Start Meinung Der Ketchup-Effekt (Fröhlich am Freitag)

Der Ketchup-Effekt (Fröhlich am Freitag)

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Irre Blockbuster-Mengen überschwemmen den Markt (Abbildung: ähnllich)
Irre Blockbuster-Mengen überschwemmen den Markt (Abbildung: ähnllich)

Unglaubliche Mengen unglaublich guter Blockbuster überschwemmen den Markt – gut fürs Publikum, mittelgut für jene, die mit bescheidenen Budgets um Aufmerksamkeit kämpfen.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrte GamesWirtschaft-Leser,

ein Fahrrad! Ein Pony! Das Barbie-Traumschloss! Und der LEGO-Sternenzerstörer – alles gleichzeitig unterm Weihnachtsbaum: So ungefähr muss sich das laufende Spielejahr für Konsolen- und PC-Spieler anfühlen, wenn sie eingangs des Jahres einen Wunschzettel beim Spiele-Weihnachtsmann hätten einreichen dürfen.

Denn ungefähr alle Gebete sind 2023 in Erfüllung gegangen – plus ein paar (positive) Überraschungen:

  • Analysten haben herausgefunden, dass 30 PC- und Konsolen-Neuheiten einen 90er-Schnitt auf der Wertungsplattform Metacritic aufweisen – was als Einzelereignis schon bemerkenswert ist, in dieser Masse umso mehr. Kein Wunder also, dass von einem der besten Games-Jahrgänge der 2000er-Jahre die Rede ist. Wo es dann auch keine Rolle mehr spielt, ob nun Marvel’s Spider-Man 2, The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom oder Baldur’s Gate 3 bei den anstehenden ‚Spiel des Jahres‘-Abstimmungen abräumt.
  • Diablo 4, Starfield, Hogwarts Legacy, Super Mario Bros. Wonder, Alan Wake 2, dazu Cyberpunk 2077: Phantom Liberty: Dass so viele Blockbuster im Jahr 2023 eskalieren, hat auch – aber nicht nur – mit der Pandemie zu tun, die zu einer Reihe von Verschiebungen geführt hat. Wie bei einer Ketchup-Flasche, wo sich lange Zeit wenig bis gar nix tut – und dann ein gefühlter Tomaten-Chiemsee auf die Pommes schwappt.
  • Selbst abseits des Gamepads sind Videospiele omnipräsent: Wie von den (meisten) GamesWirtschaftsWeisen gewohnt präzise vorhergesagt, hat sich der Super-Mario-Bros.-Film komfortabel in den Kinobesucher-Top-10 platziert. Und die HBO-Serie The Last of Us kam vor allem deshalb so hervorragend an, weil sie die Tonalität der PlayStation-Spiele perfekt trifft.
  • Messen, Konferenzen und Festivals sind gut gebucht und gut besucht, von der Polaris Convention über Game City Wien bis hin zur Gamescom.
Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Alles in Butter? Von wegen. Wer die Nachrichtenlage tagtäglich verfolgt, weiß das. Denn Spitzen-Wertungen, Spitzen-Verkaufszahlen und Spitzen-Umsätze ‚matchen‘ auf eine perfide Weise ganz hervorragend mit Stellenstreichungen und kollabierenden Aktienkursen. In jedem Fall schließen sie sich nicht aus, wie die Meldungen der vergangenen Monate zeigen.

Das Motto der Stunde: Geld zusammenhalten, Unternehmen winterfest machen. Diese Kostendisziplin und Verunsicherung bei den Konzernen und Holdings schlägt zwangsläufig auch auf die Töchter im deutschsprachigen Raum durch – wovon all jene ein Lied singen können, die derzeit auf der Suche sind nach Anschlussfinanzierungen und Publishern. Denn in Zeiten der Ungewissheit setzen in der Spiele-Branche ähnliche Mechanismen ein wie in anderen Industrien auch: Die Risikofreudigkeit sinkt, Etats werden gekürzt, Stellen nicht nachbesetzt.

Im Ergebnis könnte die Gleichzeitigkeit himmelhochjauchzender und betrüblicher Ereignisse dazu führen, dass …

  • … mit Games, Konsolen und Zubehör auf Jahressicht zwar erstmals ein zweistelliger Milliarden-Umsatz in Deutschland erzielt wird. Gab’s noch nie.
  • … der außergewöhnlich hohe Anteil internationale Blockbuster aber die Marktanteile deutscher Studios noch weiter nach unten drückt. Die letzte Zahl von um die 4 Prozent stammt aus dem Jahr 2021. Heißt: 96 Prozent des Games-Marktes ist Import-Ware, minimum.

Die dritte Bundesregierung in Folge ist angetreten, diesen Zustand zu lindern. Doch die vorhandenen Budgets des Wirtschaftsministeriums sind seit Monaten entweder verbraucht oder verplant. Flasche leer, quasi. Da hilft auch kein Schütteln und kein Klopfen.

Ob Habecks leere Schatulle noch einmal nachgefüllt wird, wissen wir in exakt zwei Wochen. Eine seriöse Prognose ist kaum möglich: Alles kann, nichts muss. Sollten weitere Subventionen ausbleiben, besteht eine reale Gefahr, dass viele der hiesigen Publisher und Studios mit erheblich weniger Budget, weniger Zuversicht und ja: auch weniger Personal in die neue Saison gehen (müssen).

In diesen trüben Novembertagen entscheidet sich also, wie die Bescherung für die Branche ausfällt – kratziger Wollpullover oder doch der ersehnte Sternenzerstörer?

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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2 Kommentare

  1. Streicht doch einfach die Weihnachtsboni für Vorstände und steckt das Geld lieber in eure Mitarbeiter, diejenigen, die sich tagtäglich dafür aufopfern damit ihr Milliardengewinne einfahren könnt!

    Wenn man lange vergisst das Kaninchen zu füttern dann stimmt nicht nur etwas mit Hasi nicht sondern es wird untern Weihnachtsbaum nur eins liegen und zwar der stinkende, verrotende Kadaver dessen was einmal „die deutsche Gamesbranche“ sein sollte …

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