Deutschland hat einen neuen Games-Minister: Auf Andi Scheuer folgt Robert Habeck – was ist von dieser Personalie zu halten?
Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,
wenn man sich sputet, schafft man die 250 Meter Fußweg zwischen Verkehrsministerium (BMVI) und Wirtschaftsministerium (BMWI) in längstens vier bis fünf Minuten. Etwas länger wird es dauern, bis das erst im März eingerichtete Referat „Games in Deutschland“ die Rollcontainer, Ficus-Benjamina-Bestände und Akten nach nebenan wuchtet.
Denn mit dem Regierungswechsel wird auch die Computerspiele-Zuständigkeit innerhalb der Bundesregierung umgetopft. In den kommenden vier Jahren liegen Wohl und Wehe der deutschen Games-Politik in den Händen des grünen Vizekanzlers und Wirtschaftsministers Robert Habeck. Bislang haben sich ja die CSU-Granden Dobrindt (bis 2018) und Scheuer (ab 2018) an der Branche abgearbeitet, zuletzt mit exponentiell steigendem Tempo, Eifer – und ja: Erfolg.
Die Meldung hat am Mittwochabend für ein großes Hallo in der Branche gesorgt – und die Frage aufgeworfen: Ist das nun gut oder schlecht für Games-Deutschland? Zusätzlich zur Option „Alles bleibt, wie es ist“ galt nämlich auch als denkbar, dass das Kanzleramt in Form der Kulturbeauftragten Claudia Roth übernimmt, bei der ja die Filmfördertöpfe geparkt sind. Gerade die FDP ist seit Jahren Fürsprecher dieser Lösung.
Jetzt also Habeck.
Nachdem sich die Games-Industrie den ersten ‚Schock‘ aus den Kleidern geschüttelt hat, wird die Rochade sogleich als Ausweis der eigenen Bedeutung geframet. Argument des erkennbar überrumpelten Verbands: Computerspiele seien neben dem Klimaschutz schließlich das einzige Thema, nach dem Habeck „bewusst gegriffen“ habe.
Nun.
Zum kompletten Bild gehört allerdings, dass die Macht von Scheuer-Nachfolger Volker Wissing in ungleich größerem Maße wächst. Denn der FDP-Mann „verliert“ zwar das bislang recht kleine Videospiele-Referat, gewinnt aber umgekehrt vom Wirtschafts-Ressort die Zuständigkeit für den kompletten Telekommunikations-Bereich samt Bundesnetzagentur, Post und die nationale und internationale Digitalpolitik – plus all die offenen Quests, die die Unions-Leute Dorothee Bär und Helge Braun im Kanzleramt zurückgelassen haben.
Es gibt schlechtere Tauschgeschäfte.
Künftig gilt also: Breitband, Mobilfunk, Netzpolitik – (nahezu) alles in einer, nämlich FDP-Hand. Dass aus dem Verkehrsministerium ein verkapptes Digitalministerium wird, lässt sich allein an der umgekehrten Wagenreihung ablesen: Auf das „Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur“ folgt nun das „Bundesministerium für Digitales und Verkehr“.
Auf so eine Idee wäre das Autohaus Scheuer im Traum nicht gekommen.
Auch wenn man den Liberalen große Sympathien für Games nachsagt (Partei-Chef Lindner wurde nach eigenen Angaben mit Monkey Island und Ultima 6 sozialisiert): Beim Gedanken an seinen 40-Milliarden-Euro-Jahres-Etat, von dem er roundabout 50 Millionen Euro abgibt, dürfte Wissing nicht zwingend schlecht in den Schlaf finden – zumal Habeck gerade einmal ein Viertel dieses Etats verwaltet.
Dass das Wirtschafts- und Klima-Ministerium für Games zuständig ist, hat jedenfalls viel Schönes, zumal dort die Kultur- und Kreativwirtschaft (Musik, Buch, Kunst, Presse, Werbung, Film, etc.) seit jeher ein muckeliges Zuhause hat. Und mit etwas Glück wird die Games-Industrie künftig sogar als separater Teilmarkt ausgewiesen: Bislang wird die 8-Milliarden-Euro-Branche nämlich mit der Software-Industrie in einen Topf geworfen, wo doch zwischen den Gewerken von Ubi und SAP dezente Unterschiede liegen sollen.
Und Habeck? Von Politikern wie Bodo Ramelow ist zumindest überliefert, dass sie zähe Corona-Schaltkonferenzen gern per Candy Crush Saga überbrücken. Über Habeck ist nichts dergleichen aktenkundig. Was aber auch ein kleines bisschen wurscht ist, denn vornehmlich soll er ja das Klima retten – und nicht Minecraft durchspielen.
Die deutschen Entwickler-Studios werden unterdessen schon halbwegs klarkommen, wenn man sie nur machen lässt – und solange der Kohle-Ausstieg nicht die Games-Förderung betrifft.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
Immer freitags, immer kostenlos: Jetzt GamesWirtschaft-Newsletter abonnieren!
Es ist ein bisschen naiv, zu glauben, dass der Klimaschutz die Branche nicht betrifft.
NFT-Goldgräberstimmung wird auch hier die Runde machen, insofern kommt ein grüner Gamesminister gerade recht.
Kommentarfunktion ist geschlossen.