Start Meinung Fröhlich am Freitag 29/2020: Kuchen für alle

Fröhlich am Freitag 29/2020: Kuchen für alle

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Alltag in der Schokoladenfabrik: Kolibri Games versorgt die Belegschaft mit Gratis-Nervennahrung (Foto: Kolibri Games)
Alltag in der Schokoladenfabrik: Kolibri Games versorgt die Belegschaft mit Gratis-Nervennahrung (Foto: Kolibri Games)

Funktionieren Arbeitnehmer mit Abstand am besten? Oder ist Home-Office ein zuverlässiger Killer innerbetrieblichen Zusammenhalts?

Verehrte GamesWirtschaft-Leser,

das morgendliche Lagerfeuer an der Kaffeemaschine inklusive fachkundiger Analyse von Netflix-Episoden und glasklaren Hand-Elfmetern. Der selbstgebackene Geburtstagskuchen der Kollegin. Das am Gaumen zerschellende Pulled Pork des Foodtrucks, der immer dienstags Station macht. Das Feierabend-Bierchen mit den Jungs von der IT. Der zähe Stop-and-Go-Verkehr auf dem Mittleren Ring. Die Klodeckel-Gebrauchsanweisungen, die in heiterer Weise mahnen, man möge doch BITTE die Toiletten so hinterlassen, wie man sie vorgefunden hat. Die Erkenntnis, dass es anstelle des zweistündigen Abteilungs-Meetings auch eine kurze Mail getan hätte.

Auf all das und vieles andere muss verzichten, wer jenen Zustand beibehält, der in ungefähr allen deutschen Games-Unternehmen seit März vorherrscht und mindestens bei vielen US-Publishern noch bis weit in den Herbst hinein gilt: Home-Office.

Mittelständler, Behörden, DAX-Konzerne, sie alle stellen die Büro-Präsenzpflicht in Frage. Gestern hat nun auch die Berliner Ubisoft-Tochter Kolibri Games angekündigt, der 100köpfigen Belegschaft ab September an vier von fünf Tagen freizustellen, wo und wie sie arbeiten: Also wie bisher im Kreuzberger Großraumbüro, wo man Stecknadeln fallen hört, weil Gequatsche unerwünscht ist? Oder aber auf dem Balkon, im Café, im Park oder nur mit Unterhose bewaffnet am Küchentisch?

Die Meldung hat eine muntere Debatte ausgelöst, ob das „denn nicht auch bei uns ginge“, wie mir ein leitender Mitarbeiter eines mittelgroßen Studios klagte.

Fröhlich am Freitag - die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft
Fröhlich am Freitag – die wöchentliche Kolumne bei GamesWirtschaft

Nun ist Heimarbeit für die Spiele-Branche grundsätzlich ungleich einfacher zu bewerkstelligen als für, sagen wir, Landschaftsgärtner, Bestatter oder Schweine-Zerleger beim Tönnies. Bewerbungen sichten, Programmcode optimieren, Marketing-Pläne bauen – dazu genügt ein Laptop.

Die Frage bleibt: Was macht das mit einer Unternehmenskultur und dem innerbetrieblichen Zusammenhalt, wenn der kollegiale Austausch nicht mehr mit einem grummeligen „Moin allerseits!“ beginnt und einem „Ciao!“ endet? Sondern an 180 von 230 Arbeitstagen zwangsläufig in Teams, Zoom, Asana, Slack oder Skype stattfindet?

Mein Eindruck: Je größer, internationaler und jünger die Belegschaft, desto einfacher ist die Umsetzung – bei Kolibri sind die wenigsten älter als 30 Jahre. Bei kleineren Teams oder reiferen Mitarbeitern, die bereits gemeinsam in den Abgrund von Krisen geblickt haben, löst oft schon der Gedanke an heimische Büro- und Schicksalsgemeinschaften mit Kind und Hund leichtes Frösteln aus.

Taugt Kolibri demnach als Blaupause? Das wissen auch die Berliner noch nicht so recht, weil sie ja erst demnächst in die einjährige, innerbetriebliche Open Beta starten.

Wie sich berufliche Fernbeziehungen auf Klima, Moral und Ergebnis auswirken, wird jede Firma also individuell beantworten und herausfinden müssen. Jetzt wäre in jedem Fall ein guter Zeitpunkt, um sich gemeinschaftlich zu fragen, ob man mittelfristig in die Prä-Corona-Arbeitswelt zurück möchte – oder ob es auch ohne Rush-Hour-Stau und Geburtstagskuchen geht.

Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen

Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft


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