Start Meinung Die (einzig wahre) Zukunft der Videospiele (Fröhlich am Freitag)

Die (einzig wahre) Zukunft der Videospiele (Fröhlich am Freitag)

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Szene aus Elden Ring (Abbildung: Bandai Namco Entertainment)
Szene aus Elden Ring (Abbildung: Bandai Namco Entertainment)

Singleplayer-Spiele sind tot? Von wegen: Der Erfolg von Horizon: Forbidden West und Elden Ring widerlegt manch voreilige Prognose.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

wer in den vergangenen Jahrzehnten Konferenzen, Geschäftsberichte und Analysten-Kommentare verfolgt hat, der konnte eigentlich nur zu einem Schluss kommen: Die Zukunft der Videospiele (und irgendwie auch der deutschen Games-Industrie) heißt Free2Play – also kostenlos herunterladbare Games, versetzt mit Mikrotransaktionen, sprich: Ingame-Käufen.

Diese Einschätzung hat sich prinzipiell auch als richtig erwiesen – mit der Einschränkung, dass es sich eben nur um eine Zukunft handelt, die eine ganze Reihe anderer gangbarer Wege stumpf ausblendet. Das passiert meistens dann, wenn Menschen einem Bestätigungsfehler (Confirmation Bias) unterliegen. Forscher sagen: Wir neigen dazu, Daten und Entwicklungen so zu interpretieren und hinzubiegen, dass sie ins eigene Weltbild passen. Oder zur Not ins eigene Geschäftsmodell.

Als Journalistin blicke ich tagtäglich in einen Posteingang, der bis oben gefüllt ist mit solchen kognitiven Verzerrungen. Die Blockchain. Das Metaverse. Der E-Sport. Cloud-Gaming. Influencer-Marketing. Crowdfunding. Abo-Modelle. Self-Publishing. Virtual Reality. Augmented Reality. Streaming. Alles „die Zukunft“. Oft genug: die einzig wahre Zukunft.

Alles andere: Schnee von gestern – braucht kein Mensch (mehr).

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
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Was wurde da nicht schon alles totgesagt. Die gute alte Spielkonsole zum Beispiel, etwa von Google. Die Realität des Jahres 2022 sieht so aus, dass Switch, PlayStation 5 und Xbox den Händlern nur so aus den Regalen fliegen, während Googles Streaming-Dienst Stadia bestenfalls auf der Stelle tritt. Nicht wenige Menschen würden ihre Großmutter meistbietend veräußern, um an so ein Gerät heranzukommen, das sie neben oder unter ihrem Fernsehgerät platzieren können.

Als gesetzt galt auch die Annahme, dass sich der Gamer nur noch in Online-Universen herumtreibt – und dass Solo-Abenteuer obsolet würden. Zu teuer, zu riskant, zu wenig Games-as-a-Service. In manchem Studio wurden hektisch Konzepte über den Haufen geworfen und Einzelspieler-Kampagnen auf das Allernötigste gestutzt, weil die Aufmerksamkeitsspanne und Geduld junger Menschen ja keine story- und dialoglastigen Produktionen mehr zulässt.

So so.

Jetzt blicken wir in Charts und Twitter-Trends und stellen fest: Mit Elden Ring (Bandai Namco) und Horizon: Forbidden West (Sony Interactive) gibt es zwei Singleplayer-Spiele, die sowohl die Fachpresse als auch das Publikum als auch die dazugehörigen Publisher in Entzückung versetzen. Allein in Deutschland haben sich beide Games binnen weniger Tage jeweils mehr als 200.000 Mal verkauft. Und das, obwohl Elden Ring mit seinem Einheits-Schwierigkeitsgrad und dem Verzicht auf branchenübliche Ich-mach-mir-die-Welt-widdewidde-wie-sie-mir-gefällt-Bedienhilfen alles andere als massenmarkt-kompatibel daher kommt.

Turns out: Weite Teile der Zielgruppe (schon jetzt weltweit 12 Millionen) hatten offenkundig mal wieder Lust, sich von computergesteuerten Gegnern so richtig dolle vermöbeln zu lassen – wann sie wollen, wie sie wollen, wo sie wollen, so oft sie wollen. Ohne jenen Abstimmungs- und Gruppenzwang, der gerade Online-Rollenspielen und -Shootern inne wohnt.

Und: Sowohl Elden Ring als auch Horizon: Forbidden West kommen ohne zubuchbare Extras aus. Man bezahlt 50, 60, 70 € für ein Spiel – und fertig. Wo gibt es sowas noch?

Und dann sehen wir Spiele wie It Takes Two – ein ganz wunderbares, absurd kreatives, familientaugliches Koop-Spiel vom schwedischen Studio Hazelight, vielfach ausgezeichnet und ebenfalls ein Bestseller. Der Konsolen-Hit ist eine spielgewordene Räuberleiter, weil eben nur zu zweit nutzbar. Die ganze Spielanlage bricht also mit ungefähr allem, was üblicherweise erfolgreich ist. It Takes Two bringt Menschen zusammen, weil Teamwork gefragt ist: Geschwister, Paare, Kumpels haben die Zeit ihres Lebens.

Es würde mich sehr wundern, wenn It Takes Two am 31. März nicht mindestens einen Deutschen Computerspielpreis abräumt. Nicht sehr viele Publisher hätten auch nur einen Cent darauf gewettet, dass sowas funktioniert.

Will sagen: Marktforscher und -beobachter – inklusive unsereins als Fachpresse – täten gelegentlich gut daran, mit Blick auf das Publikums-Interesse ein Jota mehr Zurückhaltung an den Tag zu legen. Einfach deshalb, weil sich selten zuverlässig Jahre im Voraus erahnen lässt, was bei Release gefragt und gewollt ist. Es gibt Produkte, die gehen wider Erwarten durch die Decke, weil sie den richtigen (zuweilen: einzigen) Zeitpunkt erwischen – andere scheitern genau daran: zu früh, zu spät, zu beliebig, zu me-too, zu dichter Mitbewerb, falscher Preispunkt.

Dabei ist gerade der Videospiele-Markt ja groß genug, um selbst mit nischigsten Nischenprodukten kommerziell punkten zu können – die Frage ist alleine: Wie groß ist die Nische?

Bei Elden Ring ist sie offenbar sehr, sehr, sehr groß. Getreu dem Motto: ‚Alle sagten: „Das geht (so) nicht“. Und dann kam einer, der wusste das nicht – und hat’s einfach gemacht.‘

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft

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