
Ein Interview-Nebensatz zu einer möglichen Zukunft der Herr der Ringe-Sparte bei Amazon lässt Aktionäre der Embracer Group aufhorchen.
Allzu viel Frohsinn hat die Embracer-Aktie den Investoren in den vergangenen Jahren nicht bereitet: Das Papier des schwedischen Games- und Entertainment-Konzerns notiert aktuell bei knapp 2,50 € und ist somit weit entfernt von einstigen Höchstständen. Seit den letzten Quartalszahlen im August 2024 hat sich der Embracer-Kurs allerdings langsam und stetig nach oben gekämpft.
Fundamental hat sich an der Lage nicht viel geändert: Das Unternehmen steckt infolge einer veritablen Krise weiterhin in einem umfassenden Restrukturierungs- und Sanierungs-Prozess, der das gigantische Portfolio an Marken, Studios und Beteiligungen flurbereinigt.
Am Ende dieses Vorgangs wird es drei eigenständige, börsennotierte Unternehmen geben:
- den Brettspiel-Spezialisten Asmodee
- Coffee Stain & Friends – inklusive THQ Nordic und einer langen Liste an Tochter-Studios
- Middle-Earth Enterprises – inklusive Plaion (Kingdom Come: Deliverance, Dead Island 2 usw.), Crystal Dynamics (Tomb Raider) und Middle-Earth Enterprises, wo die Lizenzrechte am Der Herr der Ringe-Universum liegen.
Für Aufsehen und Kurs-Fantasie sorgte nun ein Exklusiv-Interview des US-Magazins Variety mit Amazon-Top-Managerinnen: Jennifer Salke (Head of Amazon MGM Studios) und Kelly Day, Vice President of International für Prime Video.
Amazon arbeitet schon seit Jahren eng mit Lizenzgeber Embracer zusammen – gemeinsam entsteht zum Beispiel ein neues Herr der Ringe-Online-Rollenspiel, das im März 2023 angekündigt wurde. Im Mai 2024 folgte die Meldung, dass das Embracer-Studio Crystal Dynamics mit Amazon MGM Studios weitere Tomb Raider-Auswertungen fürs Kino und den Streaming-Dienst Amazon Prime entwickelt. Mit Die Ringe der Macht produziert Amazon außerdem eine eigene Herr der Ringe-Serie mit bislang zwei Staffeln.
Gefragt nach einer möglichen Übernahme der kriselnden Embracer Group durch Amazon antwortet Amazon-Managerin Jennifer Salke gegenüber Variety vielsagend: „Wir sprechen laufend über solche Möglichkeiten, aber ich habe diesbezüglich noch nichts mitzuteilen – Stand jetzt“.
Ein Dementi klingt anders.
Embracer Group hat Middle-Earth Enterprises im August 2022 für 360 Mio. € erworben – damals noch in einer Phase, die im Zeichen milliardenschwerer Zukäufe stand. Die Zeit titelte: „Ein Konzern, sie alle zu kaufen“, in Anlehnung an das berühmte Tolkien-Zitat.
Ein stärkeres Engagement würde zur Amazon-Strategie passen, wonach das Inhalte-Angebote stetig ausgeweitet wird: So ist ab heute das Online-Rollenspiel New World: Aeternum für PlayStation 5, Xbox Series X/S und PC erhältlich.
Würde das Lord of the Rings-Filetstück herausgelöst, verbliebe seitens Embracer ein in der Wolle gefärbter Spielehersteller – mit Dutzenden Entwicklern (u. a. 4A Games, Warhorse, Milestone, Eidos Montreal, Fishlabs, Dambuster) sowie umfangreichen Publishing- und Distributions-Strukturen. Die Vorzeichen würden sich umkehren: Aus dem Lizenznehmer Amazon würde ein Lizenzgeber. Denkbar ist auch ein gemeinsames Joint-Venture zur Auswertung von Mittelerde-Themen für Leinwand, TV, Konsole, PC und Smartphone.
Doch das ist Zukunftsmusik – oder wie es Amazon formulieren würde: „Stand jetzt“. Wenn man weiß, dass die Embracer Group wichtige Entscheidungen im Umfeld von Geschäftszahlen platziert, könnte der 14. November von Relevanz werden: An jenem Donnerstag verkündet Embracer-CEO Lars Wingefors die Zahlen fürs 2. Finanz-Quartal (Juli bis September).
