Er vertritt Youtube-Stars wie Paluten, PietSmiet und LeFloid: Agentur-Chef Boris Lehfeld über das Influencer-Geschäft, LetsplayerInnen und Glaubwürdigkeit.
[no_toc]Drei Jahre lang war er beim Branchenverband BIU für die Kölner Gamescom zuständig – im September 2016 gründete Boris Lehfeld die 2nd Wave GmbH, zusammen mit den Youtube-Größen PietSmiet und Florian Mundt (LeFloid).
Seitdem ist ein Jahr vergangen. Nicht nur der Umsatz seiner Berliner Agentur ist kräftig gewachsen, auch die Reichweiten der von ihm vermarkteten Social-Media-Stars. Alleine auf Youtube erreichen seine Klienten mehr als 11 Millionen Abonnenten, die Twitter-, Instagram- und Facebook-Follower gehen ebenfalls in die Millionen.
Kein Wunder, denn das 2nd-Wave-Portfolio liest sich wie das Who’s Who der deutschen Webvideo-Szene: LeFloid, Paluten, PietSmiet, Sarazar, Frodoapparat, das Comedy-Duo Space Frogs und seit neuestem Sängerin, Synchronsprecherin und Letsplayerin Lara Trautmann alias Lara Loft.
Nur wenige sind in der deutschen Letsplay- und Influencer-Szene besser vernetzt als Boris Lehfeld. Ein Jahr nach dem Start von 2nd Wave zieht er eine erste Zwischenbilanz und erklärt, wie es hinter den Kulissen der Youtube-Branche zugeht.
Influencer-Experte Boris Lehfeld: „Eine der besten Entscheidungen meines Lebens“
GamesWirtschaft: 2nd Wave feiert in diesem Monat Geburtstag – wie lautet dein Fazit nach dem ersten Jahr? Was lief gut, was weniger gut als erwartet?
Lehfeld: Die Gründung von 2nd Wave war eine der besten Entscheidungen, die ich bislang in meinem Leben getroffen habe. Meine optimistischen Erwartungen im Vorfeld wurden weit übertroffen. Dadurch, dass ich zum einen schon sehr etablierte Künstler unter Vertrag hatte und ich in meinen vorherigen Tätigkeiten schon viele wertvolle und wertgeschätzte Kontakte aufbauen konnte, sind natürlich auch viele der ansonsten üblichen Startschwierigkeiten von Neugründungen ausgeblieben und ich konnte zusammen mit meinem Team gleich voll durchstarten.
Glücklicherweise ließ sich passend zu den Künstlern auch parallel ein großartiges Team von Mitarbeitern aufbauen – mit dem wir jetzt die täglichen Herausforderungen bewältigen. Ich muss die Leser von GamesWirtschaft also leider enttäuschen: Nichts lief weniger gut als erwartet – und darüber bin ich sehr froh.
Wie hat sich die Kunden-Struktur verändert? Welchen Anteil hat der Games-Sektor bislang und künftig?
Der Games-Sektor ist aktuell nicht aus dem Portfolio von 2nd Wave wegzudenken. Viele der Influencer, die wir exklusiv betreuen, stammen ja aus dem Gaming und machen natürlich weiterhin das, womit sie groß geworden sind und woran sie den meisten Spaß haben.
Gaming wird also auch weiterhin eine der tragenden Säulen von 2nd Wave bleiben. Aber unser Bestreben ist es, die „Künstler“ raus aus Ihrer Komfort-Zone zu holen und sie für andere Branchen attraktiv zu machen. Dadurch erweitern wir die Kundenstruktur und ernten bereits die ersten erfolgreichen Früchte dieser Arbeit. Mittlerweile zählen wir Namen aus dem Automobilbereich, dem Mobilfunk, Textilien und Food zu unseren Kunden.
„Mein Tipp an Kunden und Influencer: Redet einfach miteinander“
Was sind die hartnäckigsten Vorurteile und Fehleinschätzungen auf Kundenseite, denen du regelmäßig begegnest?
Immer wieder muss ich die Ängste besänftigen, dass eine Influencer-Kampagne bedeutet, dass jegliche Kontrolle abgegeben wird. Diese Ängste lassen sich aber leicht durch eine gemeinsame Konzeption entschärfen – Marke, Influencer und die jeweils verantwortlichen Kreativköpfe klären gemeinsam ihre jeweilige Erwartungshaltung ab.
Wichtig ist dabei, dass es eine Person gibt, die Erfahrung hat, beide Seite grundlegend zu verstehen: Wie denkt der Influencer? Was will die Marke mit der Kampagne erreichen? Wie können beide Seiten gemeinsam glücklich werden? Das gelingt uns sehr gut und dadurch sinkt das Frustpotenzial bei der anschließenden Umsetzung nahezu auf null.
So simpel es auch sein mag: Redet einfach miteinander und sagt euch klar und deutlich, wo eure Bedenken liegen – gemeinsam findet man meistens eine Lösung. Jede gescheiterte Influencer-Kampagne, die ich bisher am Markt gesehen habe, lässt sich meiner Ansicht nach auf fehlende Kommunikation zurückführen.
Für viele Firmen ist Influencer-Marketing noch ein Projektgeschäft, sodass der Abstrahleffekt meist geringer ausfällt als möglich – um die Abstrahleffekte aber möglichst effizient zu nutzen, sollten Firmen gemeinsam mit ihren Agenturen über langfristigere Strategien beim Influencer-Marketing nachdenken.
In welche Richtung soll sich 2nd Wave in den kommenden Jahren entwickeln? Werdet ihr beispielsweise weitere Influencer unter Vertrag nehmen?
Wir werden gezielt noch den einen oder anderen Influencer unter Vertrag nehmen, aber Genaueres ist noch nicht spruchreif. Es bleibt auf jeden Fall spannend und 2nd Wave wird weiterhin wachsen – allerdings nicht um jeden Preis.
Mir ist es weiterhin extrem wichtig, dass der persönliche Draht zum Influencer vorhanden ist und es sich nicht um eine reine Business-Beziehung handelt. Ich will Spaß bei der Arbeit haben, die Influencer wollen Spaß bei der Arbeit haben – also klappt die Zusammenarbeit dann am besten, wenn wir alle zusammen Spaß bei der Arbeit haben. Mit dieser Philosophie bin ich im ersten Jahr ausgezeichnet gefahren und daran werde ich deshalb auch nichts ändern.
„Wir müssen nicht jede Anfrage annehmen“
Was unterscheidet 2nd Wave von einem klassischen Multichannel-Netzwerk wie Studio 71, Mediakraft oder Allyance? Was könnt ihr leisten – und was nicht?
2nd Wave ist eher mit einem Spielerberater aus dem Fußballbereich als mit einem klassischen Multichannel-Netzwerk vergleichbar: Ich will das beste Ergebnis für meine Influencer rausholen und nicht das beste Ergebnis für mich – hier unterscheiden sich glaube ich viele der Institutionen, die sich dem „Managen“ von Influencern verschrieben haben.
Wenn meine Influencer Erfolg haben und glücklich sind, dann kommt mein Erfolg und mein Glück als logische Konsequenz. Der umgekehrte Weg kann schnell zu einer Sackgasse werden – da gab es ja einige prominente Beispiele. Dazu gehören sicher auch Versprechungen, die später nicht gehalten werden können.
Durch die persönliche Bindung zu den Influencern, ist unser Arbeitsalltag nicht auf die pure Vermarktung ausgelegt, bei uns geht es um Entwicklung und langfristige Ziele und wie man diese gemeinsam erreichen kann. Der reine Sales-Aspekt tritt oft in den Hintergrund. Und dadurch, dass unsere Influencer schon sehr etabliert sind, müssen wir auch nicht jede Anfrage annehmen. Aktuell sagen wir deutlich über die Hälfte der Anfragen ab, weil die Produkte oder Konzepte nicht passen beziehungsweise wir die Konzepte nicht ändern können.
Von Youtubern ist zu hören, dass die Werbeeinnahmen auf einigen Kanälen drastisch eingebrochen sind. Kannst du das bestätigen? Und wenn ja, wie reagiert ihr auf diese Entwicklung?
Dadurch, dass sich 2nd Wave nicht um die reine Werbevermarktung von Kanälen kümmert, wäre diese Frage besser an ein Multichannel-Netzwerk gerichtet. Dort würden diese Einbrüche sicherlich bestätigt werden. Teilweise kommunizieren die YouTuber diese Zahlen ja auch sehr offensiv.
2nd Wave hat seinen Fokus bei Influencer-Kampagnen, die auf Glaubwürdigkeit und Relevanz beruhen, und ist deshalb weitgehend unabhängig von den Werbeeinnahmen einzelner Kanäle. Aber natürlich spreche ich auch mit meinen Influencern über solche Fälle und entwickle gemeinsam mit ihnen Gegenstrategien, damit sie sich aus der zunehmenden Abhängigkeit von einzelnen Plattformen lösen können. Hier sind wir dann auch wieder bei der eingangs angesprochenen Komfort-Zone. Raus da – denn Stillstand bedeutet Rückschritt!
„Das Interesse der Kunden an Live-Streaming ist groß.“
Euer bestehendes Line-Up hat den Schwerpunkt auf Youtube, also bei Video-Abrufen. Welchen Stellenwert hat das Thema Live-Streaming für euch als Agentur, Influencer und Kunden?
Live-Streaming ist ein extrem spannendes Thema, dem wir auch sehr offen gegenüberstehen. Das Interesse bei Kunden ist ebenfalls groß – allerdings auch die Skepsis: Der technische Aufwand ist verhältnismäßig groß, weil es keine zweite Chance für den ersten Eindruck bei einem Livestream gibt. Viele Kunden denken noch zu stark, dass es sich um einen Einmaleffekt handelt. Dabei kann ein Livestream auch langfristig positiv auf eine Marke abstrahlen.
Der Beratungsbedarf bei Livestreams ist also hoch, den wir aber natürlich gern auf uns nehmen, da Livestreams mit Influencern insbesondere bei Produktpräsentationen und Premieren sehr viel ungenutztes Potenzial bieten.
Deshalb haben wir bei den beiden letzten Künstlern, die in die 2nd Wave Familie aufgenommen wurden, auch zwei Streaming-Experten gewinnen können. Mit Moondye7 und Lara Loft haben wir zwei Partner, die hauptsächlich auf Twitch unterwegs sind und dort zu den erfolgreichsten Künstlern gehören.
Als wichtigste Währung gebt ihr auf der Website „Glaubwürdigkeit“ an – wie äußert sich das in der Praxis? Sprich: Worauf lassen sich die Influencer und du gerade noch ein, worauf nicht? Oder ist es am Ende vor allem eine Frage der finanziellen Größenordnung?
Wir machen wirklich nur das, was in erster Linie zu den Künstlern passt, woran sie Spaß haben und das auch die Marke passt. Wenn nur die Idee gut ist oder nur die Marke sympathisch, dann sagen wir in der Regel nein, es sei denn, wir können das Konzept zu Gunsten des Künstlers anpassen.
Da alle Influencer von 2nd Wave vielbeschäftigte Leute sind, ist Zeit ein dementsprechend kostbares Gut und deshalb muss das Gesamtpaket stimmen. Da hilft es dann auch nichts, wenn ein Kunde noch tiefer in die Brieftasche greifen will – niemand hat Lust auf einen Job, der ihm keinen Spaß macht, wenn er sich seine Jobs aussuchen kann.
Darum gibt es so wenige erfolgreiche Letsplayerinnen
Mit Lara Trautmann alias Lara Loft habt ihr seit kurzem eure erste Klientin an Bord. Wie kam die Zusammenarbeit zustande? Wie erklärst du dir, dass es so wenige Influencerinnen im Gaming-Sektor gibt?
Der Kontakt zu Lara bestand auf persönlicher Ebene schon länger und wir haben schnell rausgefunden, dass wir auch beruflich prima miteinander klarkommen würden. Das war also nur ein logischer Schritt.
Bei Influencerinnen im Gaming-Sektor gibt es das klassische Henne-Ei-Problem: Weil es so wenige Influencerinnen im Gaming-Sektor gibt, gibt es so wenige Influencerinnen im Gaming-Sektor.
Pandorya, Honeyball und Lara Loft sind absolut großartig und ich würde mir sehr wünschen, dass in naher Zukunft noch viel mehr Namen in dieser Aufzählung stehen. YouTube und Twitch könnten deutlich aktiver werden und neue Influencerinnen im Gaming-Sektor viel mehr pushen.
Wie wird sich die Einnahmen-Struktur bei größeren Influencern künftig entwickeln – mit Blick auf Werbung, Abos, Donations, Merchandising, Events und Kampagnen? Was wird wichtiger, was unwichtiger?
Die neuen Werberichtlinien von YouTube zeigen, wie schnell die Abhängigkeit von einer einzigen Plattform zu einer Herausforderung werden kann. Deshalb werden eigenes Merchandising sowie Events und Kampagnen künftig noch wichtiger – dabei sind die Kontrollmöglichkeiten deutlich größer und somit auch das kreative Potenzial.
„Grundsätzliche Entscheidungen treffen LeFloid, PietSmiet und ich gemeinsam.“
An 2nd Wave sind neben dir als Geschäftsführer auch noch Florian Mundt alias LeFloid und das Pietsmiet-Team beteiligt. Wie sieht die Arbeitsteilung in der Praxis aus?
Grundsätzliche Entscheidungen wie zum Beispiel die Aufnahme neuer Influencer treffen wir gemeinsam, während der operative Ablauf bei mir liegt. Der Fokus von Florian und Pietsmiet liegt mehr bei den kreativen Prozessen und der Umsetzung, während ich mich mit dem Team in Berlin um Verträge, Verhandlungen und den ganzen anderen Papierkram kümmere. Bei Brainstormings zu Neugeschäft, Strategien etc. sind wir perfekte Sparringspartner, weil wir uns schon seit Jahren kennen und uns gegenseitig vertrauen.
Abteilung Wunschkonzert: Welchen Youtuber/Letsplayer/Live-Streamer hättest du gerne unter Vertrag?
Sehr spannende und schwierige Frage, die ich so nicht beantworten kann und vor allem auch nicht möchte, weil sonst die Gerüchteküche wahrscheinlich wieder zu kochen beginnt. Ich hätte gerne einen weiblichen PewDiePie mit der Stimme von Gronkh, dem Aussehen von Dner und den verlorenen Dreadlocks von Unge gepaart mit der Größe von KleinaberHanna und der Beweglichkeit von Julien Bam.
Nein im Ernst, Wunschkünstler gibt es eigentlich nicht, da die Basis für eine gute Zusammenarbeit in erster Linie ja das persönliche Verhältnis ist, aber wenn ich mir etwas aussuchen könnte, dann interessiere ich mich schon für Lifestyle und Beauty, weil das Bereiche sind, wo man noch viele Dinge anders machen könnte.
Weitere Informationen zu den Themen Influencer-Marketing, Live-Streaming und Webvideo:
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- Studie: Die Top 100 der österreichischen Youtube-Kanäle
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