Mit dem Startschuss für die staatliche Computerspiele-Förderung ist große Verantwortung verbunden: Die Branche muss nun liefern – und Zusagen halten.
Fröhlich am Freitag 17/2019: Die wöchentliche Kolumne aus der Chefredaktion
Verehrte GamesWirtschaft-Leser,
im Foyer der SPIEGEL-Zentrale in Hamburg ist ein metallener Schriftzug angebracht: „Sagen, was ist“. Darunter die stilisierte Unterschrift von SPIEGEL-Gründer Rudolf Augstein.
Sagen, was ist. Augsteins berühmter Leitspruch ist Anspruch und Haltung des Nachrichtenmagazins. Jeder Mitarbeiter wird allmorgendlich beim Betreten des Gebäudes daran erinnert – und handelt im besten Fall danach. Was oft gut, manchmal überhaupt nicht klappt.
Wer sich vorgenommen hat, zu sagen, was ‚ist‘, schlüpft zwangsläufig in die Rolle des Erklärers und Übersetzers. Denn Politiker, Ministerien, Unternehmen und (Lobby-)Verbände sind Meister darin, dem Ist-Zustand einen gewissen Spin zu geben. Die Aufgabe von möglichst gut vorbereiteten, hartnäckigen Moderatoren und Reportern besteht wiederum darin, die steilen Thesen, Plattitüden, Nebelkerzen oder mutmaßlichen „Fakten“ zu erkennen und einzuordnen.
Zu den geläufigsten Euphemismen gehört zum Beispiel das Schlagwort „Förderung“. Das klingt so freundlich, konstruktiv und zukunftsgerichtet, dass man es nur gut finden kann. Tatsächlich reden wir von einem staatlichen Eingriff zum Wohle einer Industrie, also von einer klassischen Subvention – als Bürgschaft, als Darlehen, als Steuer-Rabatt, als Preisbindung, als Zuschuss.
Ob es sich aus Sicht der Öffentlichkeit um eine coole „Förderung“ oder weniger coole „Subvention“ handelt, hängt üblicherweise von der Branche ab – Diesel und Steinkohle werden zum Beispiel subventioniert, Elektro-Mobilität und Solar-Energie hingegen gefördert. Achten Sie mal drauf. Alles, was in Richtung Kultur geht – der Kinofilm, die Zeitung, das Buch, das Orchester, das Kammerspiel – ist per se super, ergo: Förderung. Aber eben auch: eine Subvention, bezahlt von Ihnen, den Steuerpflichtigen.
Subvention heißt: Der Staat leitet Ihr Geld in Wirtschaftszweige, die es dringend nötig haben. Es gibt Branchen, die ohne staatlichen Beistand nicht einen Tag überleben könnten. Auch Deutschlands Games-Entwickler sind auf Unterstützung angewiesen. Argument: Ohne Zuschüsse würde die hiesige Spiele-Wirtschaft am Weltmarkt künftig noch weniger statt finden als in den vergangenen Jahren.
Den Finanzbedarf für das angestrebte „level-playing-field“ hat der Industrie-Verband auf den Euro exakt ausgerechnet und diese Zahl bei der Politik immer und immer und immer wieder platziert. So lange, bis der Haushaltsausschuss grünes Licht gegeben hat – und Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) jetzt 50 Millionen Euro verteilen darf.
Deutschlands Steuerzahler werden sich also ab sofort finanziell an der Entwicklung von Computerspielen und Apps made in Germany beteiligen. Denn Scheuer-Geld ist in erster Linie Steuer-Geld – das sollte man sich vor Augen halten, wenn lapidar von „Förderung“ die Rede ist.
Kein Wunder also, dass der (nicht gänzlich unumstrittene) Bund der Steuerzahler zum wiederholten Male laut aufheult und die Milliarden-Branche an das Konzept der freien Marktwirtschaft erinnert. Zumal es bei den anfänglichen 50 Millionen Euro Scheuer-Geld ja nicht bleiben wird. Zusätzliche, fest budgetierte 5 bis 10 Millionen Euro sind ab Einführung zwingend nötig, sagt der Verband – pro Jahr. Im allerbesten Fall steuern wir binnen fünf Jahren also auf jährliche Zuschüsse von 100 Millionen Euro zu.
Schon auf halber Strecke, nämlich spätestens in zweieinhalb Jahren, konstituiert sich eine neue Bundesregierung – mit neuen Ministern, neuen Ressort-Zuschnitten, neuem/neuer Kanzler/in und neuem Haushalt. Bei der Halbzeitbilanz wird sich weisen, in welchem Umfang die versprochenen Hebeleffekte ein- und zutreffen – also ob die Games-Unternehmen tatsächlich zusätzliche 400 Millionen Euro investieren und dadurch neue Studios, Jobs und Qualitäts-Spiele entstehen. An diesen Ankündigungen wird sich die Branche messen lassen müssen.
Das Scheuer-Geld ist jedenfalls da, Unternehmer und Entwickler sind jetzt in der Bringschuld. Zeit für Taten. Zeit zu sagen, was ist – und was kommt.
Ein schönes Wochenende wünscht Ihnen
Petra Fröhlich
Chefredakteurin GamesWirtschaft
Alle Folgen unserer Kolumnen-Serie finden Sie in der Rubrik „Meinung“. Tipp: gleich den kostenlosen GamesWirtschaft-Newsletter abonnieren – und Sie erhalten die aktuelle Ausgabe allwöchentlich frei Haus ins Postfach.