Start Meinung PlayStation 5 direkt ab Werk (Fröhlich am Freitag)

PlayStation 5 direkt ab Werk (Fröhlich am Freitag)

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In den USA werden Konsolen, Controller & Co. bereits via PlayStation Direct vertrieben (Screenshot)
In den USA werden Konsolen, Controller & Co. bereits via PlayStation Direct vertrieben (Screenshot)

Analog zu Microsoft will Sony Interactive die PlayStation 5 künftig per Direktvertrieb anbieten – der Handel ist alarmiert. Und womit? Mit Recht.

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

fürchterlich originell ist die Idee zugegebenermaßen nicht, die bei Adidas während der Lockdowns gereift ist: Bis 2025 soll sich der E-Commerce-Umsatz verdoppeln. Schon jetzt stammt mehr als ein Drittel des Umsatzes aus dem Geschäftsbereich „Direct to Consumer“.

Heißt: Sneaker, Hoodies und Adiletten werden direkt ab Werk verkauft, per Website und per App. Wer Mitglied im Adidas Creators Club ist, bekommt die Lieferung frei Haus und darf bei limitierten Kollektionen mitbieten. Unglaubliche 150 Millionen Fans sind bereits eingeschrieben, in den kommenden vier Jahren soll diese Zahl auf eine halbe Milliarde gesteigert werden. Eine wichtige Rolle spielen zudem Flagship-Stores in London, New York, Paris oder Berlin.

„Own the game“ lautet die Strategie von Adidas – sinngemäß also: „Kontrolliere das Spiel“. Gemeint ist der Online- und Eigen-Vertrieb, der den Einzelhandel zunehmend aus dem Spiel nimmt.

Bei den Fachhändlern herrscht naheliegenderweise Alarmstufe Rot: Beim Einkaufs-Verbund Intersport (1.600 Standorte, 900 Händler) geht man davon aus, dass allein in Deutschland mehrere hundert Geschäfte schließen müssen – allein schon deshalb, weil sie die Adidas-Vorgaben bezüglich Mindestumsatz und Online-Auftritt nicht erfüllen können.

Das Handelsblatt zitiert Händler mit den Worten: „Das ist ein Schlag ins Gesicht derer, die Adidas über Jahrzehnte groß gemacht haben.“

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

„Own the game“ – so könnte auch das Motto von Sony Interactive lauten, auch wenn das Unternehmen eine nicht ganz so sportliche Strategie wie Adidas verfolgt. Die Japaner vertreiben eines der derzeit begehrtesten Konsumgüter des Planeten: die chronisch ausverkaufte PlayStation 5. Der Europa-Start von PlayStation Direct erfolgt noch in diesem Jahr, die Vorbereitungen laufen seit Monaten. Analog zu den USA, wo es den Kanal schon gibt, erwartet man einen kräftigen Umsatz-Sprung durch den Direktvertrieb von Konsolen, Controllern, Ladestationen und Fanartikeln.

Der PlayStation-Werksverkauf ist ein weiterer Baustein, um mittelfristig die komplette Wertschöpfungskette zu kontrollieren – beim Digitalvertrieb von Spielen gelingt das bereits ziemlich gut. Noch wird der 340-Millionen-Euro-Hardware-Umsatz der deutschen PlayStation-Niederlassung nahezu vollständig durch den Einzelhandel erwirtschaftet. Doch wenn PlayStation Direct bereits bis März 2022 europaweit zusätzliche 300 Millionen Euro in die Kasse spülen soll, bekommt man eine grobe Vorstellung von den Sony-Ambitionen.

Aus Sicht des Handels lässt sich aus dieser Nachricht nicht allzu viel Positives ableiten. Ob das auch für die Verbraucher gilt, ist keine ausgemachte Sache. Denn leider hat die Branche seit Beginn der PS5-Vorbestell-Phase im September 2020 nicht allzu viele Argumente vorgetragen, warum der Vertrieb einer neuen Konsole zwingend exklusiv in die Hände von Versendern, Online-Shops und Filialisten gehört.

Keine Woche vergeht ohne Stornierungen, Lieferverzögerungen und Nullkommunikation, selbst bei den ganz Großen der Branche.

Wer die PlayStation 5 im Herbst 2020 bei Cyberport – nach Umsatz unter den Top 10 in Deutschland – gekauft hat, wartet unter Umständen bis zum heutigen Tag auf seine Konsole. Und das ohne Aussicht auf Linderung. Viele tausend Kunden renommierter Anbieter mussten zudem feststellen, dass Bestellbestätigungen und Kaufpreis-Abbuchungen ungefähr keine Garantie bieten, dass ein Kaufvertrag zustande gekommen ist. Die Verbraucherzentrale klagt gegen diese kunden-unfreundliche, aber gängige Praxis.

Neun lange Monate war es dem Handel zudem nicht möglich, eine simple Warteliste aufzusetzen, die registrierten (Stamm-)Kunden eine halbwegs faire und stressfreie Chance auf eine PlayStation 5 einräumt, ohne dass sie sich – wie am Mittwoch geschehen – um kurz nach 7 Uhr morgens zwischen Zähneputzen und Nutella-Brote-Schmieren um ein winziges PS5-Kontingent auf überlasteten Websites bemühen dürfen. Es ist nicht weniger als eine Zumutung, dass man als Kunde auf ‚Heatmaps‘ angewiesen ist, um potenzielle Verkaufs-Zeitfenster zumindest annähernd zu antizipieren.

PS5-Heatmap: Bisherige PlayStation-5-Verkaufszeitfenster zwischen Januar und Mai 2021 im deutschen Einzelhandel (Stand: 4. Juni 2021)
PS5-Heatmap: Bisherige PlayStation-5-Verkaufszeitfenster zwischen Januar und Mai 2021 im deutschen Einzelhandel (Stand: 4. Juni 2021)

Den meisten Sony-Handelspartnern ist es außerdem erkennbar egal, ob semiprofessionelle Scalper, Discord-Gruppen und Bots weiterhin die Online-Shops mit Mehrfach-Bestellungen leerräumen – „Eine Konsole pro Kunde“? Das war einmal. Hauptsache, die Ware ist vom Hof.

„Du kannst mehr“, „Du bekommst mehr“, „Du erreichst mehr“ – so lauten die Slogans aus der aktuellen Saturn-Werbung, dem ungekrönten „Enabler eines zukunftsorientierten Lifestyles“. Dabei wäre es ja ganz schön, wenn der Handel gelegentlich als Enabler einer gegenwartsorientierten Orientierung am Kunden aufträte.

Ein gesitteter Verkaufsprozess von PlayStation 5 und Xbox Series X böte dafür eine richtig gute Gelegenheit – selbst sieben Monate nach Markteinführung ist es dafür nicht zu spät.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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10 Kommentare

  1. An sich ein schöner Artikel aber ich finde es etwas komisch, dass die PS5 als Konsumgut beschrieben wird… 😅
    Ich hätte sie doch eher als Luxusartikel beschrieben. 😂

  2. Wird vollumfänglich unterstützt die getätigten Aussagen. Ich wollte eigentlich eine PS5, aber durch die katastrophale Marktsituation ist es dann doch eine Series X geworden zur UVP durch Direktkauf auf Microsoft. Auch hier war das nur durch Anmeldung bei einem Bot Tweet möglich, ansonsten keine Chance egal welche Konsole. Einen Arbeitskollege und mir ist es gelungen die Tage bei Expert, ebenfalls wieder per Bot-Alarm, zumindest EINE PS5 in den Warenkorb samt Bezahlung zu bekommen. Hier hat man eine Warteliste etabliert, welche aber genauso innerhalb von Sekunden voll mit Leuten war. Es macht einfach keinen Spaß derzeit. Ich drücke allen Leuten fest die Daumen. Fröhliche Hungerspiele… Gruß Andi

  3. Super Artikel und als Endverbraucher kann ich da nur zustimmen. Wo liegt das Problem einfach eine Vorbesteller Liste zu erstellen die dann Person für Person abgearbeitet wird.

    Aber der Einzelhandel schert sich nen Dreck drum wer, oder wo die Konsolen landen, hauptsache verkauft.

    So mies wie der Bestellvorgang und Kundensupport gehandhabt wird können sich MediaMarkt, Saturn und Konsorten auf jeden Fall mich als Kunden von der Liste streichen. Da wird nie wieder eingekauft, egal was.

  4. Ich kann den Mitkommentierenden zum Teil zustimmen. Die Händler hätten mehr gegen Scalper tun können, aber stellenweise haben sie das schon gemacht. Beispielsweise durch Bundles, die das Abgreifen der Links und den Wiederverkauf erschweren. Hat es was genützt? Eher nicht.
    Was ich bis heute nicht verstanden habe, ist tatsächlich, warum ich nicht einfach irgendwo meine Zahlungsdaten hinterlege und wenn die Einträge vor mir abgearbeitet sind, wird meine Zahlung abgewickelt und mir eine Konsole zugeschickt. Fragt mal Apple, wie das geht.
    Sony selber könnte noch nach der PSN ID schauen, ob der Account überhaupt genutzt wird, wie alt er ist, ob es vielleicht ein Plus Mitglied ist und anhand dieser Daten priorisieren. Das wäre in meinen Augen der fairste Weg. Vor allem wenn der Salat wirklich noch ein Jahr so geht, muss Sony den Vetrieb selber in die Hand nehmen. Finde das einen guten Weg.

  5. Vielen Dank liebe gameswirtschaft. Sie haben den Nagel mit diesem Artikel auf den Kopf getroffen. Hoffentlich lesen den die großen wie mediamarkt und Saturn. Denn sonst bekommen die gar keine ps5 mehr von Sony wenn sich bei dem chaotischen bestellprozess nichts ändert. Ich versuche seit Januar eine ps5 zu ergattern. Aber als arbeitende Bevölkerung hat man keine Chance.

  6. Keiner der großen Händler hat etwas gegen die scalper unternommen. Ihnen war es egal wo die Konsolen landen. Hauptsache innerhalb von Minuten verkauft. Diesbezüglich habe ich kein Mitleid mit den Händlern. Wenn dieses Problem durch Sony jetzt gelöst wird z.B. durch nur eine Konsole pro PlayStation Network account ist mir auf jeden Fall mal geholfen. Ich will einfach nur eine Konsole bestellen können, da wäre es mir auch egal wenn ich noch 3-4 Monate warten muss. Bei der bisherigen Form des Vertriebes hatte ich nicht einmal die Chance zu bestellen. Konsole war bereits mehrfach im Warenkorb aber zum bezahlen bin ich nie gekommen.

  7. Meine PS gab es bei Media Markt, pünktlich zum Release.
    Daher kann ich die Aussage nicht teilen

    • Ja, natürlich hat die Abwicklung und Zustellung in Hunderttausenden Fällen gut geklappt – WENN erstmal die Bestellung möglich war. Wer im Februar, März, April, Mai 2021 eine PS5 kaufen wollte, musste vor den Online-Shops ‚campen‘ oder binnen Millisekunden auf Bot-Alarm reagieren. Das kann es ja nicht sein.

  8. Ein guter Beitrag und die Kritik an den etablierten Ketten ist mehr als gerechtfertigt. Unabhängig von der PS5 haben z.B. Media Markt und Saturn während der ganzen Pandemie kein gutes Bild abgegeben. Trotz (oder evtl. wegen?) der Marktmacht sind Bestellprozesse, Lieferzeiten und Kundensupport nicht mal im Ansatz dort wo sie Anno 2021 sein sollten.

    Und statt Corona als Anlass für Innovation zu nutzen ist alles weitestgehend so geblieben wie davor. Ohne Amazon über die Maßen loben zu wollen (Anlass für Kritik gibt es mehr als genug): Dort sind halbwegs faire Preise, schnelle Lieferung, unkomplizierte Retouren und maximale Kundenorientierung sicher. Mediamarkt und Saturn bleiben ein Glücksspiel.

    Meine PS5 habe ich i.Ü. mit viel Glück bei Amazon ergattert. Die Bestellung wurde nicht storniert, abgebucht wurde zur Lieferung, und diese kam pünktlich. Dass all diese Punkte bei den deutschen Branchengrößen nicht selbstverständlich sind spricht Bände.

  9. Microsoft hat ja seit Ewigkeiten keine Konsolen mehr in Ihrem Online-Store angeboten. Gibt es da schon Infos, wann der Verkauf dort wieder fortgesetzt wird?

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