Start Meinung Liefern statt fordern (Fröhlich am Freitag)

Liefern statt fordern (Fröhlich am Freitag)

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Am 26. September wird ein neuer Bundestag gewählt - die Games-Branche bringt sich schon mal in Stellung (Foto / Montage: GamesWirtschaft)
Am 26. September wird ein neuer Bundestag gewählt - die Games-Branche bringt sich schon mal in Stellung (Foto / Montage: GamesWirtschaft)

An berechtigten Forderungen der Games-Industrie an die Politik mangelt es nicht. Die Branche will (und muss) beweisen, dass sie anvertrautes Steuergeld seriös einsetzt.

Verehrter GamesWirtschaft-Leser,
verehrte GamesWirtschaft-Leserin,

„Jammern ist des Kaufmanns Gruß“ heißt es. Und für Wehklagen gab es in dieser Woche wieder weiß Gott hinreichend Anlass – nämlich bei der Vorstellung einer Verbands-Umfrage. Die Botschaft der Branche an die Republik: 7 von 10 Games-Unternehmen bewerten den Standort Deutschland als „eher schlecht“ oder „schlecht“. In Worten: sieben von zehn.

Huch, was ist da denn los?

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Die Regierungsbilanz aus Sicht der Branche liest sich wie die Zustandsbeschreibung eines Drittweltlands. Zum Beispiel fehlt es immer noch an flächendeckend schnellem Internet – was insofern überrascht, weil mit Digitalminister Scheuer ja eigentlich eigens eine kompetente Fachkraft für diese Aufgabe eingestellt wurde. Das jüngst reformierte Jugendschutzgesetz ist sowieso doof. Und wie soll Deutschland eigentlich jemals in der Games-Weltspitze mitspielen, solange E-Sport-Vereine immer noch keine Spendenquittungen ausstellen dürfen?

Es ist ein Kreuz.

Aber Moment mal – hat denn der Bundestag nicht erst ein üppiges Subventions-Päckchen von 250 Millionen Euro für die kommenden Jahre eingetuppert? Und damit die von der Branche dringend geforderte langfristige Planungssicherheit hergestellt?

Genau so ist es.

Dabei geht die Erzählung seit Jahren folgendermaßen: WENN die Bundesförderung kommt, DANN geht’s ab. Also so richtig. Frag nach bei den Franzosen: Sobald der Staat 50 Millionen pro Jahr locker macht, dann führt das zu zusätzlichen Steuer- und Sozialabgaben von 90 Millionen und Investitionen von 400 Millionen Euro. Ein deutscher Finanzminister wäre ja schön blöd, wenn er sich auf diesen No-Brainer nicht einließe.

Jetzt ist sie da, die Förderung – ergo sollte man annehmen, dass die Industrie sich ganz fest eines vorgenommen hat: zu liefern. Dafür gibt es tatsächlich ermutigende Indizien, denn zumindest die Zahl der Studio-Gründungen ist gegenüber 2020 messbar gestiegen – wenn auch überwiegend im Segment der Solo-Selbstständigen und Einzelunternehmer. In Summe ernährt Deutschlands Games-Branche sogar 1.200 weniger Menschen als noch vor einem Jahr.

Eine Viertelmilliarde Euro entspricht zwar gerade mal anderthalb Call of Duty-Budgets, ist aber zweifellos ein Haufen Geld, für das sich sicher auch anderweitig sinnvolle Verwendung gefunden hätte. Zum Beispiel in Branchen, die nicht das Glück hatten, während einer Pandemie nahtlos weiterarbeiten zu können und von den Lockdowns sogar zu profitieren.

Im Lichte der bevorstehenden Bundestagswahl und bei aller berechtigten Kritik an Dingen, die nicht gut laufen oder nicht schnell genug passieren, kommt mir daher gelegentlich zweierlei zu kurz: erstens ein My Demut und zweitens das klare Signal „Danke für den Vertrauensvorschuss, lieber Steuerzahler“.

Vertrauensvorschuss meint hier: Scheck. Denn wer ein Spiel für, sagen wir, 1 oder 2 Millionen Euro baut, kann sich die Hälfte des Budgets vom Staat holen – und zwar unabhängig davon, ob irgendjemand auf diesem Planeten das geförderte Spiel letztlich kauft oder herunterlädt.

Und wenn schon die Zuschüsse nicht zurückgezahlt werden müssen, dann wäre es aus meiner Sicht ein naheliegender Ansatz, zunächst das Vertrauen der Politik zurückzuzahlen – in Form von (vielen) Jobs, (vielen) Investitionen und (vielen) weltmarktfähigen Produkten. Doch die Ansiedlung eines neuen AAA-Studios in Deutschland ist vorerst nicht in Sicht, wie Verbands-Geschäftsführer Falk in dieser Woche einräumte.

Stattdessen wird der Verband nicht müde, immer neue Fronten zu eröffnen. Neuerdings wird die hohe Steuerlast als dringend zu beseitigender Bremsklotz aus dem Hut gezaubert. Ein ungelöstes Riesenproblem bleibt offenbar auch der Mangel an fähigem Personal. Doch wenn nun von der Politik eingefordert wird, sie möge sich dringend um die Fachkräfte-Situation kümmern, dann muss man natürlich auch zurückfragen: Warum bietet die Branche eigentlich selbst so irrsinnig selten Ausbildungsplätze an – etwa zum Fachinformatiker oder in Form berufsbegleitender Studiengänge?

Auch wenn es so kurz vor der Bundestagswahl nahezu zwingend erscheint, wenn eine Branche auf Mängel hinweist und Forderungen aufschreibt: Das Entwickeln nachgefragter Produkte wird der Videospiele-Wirtschaft niemand abnehmen – Kupferkabel-Internet hin oder her.

„Die Games-Förderung in dieser Höhe ist ein großer Vertrauensbeweis“, lobte der Verband in Richtung des Haushaltsausschusses. Das war 2019. Man müsse jetzt als Games-Branche beweisen, dass man nicht zu viel versprochen habe.

Das war noch nie so richtig wie mit Blick auf die kommenden vier Jahre.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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