Start Meinung Sind die fetten Jahre erstmal vorbei? (Fröhlich am Freitag)

Sind die fetten Jahre erstmal vorbei? (Fröhlich am Freitag)

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In Berlin wird mit Blick auf die steigenden Verbraucherkosten ein Entlastungspaket nach dem anderen geschnürt (Foto: GamesWirtschaft)
In Berlin wird mit Blick auf die steigenden Verbraucherkosten ein Entlastungspaket nach dem anderen geschnürt (Foto: GamesWirtschaft)

Wenn am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig ist: Die höheren Lebenshaltungskosten dürften auch auf die Games-Industrie durchschlagen.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

in der vergangenen Woche haben wir uns an dieser Stelle ja mit der Frage beschäftigt, ob sich ein Messe-Aufenthalt im Sommer 2022 ansatzweise omikron-resilient gestalten lässt. Mit dem Versprechen einer ’sicheren‘ Durchführung ist die Gamescom ja im Frühjahr offiziell in den Vertrieb gegangen.

Daran darf man Zweifel haben – egal, wie breit die Flure und wie digital die Tickets sind und wie sehr zum Verzicht auf Händeschütteln gemahnt wird. Denn zum Schwur kommt es ja spätestens dann, sobald sich zwei, drei, vier Personen herzen oder vis-à-vis auf den Fluren austauschen oder auf Stand-Partys zuprosten. Dass jemand am Montag symptomlos in München, Heathrow oder Charles-de-Gaulle in den Flieger steigt, heißt für den Dienstag oder Mittwoch rein gar nix.

Wie schnell es gehen kann, weiß ich seit vergangenem Dienstagabend aus eigener Anschauung: Von einem verlängerten Wochenende in der Hauptstadt habe ich als Souvenir jene Infektion mitgebracht, mit der schon zuvor jederzeit auf Familienfeiern, Reisen und Konzerten zu rechnen war.

Jetzt eben die Berliner Luft.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Wirklich überrascht hat mich das nicht, trotz aller Umsicht: Mit höheren Fallzahlen und einem maximal internationalen Publikum steigt nun mal zwangsläufig die Wahrscheinlichkeit für Covid-Multiplikatoren in Hotel-Aufzügen, in Restaurants oder am Frühstücksbuffet. Die Maskenpflicht in rappelvollen U- und S-Bahnen wird ohnehin als Empfehlung interpretiert.

Und zack – schon ist es passiert. Der Verlauf ist vergleichsweise mild und beherrschbar, danke der Nachfrage. Omikrönchen richten, weitermachen.

Dies nur als Nachtrag zur Kolumne von vergangener Woche, die via Social Media, Kommentaren und E-Mails das komplette Spektrum an anekdotischer Evidenz getriggert hat. Motto: „Habt euch nicht so – beim Schwager vom Kumpel war’s bestenfalls ne leichte Erkältung“.

Dabei ging es mir gar nicht um den (natürlich nicht völlig unwichtigen) gesundheitlichen Aspekt, sondern vielmehr darum, dass es gerade für Standbetreiber und Dienstleister eine herausfordernde Zeit wird, zwischen Aufbau und Abbau – also zwischen Mitte und Ende August – hinreichend abgehärtetes Personal vorrätig zu halten. Blaupausen existieren nicht, denn die Gamescom 2022 wird ja die erste Fach- und Publikums-Messe seit zweieinhalb Jahren sein, die a) in dieser Größenordnung und b) so gut wie ohne behördliche Einschränkungen stattfindet.

Insofern darf man dem Ausgang dieses XXL-Sozial-Experiments gespannt entgegen blicken. Womöglich ist die diesbezügliche Angespanntheit in Teilen der Branche aber auch gänzlich unbegründet und wir sollten uns stattdessen viel, viel dringender mit unserem heutigen Hauptthema auseinander setzen, das spätestens ab Herbst durchschlägt.

Nein, nicht die Frage, in welchem Wiesn-Zelt die Etablissement-Betreiberin Layla besungen werden darf. Sondern: die Folgen der davongaloppierende Inflation in den USA (9,1 Prozent) und in der EU (8,3 Prozent), die zwangsläufig auch die Games-Branche treffen wird.

Vor dem Hintergrund, dass vielen Haushalten in den kommenden Monaten eine vierstellige Heizkosten-Nach-/Vorauszahlung ins Haus flattert und dass die Preise im Supermarkt steigen und steigen und steigen, ist es im Land bemerkenswert ruhig. Allerdings: Wer die Lebenshaltung schon zuvor nur mit Mühe finanziell stemmen konnte, hat zunehmend ein ernsthaftes Problem. Ein Indiz: An den Tafeln hat sich die Zahl der Nutzer regional glatt verdoppelt.

Und wenn das Ersparte entgegen der Planung nicht in Urlaub, Freizeitpark, Kino, Renovierung oder die neue Wohnzimmer-Couch fließt, sondern an den Strom- und Gas-Versorger, dann trifft es zwangsläufig nicht nur Rentner und Studenten, sondern auch die vielzitierte Mittelschicht.

Nun sind Computer- und Videospiele zwar fraglos eine wunderbare Bereicherung, aber in großer Not entbehrlich – anders als fließend Wasser, auskömmliche Lebensmittel und ein bezahlbarer Weg zur Arbeit. Deshalb liegt es nahe, dass zuerst dort gespart, gestrichen und aufgeschoben wird, wo am wenigsten Einschränkungen drohen – das kaum genutzte Streaming-Abo oder der noch weniger genutzte Fitness-Studio-Vertrag zum Beispiel.

Es wäre daher überraschend, wenn der Mix aus gestörten Lieferketten, Komponenten-Mangel, saftigen Preiserhöhungen, hohen Energiekosten, die Sorge um den Job und weniger verfügbarem Einkommen nicht zeitnah bei Publishern, Studios und Handel ankommt. Abhängig vom weiteren Verlauf der kumulierenden Krisen werden sich Menschen also die Frage stellen, warum sie 60 € für eine PS5-Wechselabdeckung ausgeben sollten. Oder ob es der Full-HD-Fernseher noch tut oder schon jetzt ein neuer 65-Zöller her muss. Und ob das Spiel zwingend an Day One vonnöten ist oder auch noch vier Wochen später reicht, wenn sich 10 bis 20 € sparen lassen.

Bei der Hardware registrieren die Marktforscher bereits einen deutlichen Nachfrage-Rückgang, weil sich viele Verbraucher erst eingangs der Pandemie mit Laptops, Fernsehern und Tablets eingedeckt haben. Die Umsätze im Entertainment- und Games-Sektor sind 2020 und 2021 durch die Decke geschossen, auch in Deutschland.

Wenn das Geld nicht mehr so locker sitzt, könnten Free2Play-Games den Vollpreis-Titeln noch mehr Marktanteile abnehmen. Verbraucher orientieren sich in unsicheren Zeiten zudem eher an vertrauten Marken und zeigen bei bei neuen Franchises eher Zurückhaltung. Jeder Anbieter wird mit Blick auf sein Geschäftsmodell und das Portfolio also eine ganz eigene Antwort finden müssen, wie man mit der angespannten Lage im Portmonee der Verbraucher umgeht.

Und hier schließt sich der Kreis zur Messe-Saison im Spätsommer. Denn die Veranstalter der Berliner IFA vom 2. bis 6. September haben bereits im Juni dahingehend reagiert, indem sie die Eintrittspreise gegenüber 2019 unverändert ließen – anders als bei der Gamescom, wo für den Zutritt ja Aufschläge zwischen 50 und 100 Prozent fällig werden.

Man freue sich, Besucherinnen und Besucher der IFA endlich wieder live auf dem Messegelände begrüßen zu können: „Aus diesem Grund haben wir uns in diesem Jahr auch gegen eine Ticketpreiserhöhung entschieden – trotz Inflation und gestiegener Kosten. Wir möchten unseren Besucherinnen und Besuchern auf diese Weise für ihre Treue danken und den Neustart der Branche gemeinsam feiern.“

Ein solches Welcome-back-Signal hätte ich mir auch gut aus Köln vorstellen können.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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1 Kommentar

  1. Ich würde schätzen es trifft zuerst den Indie-Sektor. Bei den „alt eingesessenen“ Studios weiß man ungefähr was man bekommt, auch wenn hier vermehrt mit unfertigen Produkten geworben wird. Aber es wird eben geworben und so ein EA, Epic oder Ubisoft haben eben am Ende doch trotz Kriese noch die größeren Werbebudgets. Bei kleineren Studios und Indies sieht das hingegen anders aus. Trotz teilweise durchaus guter bis sehr guter Qualität wird wohl hier der Rückgang zuerst zu spüren sein. Tradiotionell sind Indies nach wie vor eine Wundertüte, man weiß eben nicht was man bekommt und wie gut es ist. Mit Ausnahme solcher Studios, die sich trotz durchweg negativer Reviews auf Steam nach wie vor trauen einen Autobahn Polizei Simulator 3 herauszubringen und vermutlich auch einen Teil 4 anstreben. Aber gerade solche Werke lassen den Endkunden an der Indie-Szene zweifeln.

    Vielleicht führt das Ganze am Ende aber auch zu einem Wandel, weg von standartisierten und durchmonetarisierten 08/15 mainstream Spielen wieder hin zu Produkten mit einer klaren Zielgruppe. Damit würden sich Studios immerhin von der breiten Masse eines Call of Duty oder Asassins Creed deutlich abheben

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