Seit 15 Jahren gehört Blue Byte zu Ubisoft – und hat sich in dieser Zeit immer wieder neu aufgestellt. Weil Free2play schwächelt, wird das Studio jetzt zum PC-Kompetenzzentrum. Erster Großauftrag: For Honor.
[toc]Als Blue Byte anno 2001 von Ubisoft gekauft wurde, war Benedikt Grindel der erste Mitarbeiter, der seinen Schreibtisch in der neuen Abteilung eingeräumt hat. Jetzt sitzt der inzwischen zum Studioleiter aufgestiegene Düsseldorfer auf der Couch des Ubi-Gamescom-Business-Stands und skizziert, wie die Zukunft von Blue Byte aussieht.
Bereits seit zwei Jahren setzt Grindel mit seinem Team die neue Studio-Strategie um, die eine Perspektive für die 300 Mitarbeiter an den Standorten Düsseldorf und Mainz bieten soll. Denn spätestens seit diesem Zeitpunkt ist klar, dass Blue Bytes Free2play-Sortiment – also Browsergames und Apps – bestenfalls stagniert und daher nicht Teil dieser Perspektive sein kann. Das Ergebnis: Das Studio stoppt alle Neuentwicklungen in diesem Bereich und konzentriert sich künftig ausschließlich auf eigene PC-Spiele-Marken und die PC-Portierung von Ubisofts Konsolen-Sortiment.
Lediglich ein Rumpfteam kümmert sich noch um die Betreuung von Die Siedler Online, Might & Magic Online und ANNO Online. Andere Titel wie Panzer General Online und Silent Hunter Online tauchen schon gar nicht mehr auf der Website auf.
Update vom 25. August: Laut Ankündigung auf der Website werden Silent Hunter Online sowie Panzer General Online am 31. Oktober 2016 abgeschaltet. Bereits seit Anfang 2014 bzw. August 2015 wurden keine weiteren Patches und Updates bereitgestellt. Auch weitere Ubisoft-Free2play-Spiele – darunter Ghost Recon Phantoms und The Mighty Quest for Epic Loot – werden zum 1. Dezember bzw. 25. Oktober eingestellt.
Blue Byte 2016: Abschied von Free2play
Mittelfristig ist also Schluss mit Free2play, stattdessen heißt es „Volle Kraft voraus“ in Sachen PC-Spiele: Blue Byte erfindet sich neu – zum wiederholten Male. Das Studio spricht selbst von einem „Wendepunkt“. Und das ist keine PR-Übertreibung. Denn jahrelang war Blue Byte explizit diejenige Abteilung bei Ubisoft, die anderen internen Studios erklärt hat, wie der Hase im Free2play-Geschäft läuft. Management und Entwickler konnten ihr Glück kaum fassen, wie sensationell das 2010 gestartete Browsergame Die Siedler Online über Jahre hinweg funktionierte. In diesem Zeitraum verfünffachte sich auch die Zahl der Mitarbeiter, heute gehört Blue Byte zu den Top 10 der größten Spielehersteller Deutschlands.
2015 war nach Unternehmens-Angaben das erfolgreichste Jahr für Die Siedler Online. Doch die Zeiten des ungestümen Wachstums sind vorbei. Einen Nachfolger für die beiden Browserspiel-Dauerbrenner wird es genauso wenig geben wie neue Projekte in dieser Sparte. Dies gilt auch für Free2play-Apps wie ANNO: Erschaffe ein Königreich und Kauf-Apps wie Assassin’s Creed: Identity.
Das im Frühjahr veröffentlichte Action-Adventure für Smartphones und Tablets wurde in Düsseldorf entwickelt und firmiert unter „Achtungserfolg“ – üblicherweise eine Chiffre für „Ganz okay, hätte aber besser laufen können“.
Blue Byte 2016: Die Zukunft von ANNO
90 Prozent der Programmierer, Grafiker und Spieldesigner sind bereits jetzt ausschließlich mit klassischen PC-Spiele-Projekten beschäftigt. Natürlich sollen neue Ableger von Die Siedler und ANNO entstehen – beides bleiben Aushängeschilder von Blue Byte. In gewisser Weise geht Blue Byte damit back to the roots, nachdem die Siedler-Reihe ab Mitte der 90er zu einer der stärksten PC-Marken made in Germany avancierte. 2007 entwickelte sich dann aus dem Ein-Marken-Studio ein Zwei-Marken-Studio: Als Mitgift der Sunflowers-Übernahme wurde ANNO ein Teil der Blue-Byte-Familie.
Doch ANNO hat sich zuletzt schwer am Markt getan. Das entschlackte ANNO 2205 stieß bei der Stammkundschaft nicht auf flächendeckende Zustimmung und verkaufte sich deutlich schleppender als der Vorgänger ANNO 2070. Das Mainzer Studio arbeitet nun mit Hochdruck an Updates und DLCs; im April wurde das Spiel mit dem Deutschen Computerspielpreis als „Bestes deutsches Spiel“ ausgezeichnet. Gleich vier neue PC-Titel entstehen derzeit in der rheinlandpfälzischen Blue-Byte-Filiale.
Blue Byte 2016: Warten auf Die Siedler 8
Etwas undurchsichtiger ist die Lage bei Die Siedler. Seit mehr als sechs Jahren warten Fans auf die offizielle achte Auflage des Aufbau-Strategieklassikers. Eigentlich sollte vor zwei Jahren mit Die Siedler: Königreiche von Anteria ein Online-Only-Multiplayer-Ableger auf den Markt kommen. Doch der erklärungsbedürftige Aufbau-Strategie-Action-Rollenspiel-Mix hatte von Anfang an einen schweren Stand bei Fans und Presse.
Entwicklerteam, Spielprinzip und Geschäftsmodell wurden daraufhin massiv umgebaut, der Zusatz „Die Siedler“ verschwand aus dem Titel, am 30. August erscheint nun „Champions of Anteria“ als Singleplayer-Midprice-Titel für 30 Euro.
Ein „etwas untypischer Titel für Blue Byte“, wie Studioleiter Grindel zugibt.
Blue Byte: For Honor, Rainbow Six und weitere PC-Projekte
Die nun ausgegebene PC-Spezialisierung innerhalb der Ubisoft-Familie ist eine erneute Metamorphose der ältesten noch existierenden Spieleschmiede der Republik. Auf der Gamescom wurde mit der PC-Umsetzung des Mittelalter-Action-Spiels For Honor (erscheint im Februar 2017) bereits das erste konkrete Projekt angekündigt, parallel produziert Blue Byte auch Erweiterungen für den bereits erschienenen Taktik-Shooter Rainbow Six Siege.
Blue Byte widmet sich all den Finessen, die PC-Spieler glücklich machen: Auflösung und Detailgrad bis zum Anschlag, unlimitierte Framerate, Maus-/Tastatur-optimierte Steuerung, Modding-Tools – und die enge Absprache mit den relevanten Prozessor- und Grafikkarten-Herstellern, um das letzte Fitzelchen an Performance herauszukitzeln.
Die Botschaft ist klar: Mögen die PlayStation-4- und Xbox-One-Versionen von Blockbustern wie Watch Dogs, Ghost Recon, Far Cry oder Assassin’s Creed in Montreal, Toronto oder Shanghai entstehen – wenn es um die PC-Version geht, schlägt die Stunde der Experten aus der Düsseldorfer Adlerstraße.
Der PC stand zuletzt für gut ein Viertel aller Ubisoft-Verkäufe – die Plattform hat also erhebliche Relevanz für den Publisher. Wenn alles nach Plan läuft, soll das Studio mittelfristig permanent an drei bis vier größeren Ubisoft-Produktionen mitwirken. Auch an der Weiterentwicklung der Online-Plattform uPlay ist Blue Byte beteiligt.
Wer die Dynamik in der Spielebranche kennt, ahnt: Dies wird nicht die letzte Sich-selbst-neu-Erfindung von Blue Byte gewesen sein. Und das ist auch gut so.
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