Start Meinung Gamescom: Ein kleines bisschen Scheinsicherheit (Fröhlich am Freitag)

Gamescom: Ein kleines bisschen Scheinsicherheit (Fröhlich am Freitag)

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Wie sicher wird die Gamescom 2022? Der Praxistest erfolgt ab dem 24. August (Fotos: privat)
Wie sicher wird die Gamescom 2022? Der Praxistest erfolgt ab dem 24. August (Fotos: privat)

Die Gamescom 2022-Veranstalter versprechen eine sichere Messe – doch die steigenden Fallzahlen belegen: Corona interessiert sich nicht für solche Versprechen.

Verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
verehrter GamesWirtschaft-Leser,

ich weiß nicht, wie’s Ihnen geht, aber BA.5 und seine hässlichen Verwandten fräsen sich derzeit mit geradezu atemberaubendem Tempo durch mein privates und berufliches Umfeld. Ganze Familien-Clans, die zwei Jahre lang mit maximaler Um- und Vorsicht tapfer durch die Pandemie gekommen sind, melden plötzlich reihenweise Ausfälle.

Schnelltests, die abends noch vermeintlich grünes Licht für Zusammenkünfte geben, fallen am nächsten Morgen dann doch positiv aus.

Es ist ein Kreuz.

In den allermeisten Fällen lässt sich der Ursprung präzise einem sehr konkreten Anlass oder Moment zuordnen – Straßenfeste, Ausflüge, Geburtstage, Firmenfeiern, Konferenzen, Meetings, Festivals, Volksfeste, Messen, Kaffeekränzchen, der hustende Nachbar im Urlaubsflieger.

Es wird daher niemanden überraschen, dass allein in den letzten 24 Stunden bundesweit mehr als 100.000 frische Infektionen registriert wurden, in sieben Tagen waren es eine halbe Million Menschen. Und das mitten im Hochsommer und obwohl anders als im Frühjahr nicht mehr systematisch in Kitas, Schulen und Betrieben getestet wird. Die Dunkelziffer muss immens sein.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Die jüngste Entwicklung lässt mich einigermaßen sorgenvoll auf das blicken, was uns Ende August bei der Gamescom in Köln erwartet. Gar nicht mal so sehr mit Blick auf den durchschnittlichen Krankheitsverlauf, der bei den derzeit angesagten Covid-Varianten zwar in den meisten Fällen sehr heftig, sehr unangenehm und sehr hartnäckig ausfällt, aber irgendwann eben auch ‚durch‘ ist (hab ich mir sagen lassen – der Kelch ging bislang vorüber). Harmlos war und ist der Virus in keinem Fall, denn die Langzeitfolgen dieser Infektion können ja ernstere Züge annehmen.

Was mich viel, viel mehr umtreibt, ist erstens die zur Schau getragene Nonchalance, bei einem Event wie der Gamescom ließe sich die „Sicherheit und Gesundheit sowie das Wohlbefinden aller Anwesenden gewährleisten“.

Echt jetzt, ‚gewährleisten‚? Ich halte so eine Ansage für mindestens waghalsig – zumal das „vielfach erprobte Hygiene- und Sicherheitskonzept“ eben bei gesitteten Aufeinandertreffen führender Süßwaren- und Reifen-Produzenten mit ein paar tausend Teilnehmern erprobt wurde. Der Praxistest einer einwöchigen Veranstaltung mit voraussichtlich mehreren hunderttausend Privat- und Fachbesuchern steht ja noch aus – und zwar ab dem 24. August beim „weltgrößten Event rund um Computer- und Videospiele“.

Dabei kann ja eigentlich wenig schiefgehen, denn der Zutritt während der Messewoche inklusive Auf- und Abbau ist laut offiziellem Covid-FAQ bei Auftreten folgender Symptome ohnehin strengstens untersagt: Husten, Fieber, Schnupfen, Halsschmerzen, allgemeine Schwäche, Durchfall, Geruchs- oder Geschmacksstörung.

Frage: Wie will man das kontrollieren, nachverfolgen, im Zweifel: sanktionieren? Mutige These meinerseits: gar nicht. Das Einzige, was beim Zugang gecheckt wird, ist der Personalausweis (fürs Altersbändchen) und der Inhalt von Rucksäcken und Taschen. Wer einigermaßen seriös daherkommt, wurde im Zweifel auch einfach durchgewunken (Beweisstück 1: die Autorin dieses Beitrags).

Falls Sie sich für 30 € ein Samstags-Ticket oder für 55 € ein Fachbesucher-Ticket gönnen, aber am Messemorgen verdächtiges Halskratzen verspüren oder gar auf zwei rote Schnelltest-Striche blicken, hätten Sie im Übrigen gleich doppelt Pech gehabt. Denn die ausschließlich via Vorverkauf vertriebenen Gamescom-Eintrittskarten lassen sich weder stornieren noch umtauschen noch weitergeben, weil 100 % digital und personalisiert.

Zweiter, meines Erachtens fast noch kritischerer Aspekt: die Aussteller. Selbst auf mittelgroßen B2C- und B2B-Ständen sind Dutzende Mitarbeiter im Einsatz – in Technik und Security, an den Spielstationen, an der Würstchen-Ausgabe.

Wer im Messeverlauf positiv getestet wird, muss erstens das Gelände verlassen, zweitens das ‚Lagezentrum‘ in Halle 11 informieren und sich drittens in Quarantäne begeben. Nicht vollständig geimpfte Kontaktpersonen müssen ebenfalls in Quarantäne. So steht es geschrieben im Leitfaden der KoelnMesse.

Heißt: Bereits ein durchgeschlüpfter, asymptomatischer Corona-Fall kann dafür sorgen, dass sich unterwegs weite Teile der Stand-Belegschaft abmelden. Dieses nicht völlig realitätsferne Szenario war und ist im Übrigen auch ein Grund, der zur frühzeitigen Absage einzelner Aussteller geführt hat (wenngleich nicht der letztlich entscheidende).

Ich finde das total legitim. Solche Entscheidungen haben auch exakt gar nichts mit fortgeschrittener ‚Panik‘ oder ‚Paranoia‘ zu tun, sondern folgen schlichtweg einer sachlichen, nüchternen Betrachtung der Wirklichkeit. Und es hilft auch nichts, die weitere Entwicklung in aller Gelassenheit abzuwarten: Der Kartenvorverkauf läuft seit vier Wochen – und in fünf Wochen rollen die ersten Sattelschlepper auf das Messegelände, um mit dem Aufbau zu beginnen. Wann, wenn nicht jetzt, müssen wir darüber reden?

Ich mache mir jedenfalls exakt null Illusionen, die Gamescom-Woche ohne Covid-Souvenir zu beschließen – mit Terminen in 30-Minuten-Taktung, mit einem internationalen Publikum, mit Partys, Preisverleihungen, Shows und Empfängen. Den Aerosolen sind breitere Flure plus optimiertem Einlass- und Warteschlangen-Management spätestens dann egal, sobald es zu Gesprächsrunden bei Mürbegebäck und Käffchen in 2,5×2,5-Meter-Kabinen kommt. Masken sind ohnehin freiwillig und optional.

Schon in grauen Prä-Corona-Zeiten war es ja nur mit sehr viel Glück möglich, eine Gamescom infektionsfrei durchzuhalten. Einmal saß ich am ersten Publikumstag frühmorgens im Wartezimmer eines gefühlt kurz vor Pensionierung stehenden Kölner Arztes, der sorgenvoll in den Rachen blickte und sinngemäß meinte: „Liebelei, du fährst jetzt mal schön nach Hause und braust dir einen Kamillentee.“ Ich konnte nur gequält nicken, weil sich die Stimmbänder schon tags zuvor verabschiedet hatten.

Wenn die Gamescom-Organisatoren nun ein „unvergessliches Erlebnis“ versprechen, dann gilt das hoffentlich einzig für die ausgestellten Waren und Dienstleistungen – und weniger für die gesundheitlichen Risiken und Nebenwirkungen des Köln-Trips.

Denn alle – Aussteller, Besucher, Veranstalter, Branche – wünschen sich ja vor allem eines: eine halbwegs geschmeidige Gamescom 2022 – und damit wieder ein kleines bisschen Sicherheit in unsicheren Zeiten.

Ein schönes Wochenende (und falls Sie gerade leiden: Gute Besserung!) wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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5 Kommentare

  1. Diese ganze Covid-Debatte wird doch spätestens dann ad absurdum geführt, wenn es der Bundesregierung eigentlich nicht um den Bevölkerungsschutz per se geht, sondern nur darum mit Impfangeboten und „Schutzverordnung“ dafür zu sorgen, dass unser ohnehin schon marodes Gesundheitssystem nicht vollkommen zusammenbricht. Sonst würde man nicht so einen Eiertanz veranstalten um ja nicht einer zu breiten Masse zu sehr auf die Füße zu treten.

    Maskenpflicht im überfüllten Flieger nach Mallorca wird abgeschafft aber im öffentlichen Nahverkehr ist es nach wie vor vorgeschrieben? Ich kann mir zumindest gut vorstellen, dass die Versorgung mit Frischluft im Flieger nicht so gewährleistet werden kann wie es in der Bahn der Fall ist aber hey, was weiß ich schon 🤷

    Ich bezweifle, dass jemand ohne starke Symptome überhaupt irgendjemanden informiert oder sich vorsorglich testen lässt, denn das kostet ja mittlerweile wieder Geld. Ein Souvenir für jeden Besucher ist also so gut wie garantiert und als Allergiker im Hochsommer würde ich mich nicht von der Messe werfen lassen, nur weil der Pollenflug gerade ungünstig steht und ich alle paar Minuten kräftig niesen muss, da können sich die Veranstalter noch so auf ihr Hausrecht berufen, ich bleibe und zwar mit Recht!

  2. „[…] Krankheitsverlauf […] der bei den derzeit angesagten Covid-Varianten zwar in den meisten Fällen sehr heftig, sehr unangenehm und sehr hartnäckig ausfällt“

    Also das ist halt schlicht gelogen!
    Wie kommt man bitte auf sowas? Für die meisten ist das ne kleine nervige Erkältung, wenn sie überhaupt was davon merken.
    Ich sag nicht, dass es keine schweren Verläufe gibt, aber dass ne Infektion mit den aktuellen Varianten meistens „heftig“ sein soll, ist ja wohl ein schlechter Scherz, belegbar falsch und hat somit mit seriösem Journalismus nichts zu tun!

    Und liebe Grüße an die Moderation.

    Ich Spam euch jetzt so lange mit diesem Kommentar zu, bis ihr ihn durchlasst. Wo kommen wir denn da hin, wenn ihr berechtigte Kritik einfach löscht bzw. nicht veröffentlicht! Bin ich hier in China oder was?! Dann passt wenigstens diesen Absatz an, wenn ihr so deutlichen Worte nicht in den Kommentaren haben wollt!

    • Spam ist nicht nötig, wir schalten alles frei, solange es nicht justiziabel ist.

      Danke für das Feedback, auch wenn wir die Einschätzung explizit nicht teilen.

    • Welche ‚Panik‘? Hier geht es a) um Abwägungen großer Unternehmen, die viele Monate im Voraus entscheiden müssen, ob sie dieses Wagnis eingehen (genauso wie Bands und Künstler, die Tourneen planen) und b) um die Entscheidung, vor der Besucher stehen.

      Gerade, WEIL man die Risiken kennt, reist man nach Köln.

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