Keine drei Monate nach dem Start steht die Schalke 04 eSports-Abteilung vor einem Scherbenhaufen. Das Team steigt in die zweite Liga ab – und feuert den Manager.
[no_toc]Die üblichen Mechanismen des Bundesliga-Betriebs greifen auch in der jungen eSport-Abteilung des FC Schalke 04. Statt einem Knappen-Sieg gab es im entscheidenden Spiel einen knappen Sieg – allerdings für den Gegner. Aufgrund der Niederlage steigt der Gelsenkirchener Verein aus der ersten League of Legends-Liga (Championship Series) in die zweite Liga (Challenger Series) ab. Team-Manager Jacob „Maelk“ Toft-Andersen muss seinen Hut nehmen – nachdem er zuvor durch Fernbleiben von den Relegationsspielen für nervöses Augenzucken bei Fans und Beobachtern gesorgt hatte.
Und auch die Vokabeln erinnern bereits an den Profifußball: Man werde gestärkt aus dem Tal zurückkehren, die Aufarbeitung habe bereits begonnen, man müsse die Möglichkeiten nutzen, der Weg sei alternativlos, die Professionalisierung würde vorangetrieben. Zum Ritual nach einem Abstieg gehört auch der kühne Plan des „sofortigen Wiederaufstiegs“. Die Gelegenheit dazu bietet sich allerdings erst im Frühjahr 2017.
Schalke 04 eSports: League of Legends und FIFA
Am eSports-Engagement lässt das Schalke-Management jedoch nach außen hin keinen Zweifel – und auch am fünfköpfigen Team und an Cheftrainer Patrick „Nyph“ Funke hält der Verein bislang fest.
Schalke 04 hatte sich Anfang 2016 ins Ligen-System von League of Legends eingekauft, dem meistgespielten eSports-Titel weltweit. Dazu wurde kurzerhand das 2013 gegründete, bedingt erfolgreiche Team Elements (früher: Alliance) samt Startplatz und Manager Toft-Andersen eingekauft. Auf Schalke hatte man sich also gegen den langwierigen Aufbau eines eigenen Teams entschieden – stattdessen wollte man vom Start weg bei den „großen Jungs“ mitmischen.
Der Ruhrpott-Klub ist nach dem VfL Wolfsburg erst der zweite Bundesliga-Verein, der sich im eSports versucht – weitere Klubs dürften in den kommenden Monaten folgen. An der Spitze von Schalkes eSport-Abteilung steht Tim Reichert, der Bruder von ESL-Gründer und -Geschäftsführer Ralf Reichert. Seit Juni 2016 unterhält Schalke neben einem League of Legends-Team auch eine FIFA-Mannschaft.
Schalke 04 eSports: Abteilung steht unter gehörigem Druck
Zur Strategie von Schalke gehört es, die Erfahrungen und Strukturen des Profivereins auf die eSports-Teams zu übertragen – Öffentlichkeitsarbeit, Management, Trainingsbedingungen, Physiotherapie und nicht zuletzt Ernährung.
Schon zu Beginn des Engagements hatte Manager Toft-Andersen beklagt, dass einige seiner Schützlinge „einen ungesunden Lebensstil“ pflegten. Außerdem sollte die Schalke-Nachwuchs-Abteilung – die „Knappenschmiede“ – in das Konzept einbezogen werden, um Talente rechtzeitig zu erkennen und zu fördern.
Auch wenn die Beteuerungen aus Gelsenkirchen naturgemäß anders klingen: Die Schalke eSports-Abteilung steht nach dem Abstieg schon jetzt unter gehörigem Druck. Sollte der Wiederaufstieg im Frühling 2017 nicht gelingen, wird das Engagement spätestens zur Hauptversammlung im Juni zum Thema werden. Solange das League of Legends-Team in der „zweiten Liga“ unterwegs ist, wird es auch kaum zur geplanten Erweiterung der Disziplinen wie Overwatch oder Dota2 kommen.
Schalke 04 eSports: Die Bundesliga blickt nach Gelsenkirchen
Ohne das Scheinwerferlicht der League of Legends Championship Series fehlen auch die Perspektiven, um im eSports nachhaltig Geld zu verdienen. Konkret hat Schalke die Felder Sponsoring, Livestreams und Merchandising benannt – allesamt Bereiche, die durch den Fehlstart schwerlich in Schwung kommen dürften.
Unabhängig vom Abschneiden des eigenen Teams wird man sich auf Schalke dennoch bemühen, größere eSports-Turniere in die vereinseigene Veltins-Arena zu holen.
In den Vorstands-Etagen der großen Bundesliga-Konkurrenten wird man sehr genau beobachten, wie der FC Schalke 04 mit dieser ersten großen Bewährungsprobe umgeht – und daraus im Einzelfall ableiten, ob der eSports-Einstieg unter diesen Vorzeichen zum jetzigen Zeitpunkt in Frage kommt. Die Klubs sind es zwar gewohnt, zweistellige Millionenbeiträge für einzelne Kicker auszugeben – doch im eSports fehlt durchweg jede Expertise.
Mutmaßlich wird man daher zunächst dem Vorbild des VfL Wolfsburg folgen und mit zwei, drei FIFA-Spielern Erfahrungen in der offiziellen Virtuellen Bundesliga sammeln. Zumal diese Disziplin naturgemäß deutlich weniger erklärungsbedürftig ist als etwa League of Legends – und somit auch konservativeren Stimmen in Verein, Präsidium und Mitgliederschaft leichter vermittelbar sein dürfte.
Die eSports-Abteilung rund um Tim Reichert wird in den kommenden Wochen und Monaten belegen müssen, dass man nicht nur professionelle Pressekonferenzen organisieren kann. Mutmaßlich wird es zu einer personellen Verstärkung des Teams auf allen Ebenen kommen – Spiel-Analysten, Trainerteam und Ersatzspieler.
Weitere Hintergründe rund um das Thema eSports lesen Sie in der großen GamesWirtschaft eSports-Analyse 2016.