Start Wirtschaft Brexit und Games-Branche: „Ich war fassungslos“

Brexit und Games-Branche: „Ich war fassungslos“

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Einer von Tausenden Brexit-Betroffenen in Deutschland: Thomas Cartwright (31) arbeitet beim Hamburger Spielehersteller InnoGames.
Einer von Tausenden Brexit-Betroffenen in Deutschland: Thomas Cartwright (31) arbeitet beim Hamburger Spielehersteller InnoGames.

Der Brexit (be)trifft auch Arbeitnehmer der deutschen Gamesbranche – InnoGames-Mitarbeiter Thomas Cartwright schildert, wie er mit der Unsicherheit umgeht.

[no_toc]Ob ein geordneter Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union letztlich gelingt oder ob es unterwegs zu größeren Verwerfungen kommt, lässt sich seriös kaum vorhersagen. Die Verhandlungslage zwischen Brüssel und London ändert sich von Woche zu Woche, von Tag zu Tag, manchmal von Stunde zu Stunde.

Was aber schon jetzt klar ist: Der Brexit wirkt sich sehr konkret auf das private und berufliche Leben von weit über Hunderttausend Bürgern mit britischem Pass aus, die in Deutschland arbeiten. Umgekehrt gibt es rund eine Viertelmillion Deutsche, die einem Job in Großbritannien nachgehen. Das drohende Ende der sogenannten „Arbeitnehmerfreizügigkeit“ hätte zur Folge, dass beide Gruppen als Bewohner von Drittstaaten eingestuft werden. Eine lange Liste von Aspekten samt der zeitlichen Abfolge sind nach wie vor völlig unklar.

Zu den Betroffenen gehört Thomas Cartwright. Der 31jährige stammt aus Birmingham, hat Physik in Oxford studiert und ist seit vielen Jahren in der Gamesbranche tätig. Seit 2013 arbeitet er als Implementation Manager beim Mobilegames-Riesen InnoGames („Forge of Empires“) in Hamburg. Für GamesWirtschaft legt er dar, wie sich der eventuelle Brexit konkret für ihn und die Branche auswirkt.

Brexit und die Games-Branche: „Ich bewerbe mich um die deutsche Staatsbürgerschaft.“

GamesWirtschaft: Thomas, was war dein erster Gedanke, als du das Wahlergebnis vom 23. Juni 2016 erfahren hast?

Cartwright: Als der BBC-Moderator um 05:39 Uhr „We’re out“ sagte, war ich fassungslos. Ein wichtiger Grundpfeiler, auf dem mein Leben basierte, wurde plötzlich infrage gestellt. Ich hatte Angst, weil dieses ‚Nein‘ zur EU eigentlich nichts Konkretes bedeutet – der weitere Weg war völlig unklar. Das ist heute leider immer noch so.

Wie hat sich der Brexit in der Praxis in den vergangenen Monaten auf das Leben von dir, deinen Freunden, deiner Familie und deinen Kollegen ausgewirkt? Wie kann man sich als Bürger mit britischem Pass gegen die Folgen des Brexits wappnen? Und wie bereitet man sich auf die unterschiedlichen Szenarien vor?

Zum Glück gab es erstmal keine konkreten Auswirkungen – Großbritannien bleibt ein EU-Mitglied, und ich bin immer noch ein Unionsbürger. Es gibt aber eine sehr große Unsicherheit – was passiert, wenn ein ‚No-Deal‘ Brexit zustande käme? Wir werden nicht gleich abgeschoben werden, aber wir müssen mit erheblichen Einschränkungen rechnen, zum Beispiel wenn wir Großbritannien oder andere EU-Länder besuchen wollen.

Um dieser großen Unsicherheit entgegenzukommen, haben ich und viele meiner Landsleute das offene irische Staatsbürgerschaftsrecht genutzt, um sich für einen ‚nachhaltigen‘ EU-Pass zu bewerben. Ein einzelner Großelternteil aus Irland oder sogar Nordirland reicht dafür aus.

Die deutsche Staatsbürgerschaft ist auch eine gute Option. Inzwischen wohne ich lange genug in Deutschland, um mich dafür bewerben zu können. Das mache ich auch, weil ich schließlich im Herzen kein Ire bin – ich will in Deutschland bleiben, mitbestimmen und mich hier politisch engagieren. Für die Leute, für die diese Wege und Möglichkeiten nicht offen sind, bleibt es nur abzuwarten.

Thomas Cartwright: „Wenn es zu einem harten Brexit kommt, stünde die Gamesbranche vor großen Herausforderungen.“

Welche unmittelbaren Folgen erwartest du für die britische und europäische Games-Industrie, falls es zum Brexit kommt?

Da wir virtuelle Ware verkaufen, hätten wir als Branche eigentlich vorerst kein Problem, um unser Produkt zu liefern. Wir würden aber vieles klären müssen: Welche Regeln gelten, wie gehen wir um mit eventuellen großen Wechselkursschwankungen? Wenn es zu einem ‚harten‘ oder sogar ‚No-Deal‘-Brexit käme, ist es klar, dass die Politik eher an einer Lösung für den Handel mit ‚echter‘ Ware arbeiten würden – die Gamesbranche stünde vor großen Herausforderungen.

Für die britische Gamesbranche wird der Brexit es deutlich schwieriger machen, Talente aus dem Ausland zu bekommen. Für die europäische wäre das von Vorteil…

Du bist einer von rund einem Dutzend britischen Angestellten bei InnoGames. Tauscht ihr euch betriebsintern aus oder habt ihr gar eine Art „Arbeitsgruppe“?

Arbeitsgruppe eher nicht, aber wir tauschen uns regelmäßig aus. Ich habe einem Kollegen dabei geholfen, sich für die irische Staatsbürgerschaft zu bewerben und ein paar andere zur deutschen Staatsbürgerschaft beraten. Unser Ziel ist eher, Deutschland zu erleben und uns zu integrieren.

Gibt es abseits der negativen Begleiterscheinungen auch positive Effekte durch den Brexit für britische Staatsbürger, die im EU-„Ausland“ arbeiten?

Wir haben jetzt endlich ein Thema, das wir mit jedem EU-Bürger diskutieren können – ‚Smalltalk‘ ist damit abgehakt! Ich weiß aber nicht, ob das so viel wert ist…