Beim Facebook-Konzern Meta brennt die Hütte – auch deshalb, weil das Metaverse nicht recht zündet. Was, wenn Zuckerberg falsch liegt?
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
bis zu 2.000 Grad entstehen beim Abbrennen von Handfackeln, landläufig auch Bengalos genannt. Das Ergebnis ist ein intensives, grelles Licht, was an Silvester einfach nur hübsch aussieht und immer wieder samstags Fußballstadien einräuchert, auf hoher See oder im Gebirge aber auch Leben retten kann.
Der Nachteil: Die Fackel brennt zwar extrem hell und heiß, aber auch extrem kurz – nämlich maximal ein paar Minuten.
Womit wir beim Metaverse wären. Jenes Metaverse, das Meta-CEO Mark Zuckerberg gestern einige Milliarden Dollar ärmer gemacht hat, zumindest auf dem Papier. Denn die Firma, die einst Facebook hieß und durch die Umbenennung in Meta Platforms Inc. ein öffentliches Glaubensbekenntnis abgelegt hat, verbrennt schon jetzt enormes Geld beim Rumwurschteln an dieser Technologie – und 2023 noch viel mehr. Und das bislang ohne zählbares Ergebnis.
Natürlich ist Meta (die Firma) nicht das Metaverse – aber alle gucken eben drauf.
Um irre 25 Prozent ist die Meta-Aktie nach Bekanntgabe der Quartalszahlen abgeraucht – das Papier, das vor einem Jahr über 300 € wert war, kostete heute Morgen keine 100 € mehr. „Hat sich Mark Zuckerberg verzockt?“ raunte die Tagesschau.
Bei Zuckerbergs Anlegern wächst die Nervosität, dass sich die Dinge womöglich in eine völlig falsche Richtung entwickeln. Dass es womöglich überhaupt keinen Markt und/oder keine monetarisierbaren „use cases“ gibt für die Idee einer digitalen Verlängerung und/oder Verlagerung der schnöden Realität.
Eines der Hauptprobleme besteht nach meinem Eindruck weiterhin darin, dass komplett unterschiedliche, teils gegensätzliche Vorstellungen existieren, was dieses komische Metaversum eigentlich sein soll. Eine digitale Parallelwelt, die man gelegentlich aufsucht, um Skat zu kloppen, auf einem virtuellen Harry-Styles-Konzert rumzuhopsen oder seinen Avatar im digitalen Adidas-Shop einzukleiden? Oder eben das künftige Rückgrat des Internets, inklusive aller sozialen Kontakte und eigenem Bezahlsystem?
Ungefähr zwischen diesen beiden Extremen oszillieren die Definitionen.
Es fängt also schon mal damit, dass es sehr grundsätzlich an einem gemeinsamen Nenner fehlt, wo die Reise eigentlich hingehen soll. Mir nach, ich folge euch!
Wie zum Beweis hat der Digital-Verband Bitkom in dieser Woche wieder bunte Umfragen mit begrenztem Erkenntnisgewinn veröffentlicht. Denn analog zu Schlagworten wie „Soziale Gerechtigkeit“ oder „Schnelles Internet“ versteht jede/r Befragte etwas ganz Anderes darunter, was das Metaverse ist und was dort passieren soll. Alle backen sich sozusagen ihre eigene virtuelle Realität.
Laut einer sicher sehr repräsentativen Online-Umfrage des Game-Verbands haben vor einem Jahr hochgerechnete 35 Prozent aller Deutschen formuliert, dass sie das Metaversum „wahrscheinlich nutzen“ würden – wenn es sich etabliert hat (13 %) und wenn sie mehr darüber wissen (15 %). Motto: Ich weiß zwar nicht, wofür das gut sein soll und wann es los geht, aber ich bin auf jeden Fall dabei.
Dass Unternehmensberatungen ein weltweites Marktvolumen von mehreren hundert Milliarden € für Irgendwas-mit-Metaverse prognostizieren, sollte bitte niemanden irritieren – dafür sind es ja Berater. Und manchmal auch einfach nur Rater, die sich höchst ungern daran erinnern lassen, dass etwa ihre E-Sport-Prognosen einfach mal nicht eingetreten sind. Passiert.
Auf C-Level-Ebene, in Agenturen und in Marketing-Abteilungen wird jedenfalls schon mal eine Fear-of-missing-out-Furcht geschürt, sie könnten eine irrsinnig wichtige Entwicklung verpassen – bei der sich in allerspätestens fünf Jahren fragen lassen müssen: „Wo warst du eigentlich, als das Metaversum so richtig abgehoben ist?“
Wer das Metaverse ignoriert oder gar leise Zweifel formuliert, gilt im Diskurs schnell als Ungläubiger, der ein kleines bisschen zu doof ist, die Vision zu durchdringen – also das gleiche Verhaltensmuster wie beim Thema Kryptowährungen. Dabei ist genau das die Krux. Denn was sich irgendwann mal flächendeckend im Alltag durchsetzen soll (und nicht nur in elitären Clubhouse-Bubbles), muss selbsterklärend sein: Die Einstiegshürden – seien es Hardware, Preis oder Bedienung – sollten so niedrig wie irgend möglich sein.
In der nicht so virtuellen Realität ruft Meta demnächst 1.500 Dollar für das neue VR-Topmodell Meta Quest Pro auf – wer Virtual Reality auf der Konsole erleben will, landet inklusive PS5, PlayStation VR2-Headset und Kamera ebenfalls rasch im Vierstelligen. Das ist mal ein echtes Investment – und nicht zu vergleichen mit dem Kauf eines Edel-Smartphones, das quasi rund um die Uhr im Betrieb ist.
Das mag jetzt vielleicht überraschend kommen, aber ganz prinzipiell halte ich den Metaverse-Gedanken bei allen Fragezeichen tatsächlich für ziemlich schlau. Ich würde darauf tippen, dass es tatsächlich eine Sehnsucht nach Matrix-Scheinwelten gibt – wo sich Menschen gerne aufhalten, kommunizieren, konsumieren, spielen.
Warum? Wenn man sich anschaut, wie GTA Online, Roblox, Minecraft, World of Warcraft, Fortnite, ja selbst in Ehren ergraute Browsergames funktionieren, dann lässt sich dieses Sei-was-und-wie-du-willst-Prinzip gedanklich leicht fortschreiben. Sobald sich „Bewohner“ wohl fühlen und stetig mit frischem Inhalt gefüttert werden, lässt sich sowas natürlich auch ganz wunderbar monetarisieren.
Und wenn die Games-Industrie etwas richtig gut kann, dann der Bau und Betrieb solcher Online-Welten – wo sich Hunderte, ach was: Tausende gleichzeitig (und freiwillig) auf einem Spielfeld oder auf dem Server aufhalten und in Echtzeit miteinander agieren.
In dieser Branche sind also schon alle Zutaten wie bei einem Mise en Place angerichtet, um sie zusammenzurühren – 3D-Engines, Multiplayer-Komponenten, In-Game-Kommunikation, Cloud-Server und ein tiefes Verständnis dafür, wie Communities zusammengehalten werden und wofür Kunden (Spiel-)Geld ausgeben.
Das gelernte Geschäftsmodell von Meta-Feldern wie Facebook und Instagram funktioniert hingegen immer noch wie in Zeitungsverlagen des letzten Jahrtausends: „Wir haben die Reichweite – bitte schaltet dringend Anzeigen.“
Deshalb wirken viele Metaverse-Ansätze ja auch so verkopft, weil sie – analog zu Google Stadia – sehr offenkundig von der Technik und vom Sales her gedacht werden, aber nicht vom Content. Ich würde daher unterstellen, dass das Metaverse (wie immer es aussieht) nicht auf dem Reißbrett eines Tech-Konzerns entsteht, sondern sich eher iterativ aus dem Games-Umfeld heraus entwickelt – sei es bei Rockstar, Blizzard, EA, Microsoft, Ubisoft, Epic Games oder einem smarten Startup.
Bis es soweit ist, werden noch Jahre vergehen. Revolutionen dauern bekanntlich (viel) länger, passieren (viel) später oder treten (viel) unerwarteter ein. Irgendwann wird jemand ums Eck kommen, der die Sache mit dem Metaverse von Anfang an richtig denkt und aufzieht – ein Produkt, das nicht nur kurzzeitig Rauch erzeugt, sondern lange brennt. Und es stammt vermutlich nicht von Meta.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
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Moin Moin,
was genau ist folgendem Abschnitt gemeint:
„Dass Unternehmensberatungen ein weltweites Marktvolumen von mehreren hundert Milliarden € für Irgendwas-mit-Metaverse prognostizieren, sollte bitte niemanden irritieren – dafür sind es ja Berater. Und manchmal auch einfach nur Rater, die sich höchst ungern daran erinnern lassen, dass etwa ihre E-Sport-Prognosen einfach mal nicht eingetreten sind. Passiert.“
Kann mir vielleicht jemand weiterführende Texte dazu geben, welche E-Sport Prognosen nicht eingetroffen sind?
Mit Second Life gibt es schon seit fast zwanzig Jahren eine virtuelle Realität, in der man Events besuchen kann und Gegenstände erwerben kann. Also in etwa das, was jetzt Metaverse heißt…
Es ist schon richtig, dass etablierte Spielefirmen darin erprobt sind diverse virtuelle Welten zu bauen und auch technologisch ein echtes Brett darstellen. Das heißt aber noch lange nicht, dass Facebook/Meta das hinbekommen. Wer noch nie gute Spiele produziert hat sondern tatsächlich ausschließlich Geld mit Werbung verdient, der Denkt auch eher in Monetarisierung anstatt in User Experience.
Prinzipiell ist das alles eine gute Idee, aus einem spielerischen Aspekt vor allem ala Sword Art Online eine virtuelle Spielwelt zu haben in der man sich sozial Austauschen und Abenteuer erleben kann lässt so manchem Gamer das Herz mit Sicherheit höher schlagen
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