Was ist von der Messe zu erwarten?

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrte GamesWirtschaft-Leser,

die Gamescom mag sich seit 2009 in vielerlei Hinsicht verändert, um nicht zu sagen: weiterentwickelt haben. An einigen Konstanten wird jedoch nicht gerüttelt. So bleiben die Kölner Beherbergungsbetriebe weiterhin konsequent der Profitmaximierung verpflichtet. Zumindest deutet darauf die deftige Abbuchung hin, die ‚mein‘ Gamescom-Hotel vor kurzem vorgenommen hat – 11 Monate nach Reservierung.

An anderer Stelle wird sich die Spiele-Messe ab dem 21. August etwas anders anfühlen als in den Post-Lockdown-Jahren 2022 und 2023, denn die Veranstalter haben an einigen Schräubchen gedreht, die sich unter dem Stichwort ‚Aufenthaltsqualität‘ subsumieren lassen. Wer jemals am Messe-Donnerstag oder -Freitag aus freien Stücken den Fachbesucher-Bereich verlassen hat und von einer wogenden Menschenmasse durch oder in den Messe-Boulevard gespült wurde, wird zustimmen: Es gibt Luft nach oben, mindestens bei Besucherführung und Wo-bin-ich-und-warum-Beschilderung.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Unter dem frischen Eindruck der Gamescom 2023 hat Ihr Lieblings-Branchenmagazin direkt im Anschluss ganz konkrete Vorschläge von Besuchern und Ausstellern eingesammelt, wie sich die Veranstaltung verbessern ließe. Und siehe da – die eine oder andere Anregung wird tatsächlich Berücksichtigung finden, wie aus Köln und von Messebauern zu hören ist (Stichwort Barrierefreiheit). Dass alle Wünsche erfüllt werden, war ehrlicherweise nicht zu erwarten – mit der Parkplatz- und Verpflegungs-Abzocke wird man als gewöhnlicher Besucher weiterhin leben müssen. Alles wird teurer, was soll man machen.

An anderer Stelle wird nachgesteuert und optimiert:

  • So werden zum Beispiel die Influencer samt Publikum in ein eigenes ‚Biotop‘ in Halle 11 ausquartiert – auch mit dem Ziel, den irren Durchgangsverkehr und die Nadelöhr-Situationen des Vorjahres zu vermeiden.
  • Zugunsten von Bühnenshows und ‚Aktivierungen‘ war die Zahl der Anspielgelegenheiten stetig rückläufig. Was für eine Messe, die Gamescom heißt, kein guter Trend ist. Diesmal dürfen die Verbraucher vermutlich wieder öfter zum Gamepad greifen. Zumindest deuten darauf die Standpläne hin, die ich bislang einsehen konnte. Die gute alte Spielstation feiert eine – wenn auch kleine – Renaissance. Microsoft baut 240 Terminals, Ubisoft 100, Electronic Arts 50 (Vorjahr: null).
  • Vermehrt wird es ‚Spectator Areas‘ geben – also Tribünen, die Anderen-beim-Spielen-Zugucken ermöglichen, ohne dafür lange Wartezeiten in Kauf zu nehmen (auch das ein Eintrag auf unserer Wunschliste).
  • Der Vor-Ort-Fanartikel-Verkauf ist neuerdings außerhalb der Merchandise Area serienmäßig zulässig – wovon unter anderem Microsoft, HoyoVerse und Ubisoft Gebrauch machen.
  • und so weiter

Bleibt die Frage: Wird die Gamescom 2024 ihrem Anspruch als weltweit führendes Format gerecht werden (können)?

Klar dafür spricht die Hallen-Auslastung und die Internationalität: Die Gamescom wird gerade im asiatischen Raum als ‚Tor in den Westen‘ wahrgenommen, erst recht nach dem Wegfall der E3 in Los Angeles.

Diesen Wandel in der Games-Industrie wird man im Publikumsbereich besichtigen können, wo es ja einst eher ‚westliche‘ Marken plus die Japaner waren, die die Gamescom groß gemacht haben – buchstäblich. Das hat sich verändert, denn die Hallen werden mehr denn je von Online- und Mobile-Games-Riesen aus China, Südkorea und ‚Emerging Markets‘ geprägt – Krafton, HoyoVerse, Pearl Abyss, Tencent Games (Level Infinite), Nexon, NetEase, unter anderem. Der Auftritt des saudischen Videospiele-Freizeitparks Qiddiya Gaming ist so groß wie die Messestände der Gamescom-Rückkehrer Electronic Arts und Take-Two zusammen – weißte Bescheid.

Mehr als bitter ist natürlich der Umstand, dass Nintendo und Sony PlayStation unentschuldigt fehlen – ebenso wie Roblox, Twitch, Apple oder Google (inklusive YouTube). Dadurch findet die Weltleitmesse ohne einige ihrer Weltmarktführer statt. Das ist so, als müsste die IAA ohne Volkswagen und Toyota klar kommen. Immerhin ist Microsoft Xbox da – und wie. Der US-Konzern belegt die Hälfte der Halle 7. Klotzen, nicht kleckern. Muss er auch.

Apropos Klotz: LEGO ist in Köln dabei – mit einem vergleichsweise üppigen 400-Quadratmeter-Stand. Solche Nicht-Gaming-Marken (die Non-Endemics) suchen dringend die Nähe der Gamer – mit unterschiedlicher Herangehensweise, unterschiedlichem Commitment, unterschiedlichem Gespür und daraus resultierend: unterschiedlichem Erfolg.

Wie erfolgreich, zeigt sich regelmäßig am Gamescom-Budget fürs Folgejahr. So hatte Netflix anno 2023 noch aufwändige Serien-Kulissen zu Stranger Things, Squid Game oder The Witcher in Halle 9 aufgebaut. In diesem Jahr ist der Streaming-Dienst erst gar nicht am Start. Gleiches Bild bei der BMW-Sparte Mini, bei ALDI und bei Disney+ – TikTok zieht sich in die Halle 10 zurück, Meta gastiert nur im Fachbesucher-Bereich. Stattdessen trommelt Porsche vergleichsweise laut für den Elektro-Macan und kooperiert zu diesem Zweck mit Blizzard Entertainment.

Und wie steht’s um Games aus Germany? Wer Spiele aus heimischer Produktion sehen will, muss sehr genau im Aussteller-Katalog hingucken. Wenn ich richtig gezählt habe, sind von den 50 größten Spiele-Entwicklern des Landes keine fünf in der Entertainment Area mit ihren Produkten vertreten – Weltenbauer (Bau-Simulator) zum Beispiel oder Aesir Interactive (Police Simulator) oder Grimlore Studios (Titan Quest 2). Am ehesten fündig wird man bei kleinen und mittelgroßen Studios und Publishern in der Indie Area, wo Vizekanzler Habeck die (mittlerweile reifen) Früchte der Bundes-Games-Förderung in Augenschein nehmen kann. In der Business Area ist die Branche natürlich nahezu vollzählig am Start.

Ein echter ‚talk of town‘ ist bislang noch nicht in Sicht – also ein Impuls, der dem etwas orientierungslos wirkenden Videospiele-Gewerbe frischen Schwung verschaffen könnte. Virtual Reality, Multiverse, E-Sport, Cloud, Künstliche Intelligenz – alles irgendwie irgendwo präsent, sicher, aber gerade die aktuelle Berichtssaison zeigt, dass es vielfach noch an tragfähigen Geschäftsmodellen mangelt.

Und welche Entwicklungen haben die Veranstalter selbst ausgemacht? Einer von zwei amtlichen Gamescom-Trends lautet heuer: „Spiele schützen die Demokratie“. Eine steile These, die mich zugestandenermaßen immer noch etwas ratlos zurück lässt. Solange ich mir dazu noch keine abschließende Meinung gebildet habe, verlasse ich mich bis auf Weiteres eher auf das Bundesverfassungsgericht als auf Candy Crush Saga.

In Summe also gute Voraussetzungen, um sich in drei Wochen positiv überraschen zu lassen. Alle Informationen rund um die Gamescom 2024 (auch jene, die Sie nicht auf den offiziellen Kanälen finden) haben wir wie gewohnt auf GamesWirtschaft aufbereitet.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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2 Kommentare

  1. Nachtrag:

    Es gibt natürlich massig japanische Firmen, die extrem viel im Bereich Gaming definiert haben. Capcom, Konami, square(enix) etc um ein paar Große zu nennen. Habe mich oben etwas ungünstig ausgedrückt.

    Nur leider kommt von den japanischen Entwicklern fast nur noch Futter in Form von Rollenspielen.

    Konami liefert mit den Remakes zu silent hill und metal gear solid endlich mal wieder etwas anderes als das x-te japanischen Rollenspiel…. ansonsten sieht es mau aus.

    Hier hätte nintendo noch etwas Abhilfe schaffen können ebenso Sony, die sich eigentlich als japanische Firma definiert haben, bevor der Schwenk zu westlichen third Person Spielen stattfand

    Es wird spannend zu beobachten, wie sich die Branche entwickelt, viel Hoffnung habe ich aber nicht bezüglich einer „Besserung“ – egal ob es um die Nähe zum Kunden/Spieler oder die Vielfalt innerhalb des Portfolios geht

    Lg

  2. Schön geschrieben und etwas beängstigend, was aus der gamescom geworden ist. Gerade die Tatsache, dass einige der grossen die Gaming repräsentieren, nicht vertreten sind ist unnschvollziehbar. Dafür massig handy klimbim, online games… halt die chinesischen + koreanischen Firmen, die anscheinend motivierter und schlauer als die westlichen alteingesessenen Firmen (die gaming über Jahrzehnte definiert haben) sind.

    Es wirkt einfach extrem nach Masse statt Klasse und als Privatbesucher stellt sich immer öfter die Frage:“Warum noch zur gamescom“?

    Die Präsentationen hat sich keighley unter den Nagel gerissen, danach kleckern noch einzelne Interviews und gameplay clips aus dem Netz, zahlen und alles wirtschaftliche kann ich gameswirtschaft lesen …

    Ob sich der Besuch mit allen Kosten bei solch einer „Messe“ noch lohnt muss sich da jeder selber fragen

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