Start Meinung Gehalts-Debatte: Lohn oder Hohn? (Fröhlich am Freitag)

Gehalts-Debatte: Lohn oder Hohn? (Fröhlich am Freitag)

0
Auch in der Games-Industrie werden Gehälter gehütet wie Staatsgeheimnisse.
Auch in der Games-Industrie werden Gehälter gehütet wie Staatsgeheimnisse.

Wie steht es eigentlich um die Bezahlung deutscher Games-Studios? InnoGames nennt konkrete Zahlen – natürlich nicht ganz uneigennützig.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

da hat InnoGames die Branche ja mal schön kalt erwischt: Mit der Veröffentlichung der konkreten Gehaltsspannen für die Karrierestufen in neun Gewerken – Programmierung, Marketing, Gamedesign etc. – löste Deutschlands umsatzstärkster Spiele-Entwickler (430 Mitarbeiter, zuletzt 40 Mio. € Überschuss) eine kleine Schockwelle aus. Und zwar ganz einfach, indem ein urdeutsches Tabu gebrochen wurde, das immer noch lautet: Über die Zahlen auf dem Gehaltszettel spricht man nicht.

Die Story wurde nicht nur in B2B-Publikationen wie GamesWirtschaft, sondern zeitgleich auch bei Spiegel Online und in der FAZ platziert – also ein geschickt eingefädelter PR-Schachzug der Forge of Empires-Betreiber.

Die anhaltend extrem hohen Abrufzahlen des Artikels zeugen vom erheblichen Interesse an dem Thema. Ungleich verhaltener fällt die Debatte in den sozialen Netzwerken aus – was auch damit zu tun hat, dass die publizierten Spannbreiten dem Vernehmen nach eher das obere Ende dessen markieren, was sich in der Branche ganz praktisch erzielen lässt.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Wobei es ‚in der Branche‘ nicht ganz trifft, denn InnoGames ist nun mal kein ’normaler‘ Spiele-Entwickler, sondern der größte Laden mit den serienmäßig höchsten Umsätzen und den meisten Beschäftigten an einem Standort (hier: Hamburg).

Wir erleben also einen zauberhaften Panorama-Blick vom Gipfel des Lohngefälles in der hiesigen Games-Industrie.

Das ist ein bisschen so, als würde der FC Bayern die Gehaltsspannen in Mittelfeld und Abwehr öffentlich machen – und in den Mannschaftskabinen in Freiburg, Mainz oder Bochum reibt man sich verwundert die Äuglein, wie groß das Lohnabrechnungs-Delta ausfällt. Wo doch an der Säbener Straße auch nur mit Wasser gekocht beziehungsweise mit Kunststoffbällen gekickt wird.

Sie liegen absolut richtig, wenn Sie vermuten, dass die Transparenz-Offensive nicht alleine aus karitativen Gründen geschieht, zumal die Gehaltsstufen im Vorfeld eigens ‚harmonisiert‘, also glattgezogen wurden. Denn zum kompletten Bild gehört:

  • InnoGames kann (und muss) es sich leisten, diese Löhne zu zahlen. Denn Hamburg ist ein teures Pflaster: Wer in der Hansestadt wohnt und arbeitet, kann mit 2.500 bis 3.000 € brutto nur für gewisse Zeit seriös überleben, bei aller Liebe für den Job. Gleiches gilt für München, Frankfurt, Stuttgart, Berlin oder Düsseldorf.
  • InnoGames steht in einem knüppelharten Wettbewerb um Talente und Fachkräfte – gar nicht mal so sehr innerhalb der Branche (da natürlich auch), sondern eben mit anderen Industrien. Wer Performance Marketing oder Analytics beherrscht oder gar programmieren kann, ist auch bei Digitalagenturen, in der Konsumgüterbranche oder im E-Commerce begehrt.

Die firmenübergreifende Vergleichbarkeit wird dadurch erschwert, dass in der Größenordnung von InnoGames bestenfalls eine Handvoll Unternehmen im Land existieren – ums konkret zu machen: Ubisoft Blue Byte, Goodgame Studios, Crytek, Wooga und Gameforge, fertig. Bei einem Unternehmen mit 200-, 300-, 400köpfiger Belegschaft gibt es allein mit Blick auf die Firmenstruktur ganz andere Karrierepfade als etwa in einem 20- oder 30-Personen-Betrieb, wie er typisch ist für diese Industrie.

Und natürlich ist es eine Plattitüde, aber: Geld ist nicht alles. Wer zum Beispiel mit dem daten- und analysegetriebenen Spieldesign von Free2Play-Apps nichts anzufangen weiß und stattdessen lieber PC- und Konsolen-Vollpreisspiele bauen will, wird bei Deck13, Black Forest, King Art oder Limbic Entertainment möglicherweise glücklicher. Andere schätzen die heimelige Jeder-kennt-jeden-Atmosphäre ihres Studios und nehmen dafür finanzielle Abstriche in Kauf. Und dann gibt es da auch noch Fälle wie CipSoft, die ihre Angestellten am Unternehmenserfolg beteiligen und zum zweiten Mal in Folge das Jahresgehalt verdoppeln.

Dass jetzt plötzlich eine hektische Transparenz-Offensive in der Industrie ausbricht, ist also eher nicht zu erwarten. Darauf deutet auch eine GamesWirtschaft-Blitzumfrage unter den 20 größten deutschen Computerspiele-Produzenten hin (gesonderter Beitrag folgt).

Aber: Der InnoGames-Stunt wird manchen Arbeitgeber sanft dazu drängen, zumindest nach innen zumindest etwas mehr Transparenz herzustellen.

Was im Einzelfall nicht trivial wird: Gerade bei Mittelständlern mit langer Historie und loyalen Betriebsangehörigen entwickelt sich ja erfahrungsgemäß rasch ein bunter, verfilzter Entgelt-Flickenteppich, bei dem sich kaum noch nachvollziehen lässt, wie die Unterschiede bei vergleichbarer Verantwortung und Firmenzugehörigkeit jemals zustande gekommen sind. Ein Grund: Nicht jede(r) Beschäftigte hat die Cojones, proaktiv Gehalts-Upgrades für gute Leistungen einzufordern.

Deshalb ist die Überschrift der Pressemitteilung („InnoGames beendet Rätselraten über Gehälter in der deutschen Gamesbranche“) auch knapp an der Realität vorbei. Richtig wäre: „InnoGames befeuert Rätselraten über Gehälter in der deutschen Gamesbranche.“

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

Immer freitags, immer kostenlos: Jetzt GamesWirtschaft-Newsletter abonnieren!