Start Meinung Geoff Keighley: Der Unentbehrliche (Fröhlich am Freitag)

Geoff Keighley: Der Unentbehrliche (Fröhlich am Freitag)

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Geoff Keighley produziert und moderiert Gamescom Opening Night Live (Foto: Koelnmesse / Marvin Ruppert)
Geoff Keighley produziert und moderiert Gamescom Opening Night Live (Foto: Koelnmesse / Marvin Ruppert)

Er produziert, er inszeniert, er moderiert: Generalstabsmäßig zementiert Geoff Keighley seine einzigartige Rolle in der Games-Industrie.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

es ist nicht überliefert, welche Gedanken Geoff Keighley am vergangenen Dienstag durch den Kopf schossen, als der US-Branchenverband ESA ganz offiziell das ruhmlose Aus für die einst ruhmreiche Electronic Entertainment Expo (kurz: E3) verkündete.

An diesem Tag x-te Keighley alles Mögliche an seine 1,5 Millionen Follower – nur halt nix zur seit 1995 ausgerichteten Weltleitmesse, deren Niedergang teilweise auf sein Konto geht. Zumindest lassen darauf die nur halb-ironisch gemeinten Social-Media-Glückwünsche an seine Adresse schließen.

Denn zur Wahrheit gehört natürlich: Das rein digitale Summer Game Fest im E3-Zeitraum hat einen nicht völlig kleinen Anteil daran, dass sich das einstige Videospiele-Hochamt als nicht überlebensfähig erwiesen hat. Einfach dadurch, indem der 44jährige Kanadier mit seinem Team eine ungleich kostengünstigere und damit auch effizientere Alternative auf die Beine gestellt hat. Besonders clever: Durch die optische Klammer eines Online-Festivals wirkte es zuweilen so, als ob die Neuheiten-Shows von Ubisoft, Microsoft, Capcom oder Electronic Arts eigens dafür produziert würden.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Ihm blute natürlich das Herz, logo, aber:Die E3 hat sich in gewisser Weise selbst gekillt“, analysierte Keighley im Frühjahr, als die E3 2023 abgesagt wurde. Er könne nachvollziehen, wenn manche sagen, das Summer Game Fest habe die E3 auf dem Gewissen. Tatsächlich sei das Format erst entstanden, als sich absehen ließ, dass die E3 an die Wand fährt.

Mit dieser These hat er sicher Recht (mehr dazu in dieser Kolumne vom März). Denn der US-Verband sah sich ungeachtet finanzstarker Mitglieder außerstande, Formate mit vergleichbarer Strahlkraft zu entwickeln. Das ist natürlich auch eine Nicht-Leistung für sich.

In den Vereinigten Staaten – dem größten Videospiele-Markt der Welt – ist somit nicht gelungen, was in Deutschland geklappt hat: Hier kontrolliert der Industrie-Verband Game die Marken Gamescom und Devcom und fungiert weiterhin als Co-Gastgeber des amtlichen Deutschen Computerspielpreises – dessen Preisgeld stiftet indes in voller Höhe der Steuerzahler, der außerdem für die Kosten der Preisverleihung und das „Award-Büro“ bei der verbandseigenen Stiftung aufkommt.

Die Meldung von der endgültigen E3-Einmottung erfolgten nur wenige Tage nach den The Game Awards 2023 in Los Angeles, die nach Veranstalterangaben mehr als 118 Millionen Abrufe generierten – vor zwei Jahren waren es noch 85 Millionen, 2022 schon über 100 Millionen. Ein Faktor: Mehr als 17.000 Kanäle übertrugen die diesjährige Show live, davon alleine 14.000 auf Twitch.

Wenn die Washington Post deine Preisverleihung schon 2019 als „the Oscars for Gaming“ adelt und ein Warner-Manager dein Event als Branchen-Äkquivalent zum Super Bowl einordnet, weißt du: Mehr geht kaum.

Seitdem sind Relevanz und Reichweite deutlich angewachsen: The Game Awards sind eine gut geölte, perfekt inszenierte Marketing-Maschine, mehr denn je. Offiziell soll die dreistündige Trophäen-Kaskade (Aufzeichnung) die Leistungen der Videospiele-Entwickler feiern – de facto ist es natürlich in erster Linie ein Geschäftsmodell. Denn der Kitt, der die Dankesreden zusammenhält, sind Trailer zu kommenden Videospielen sowie Erweiterungen, verlängert um klassische Werbeplatzierungen.

Die Spielehersteller spielen mit und greifen den Aufhänger dankbar auf: In den Tagen nach der The Game Awards-Show quillte das Redaktions-Postfach förmlich über – die einen freuten sich über Auszeichnungen, die anderen verwiesen auf Neuheiten, die sie während der Show angekündigt hatten. Gemeinsamer Nenner: The Game Awards – und eben dessen Schöpfer, dem omnipräsenten Günther Jauch der Videospiele-Industrie.

Keighley ist eigentlich gelernter Journalist, doch dieses Gewerbe hat er spätestens als Dienstleister für Microsoft, Sony & Co. verlassen. Er ist somit fester Bestandteil des industriellen Establishments, der um seine Reichweite weiß – als verlängerte Werkbank von PR- und Marketing-Abteilungen.

Dazu genügt ein Blick in den „Beirat“ der The Game Awards. Dort sitzen die Mächtigen der Branche: Xbox-Boss Phil Spencer, Ubisoft-Gründer Yves Guillemot, AMD-CEO Lisa Su, EA-Top-Managerin Laura Miele, Nintendo-President Doug Bowser, dazu Vertreter von Sony PlayStation, Valve, Riot Games, Rockstar Games, Tencent. Und natürlich Kumpel Hideo Kojima, ohne den kaum eine Keighley-Produktion auskommt.

Keighley hat sich damit unentbehrlich gemacht. Das kann man ihm schwerlich zum Vorwurf machen, denn er hat sein Event-Imperium über Jahre auf- und ausgebaut, auf eigenes Risiko und auf eigenen Deckel.

Auch die Kölner Gamescom hat sich inzwischen in maximale Abhängigkeit von Keighley begeben – denn ohne dessen Connections ließe sich kaum eine abendfüllende Eröffnungs-Show bestreiten: mit Führungskräften, mit Hollywood-Personal, mit großen Entwickler-Namen, mit international relevanten Produkten.

Auch die Gamescom 2024 wird mit einer Ausgabe von Gamescom: Opening Night Live starten, wie schon 2019, 2020, 2021, 2022 und 2023. Produzent: Geoff Keighley. Moderator: Geoff Keighley. Head of Everything: Geoff Keighley.

Games-Messe und Games-Show bilden somit eine untrennbare Symbiose. Wer in der 120-Minuten-Show stattfinden soll, muss offizieller Gamescom-Partner sein und einen mindestens 100 Quadratmeter großen Endverbraucher-Stand betreiben (oder für eine gleichwertige ‚Aktivierung‘ auf dem Gelände sorgen). Alternativ sind klassische Sponsorings möglich – für einen Zwei-Minüter wird ein Listenpreis von einer Viertelmillion Euro aufgerufen.

Egal ob The Game Awards, Summer Game Fest oder Opening Night Live: Weit und breit ist niemand in Sicht, der ein solches Gesamtpaket küchenfertig abliefern und für den nötigen Glanz in der Hütte sorgen kann.

Natürlich ist nichts und niemand alternativlos – aber Keighley, der Unentbehrliche, ist mittlerweile verdammt nah dran.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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1 Kommentar

  1. Eigentlich sollte die Branche sich nicht von so einem Doritos Influencer abhängig machen. Andere Plattformen hätten genug Potential um eigene Preisverleihungen auf einem seriösen Level abzuhalten.
    Keighley ist eine nahezu lächerliche One-Man-Show und würde die Fachpresse, ganz einfach, nicht über ihn und seine Show berichten, dann hätte er auch weniger Zuschauer.
    Damit könnte man doch mal anfangen…

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