Start Meinung GTA 6: Believe the Hype (Fröhlich am Freitag)

GTA 6: Believe the Hype (Fröhlich am Freitag)

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Die Protagonisten von GTA 6: Lucia und Jason (Szene aus dem Trailer - Abbildung: Rockstar Games)
Die Protagonisten von GTA 6: Lucia und Jason (Szene aus dem Trailer - Abbildung: Rockstar Games)

Hypes sollte man grundsätzlich mit gesunder Skepsis begegnen. Doch mit Blick auf Grand Theft Auto VI (GTA 6) hat sich Rockstar Games einen Vertrauensvorschuss verdient.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
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„Trust?“ fragt Lucia in Minute 1:13. Ihre Mimik lässt keinen Zweifel: Es ist ihr in diesem Moment bitter-ernst. Jason blickt ihr fest in die Augen und erwidert ebenso entschlossen: „Trust.“

Eine Millisekunde später stürmt das schwerkriminelle Duo tarantinoesk einen Laden – maskiert und mit gezückter Knarre. Tom Petty lässt im Hintergrund noch einmal die Klampfe aufheulen. Eine neonfarbene „VI“ baut sich auf, darüber schiebt sich das markante „Grand Theft Auto“-Logo und der Hinweis „Coming 2025“, perfekt abgestimmt zur Songzeile „Oh, it’s a long long road …“. Von jetzt an nur noch eineinhalb, vielleicht auch zwei oder drei Jahre, wer weiß das schon.

Trailer? Könn’se, die Rockstars.

Mehr als 120 Mio. Mal wurde der erste Werbespot zu Grand Theft Auto VI (GTA 6) seit Dienstag allein via YouTube abgerufen. Bedingt überraschend hat der Eineinhalbminüter damit gleich mehrere amtliche Guinness-Rekorde aus dem Weg geräumt. Das hat sich auch abseits der Kernzielgruppe herumgesprochen. Wenn eine Spiele-Ankündigung vier Minuten lang in den ARD-Tagesthemen geadelt wird, ahnt selbst der Laie: Es könnte sich um ein relevantes Produkt handeln – bestenfalls zu vergleichen mit neuen Apple-Produktlinien oder einem Taylor-Swift-Album.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
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Die Schlusszene („Trust?“„Trust“) ist erkennbar nicht zufällig gewählt. Das Werben um Vertrauen – also die Zuversicht, dass schon alles gut, ach was: megakrass wird – ist aus meiner Sicht die wesentliche Botschaft des GTA 6-Trailers. Und zwar in Richtung …

  • … der Spieler, die sich in den kommenden Monaten an diesen 1:30 festklammern werden wie ein Schiffsbrüchiger an eine Holzplanke. Denn zwischen Trailer 1 und Trailer 2 vergeht bei Rockstar Games gerne mal ein Jährchen. Wiedervorlage: Advent 2024.
  • … der Medien, also Influencer plus Fachpresse, die das Thema GTA 6 ab sofort rauf- und runterspielen werden.
  • … der mutmaßlich vierstelligen Zahl an GTA-Entwicklern rund um den Globus, denen man für die entbehrungsreichen Monate Richtung Launch-Day (und darüber hinaus) nur das Beste wünschen kann – in erster Linie Resilienz.
  • … und natürlich mit Blick auf Klein- und Großaktionäre, allen voran das saudische Königshaus, dem fast 7 Prozent an GTA-Publisher Take-Two Interactive gehören – flankiert von großen Vermögensverwaltern wie Vanguard, Blackrock und JP Morgan Chase.

Dem Kapitalmarkt dürfte die spielerische Güte ziemlich wumpe sein, solange die Kasse klingelt. Und nach Lage der Dinge wird dies auch bei diesem Rockstar-Spiel zuverlässig der Fall sein, wenngleich erst 2025 aufwärts. Erwartungsdruck mag vorhanden sein – Zeitdruck sicher nicht, denn GTA 5 und GTA Online werfen ja weiterhin stabile Renditen ab.

Der Grand Theft Auto 6-Hype hatte schon vor Veröffentlichung des Trailers groteske Züge angenommen (auch befeuert durch schlimme Leaks), ist aber durch die Freischaltung noch einmal eskaliert. Jeder einzelne Pixel wird seitdem sorgfältig seziert. Und weil man sich dieses Umstands bei Rockstar Games sehr bewusst ist, hat man das Video vorsichtshalber vollgepackt bis unters Dach mit absurden Details und Anspielungen, wie bei einem Wimmelbild.

Es gibt nicht allzu viele Spiele-Entwickler auf diesem Planeten, die einen ‚Hype‘ dieser Größenordnung auslösen können. Zu diesem illustren Zirkel zählt zum Beispiel CD Projekt Red – zumindest vor Cyberpunk 2077 und nach Phantom Liberty. Außerdem Sony-Studios wie Naughty Dog (The Last of Us, Uncharted) oder Santa Monica Studio (God of War) und die Superhelden-Beauftragten von Insomniac Games. Außerdem Nintendo – klar. Mit Einschränkungen: Blizzard Entertainment. Dann wird’s aber schon ziemlich dünn.

Zum GTA-Hype trägt außerdem bei, dass ein neues Grand Theft Auto eben noch seltener vorkommt als eine neue Konsolen-Generation. Wer zum geplanten Release 2025 die (offizielle) GTA 6-Altersempfehlung von voraussichtlich 18 Jahren gerade so erfüllt, wurde bei Veröffentlichung von GTA 5 gerade mal eingeschult.

Zum Phänomen Hype gehört natürlich auch immer die exakt entgegengesetzte Haltung – aus guten Gründen, denn außer jenen 90 Sekunden gibt es nun mal keine belastbare Grundlage, ob und was das Spiel kann. Das Zu- und Vertrauen der euphorisierten Fans stützt sich demzufolge auf eine richtig gute Zeit, die ihnen GTA 5 und überhaupt das GTA-Universum seit Jahrzehnten beschert. „Mehr davon – mit besserer Grafik“ würde den meisten vermutlich schon reichen.

Kurzum: Für den Hype gibt es belastbare Gründe. Es spricht absolut nichts dagegen, sich sehr heftig auf Grand Theft Auto VI zu freuen.

Was umgekehrt bedeutet: Take-Two-Mitbewerber werden die weitere Entwicklung von GTA 6 mit maximaler Aufmerksamkeit verfolgen. Zum Beispiel wäre es aus Ubisoft-Sicht ein kommerzielles Himmelfahrtskommando, würde man einen Open-World-Blockbuster wie Far Cry 7 im selben Quartal platzieren.

Doch für solche Planspiele ist es ohnehin noch zu früh – viel zu früh. Bis auf Weiteres lautet das Motto: Trust? Trust.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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