Start Sport Spart sich Schalke 04 den E-Sport?

Spart sich Schalke 04 den E-Sport?

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Schalke hat den E-Sport-Betrieb in die FC Schalke 04 Esports GmbH ausgelagert (Abbildung: Riot Games / Konami)
Schalke hat den E-Sport-Betrieb in die FC Schalke 04 Esports GmbH ausgelagert (Abbildung: Riot Games / Konami)

Der FC Schalke 04 muss dringend sparen – alles kommt auf den Prüfstand. Gilt dies auch für das Millionen-Investment ins E-Sport-Geschäft?

„Es tut mir wirklich leid für unsere Fans, die all das jetzt durchmachen. Es tut mir auch leid für unsere Spieler, die alles dafür geben, sich jeden Tag zu verbessern. Nach schlechten Zeiten kommen bessere Zeiten. Wir machen das wieder gut – eher früher als später, das verspreche ich. Glück auf!“

Der, der das am Sonntag twittert, arbeitet zwar für den FC Schalke 04, heißt aber nicht David Wagner, sondern Tim Reichert. Der Geschäftsführer der FC Schalke 04 eSports GmbH steht unter Druck. Denn es läuft nicht gut für die Knappen – in der Bundesliga ohnehin nicht, aber ebenso wenig an PC und Konsole.

Reicherts Tweet bezieht sich auf die jüngste Phase der League of Legends European Championship (LEC), der höchsten europäischen Spielklasse in der populärsten E-Sport-Disziplin. Schalke 04 ist der einzige Fußballverein, der auf diesem Niveau mitspielen will. Die jüngste Gruppenphase beendeten die Gelsenkirchener auf dem letzten Tabellenplatz: Sieben Spiele – davon null Siege und sieben Niederlagen. Die Teilnahme an Playoffs und WM hat Schalke abgeschrieben – der Blick richtet sich längst auf 2021.

Immerhin ist in der LEC kein Abstieg vorgesehen: Wer drin ist, bleibt drin.

Das liegt am Franchise-Modell von „League of Legends“-Hersteller Riot Games: Schalke 04 hat für diesen Startplatz acht Millionen Euro ausgegeben, um fünf Jahre dabei sein zu dürfen. Die Fans haben diese Nebentätigkeit bislang emotions- und klaglos hingenommen – selbst dann noch, als die Schalke-Mitglieder vor wenigen Wochen via „Härtefallantrag“ nachweisen sollten, warum sie die Ticket-Rückerstattung denn unbedingt jetzt benötigen würden.

Doch nach den Rücktritten von Finanzchef Peter Peters und Aufsichtsrat Clemens Tönnies ist auf Schalke nur eines sicher: dass nichts sicher ist. „Wir müssen jetzt die Stopp-Taste drücken, um Schalke 04 durch Corona zu steuern“, kündigte Marketing-Vorstand Alexander Jobst bei der Pressekonferenz am 1. Juli an.

 

Schalke ächzt unter einem fast 200 Millionen Euro hohen Schuldenberg, der durch fehlende Ticket-Einnahmen absehbar kaum abgeschichtet werden kann. Deshalb greift ein Sparprogramm: Gehälter und Etat werden gedeckelt, Infrastruktur-Projekte kommen auf den Prüfstand. Beim Land Nordrhein-Westfalen liegt offenkundig ein Antrag für einen 40-Millionen-Euro-Kredit vor.

Mit Erlösen aus dem internationalen Geschäft – also Europa League oder gar Champions League – wird auf Schalke auf Jahre hinaus nicht kalkuliert. Die Demut hat Gründe: Seit Februar hat Königsblau kein Spiel mehr gewonnen. Am letzten Bundesliga-Spieltag hat sich Schalke 04 vom SC Freiburg standesgemäß mit 4:0 aus dem Breisgau schießen lassen.

Traditionsverein in Not: Spart sich Schalke 04 den E-Sport?

Bei der Wette auf die Zukunft habe der Verein in den vergangenen Jahren mehrfach verloren, räumt Jobst ein.

Gilt das auch für den E-Sport?

Das Geschäftsfeld ist für Schalke in erster, zweiter und dritter Linie ein „Investment“, noch dazu mit „enormem Potenzial“ – daran hat Schalke-Manager Jobst in Interviews und bei Konferenz-Auftritten nie auch nur einen Hauch eines Zweifels gelassen. Der E-Sport, er soll, er muss sich selbst rechnen – in erster Linie über Sponsoren- und Preisgelder, Transfers, Merchandise, Streaming, Internationalisierung. „E-Sport wird in Zukunft dazu beitragen, dem Schalke 04 wirtschaftlich die nächsten Schritte zu ermöglichen und das Hauptgeschäft Fußball weiter zu fördern“, prophezeite Jobst. Das Geschäftsmodell sei nahezu deckungsgleich mit dem Bundesliga-Business.

Als einziger Fußball-Bundesligist tritt der FC Schalke 04 in der höchsten "League of Legends"-Spielklasse an (Foto: Riot Games)
Als einziger Fußball-Bundesligist tritt der FC Schalke 04 in der höchsten „League of Legends“-Spielklasse an (Foto: Riot Games)

Von diesen Verheißungen hatte sich auch Langzeit-Aufsichtsratsboss Tönnies letztlich überzeugen lassen. Seine Marke „Tillman’s Toasty“ ist einer der Sponsoren des E-Sport-Betriebs – neben Hauptsponsor R+V, der AOK Nordwest, der Energy-Brause Braineffect, Speichermodul-Produzent Corsair, der Deutschen Glasfaser, „PES 2020“-Hersteller Konami und der VR-Bank Westmünsterland.

Einzelne Verträge enden 2020 – Verlängerung: ungewiss.

Denn klar ist auch: Werbetreibende wollen ihre Marke in einem Sieger-Umfeld platziert sehen – was zuletzt eher schlecht als recht gelungen ist. Denn „League of Legends“ ist längst nicht die einzige Baustelle von E-Sport-Leiter Tim Reichert, übrigens Co-Gründer von SK Gaming und Bruder von ESL-Chef Ralf Reichert. Auch bei „FIFA 20“ läuft es nicht rund: Die Weltmeisterschaft wurde coronabedingt abgebrochen – bei der zu Ende gespielten Virtual Bundesliga waren die Schalke-Profis nur Zuschauer. Und das, obwohl der Verein auf Ressourcen zurückgreifen kann, wie es – laut Eigenwerbung – „kaum eine E-Sport-Organisation in Deutschland kann“. Der „eFootball PES“-Kader hält sich derweil mit brotlosen Charity-Turnieren warm.

„Die E-Sport-Abteilung hat in den vergangenen Jahren ein sehr stabiles, nachhaltiges Geschäftsmodell entwickelt und einen enormen Wertzuwachs erleben dürfen“, beteuert Tim Reichert auf GamesWirtschaft-Anfrage. „Natürlich nehmen wir – aufgrund der veränderten globalen wirtschaftlichen Situation – auch im E-Sport gewisse Anpassungen vor. Grundsätzlich gilt aber, dass der E-Sport ein Wachstumsmarkt ist, der weiterhin eine hohe Bedeutung für den FC Schalke 04 besitzt.“

Groko-Pläne: Gemeinnützigkeit von Schalke gefährdet

Ungemach droht auch noch von einer anderen Seite: Denn der Fußball-Club Gelsenkirchen-Schalke 04 e.V. verfolgt laut Satzung „ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke“. Die Groko-Parteien wollen die Ausübung von E-Sport künftig nur solange als gemeinnützig akzeptieren, sofern es sich um „elektronische Sportsimulationen“ handelt. Dies trifft auf „FIFA 21“ und „eFootball PES 2020“ zweifelsfrei zu, nicht aber auf „League of Legends“ – das für die E-Sport-Tochter den wirtschaftlich weit größeren, weil existenziellen Stellenwert hat.

Ein denkbarer Workaround: Der E-Sport-Betrieb inklusive dem „R+V Gaming House“ in Berlin wird an eine mögliche Lizenzspieler-Abteilung angedockt – ob die Mitgliederversammlung der dafür notwendigen und hoch umstrittenen Ausgliederung zustimmt, ist allerdings alles andere als sicher.

Doch im ersten Schritt muss Schalke 04 ohnehin wieder sportlich in die Spur zurückfinden – auf dem Platz, am Computer, an der Konsole. Mindestens an diesem Punkt hat E-Sport-Chef Reichert Recht: besser früher als später.