
Pro Ukraine – contra Desinformation: So lauteten die Ziele eines Global Game Jam unter dem Motto Ctrl+Alt+Disinfo. Jetzt fordert die US-Regierung den sofortigen Stopp.
Noch ist das Wappen des United States Department of State ganz oben auf der Website der ‚Supporter‘ gelistet – nebst Verbänden, Konferenzen, Universitäten, NGOs und Unternehmen aus aller Welt.
Doch das dürfte nicht mehr lange der Fall sein, denn seit wenigen Stunden ist alles anders: Das Außenministerium hat den Initiatoren des Global Game Jam mitgeteilt, dass jegliche Unterstützung für das Projekt ‚Ctrl+Alt+Disinfo‘ aufgekündigt wird – mit sofortiger Wirkung. Mehr noch: Alle Aktivitäten müssten umgehend eingestellt werden, damit keine zusätzlichen Kosten auflaufen.
Global Game Jam: US-Regierung zieht den Stecker bei Desinformation-Projekt
Unter dem Dach des Global Game Jam sollten Computerspiele entstehen, die Medienkompetenz und einen stabilen Umgang im Kampf gegen Propaganda und Desinformation fördern. Mehr als 2.000 Games-Entwickler aus 27 Ländern waren eingebunden.
Unter dem Motto ‚Ctrl+Alt+Disinfo‘ (in Anlehnung an den bekannten ‚Klammergriff‘ zum Abbrechen von Tasks) lag ein besonderer Fokus auf Teams aus der Ukraine – einem Land, das seit mehr als drei Jahren dem russischen Angriffskrieg ausgesetzt ist.
Der mehrstufige Game Jam war Ende Januar mit einem zweitägigen Event gestartet, gefolgt von einem zweiwöchigen Hackathon im Februar. Für März und April 2025 war der Abschluss geplant, in dem die 20 besten Prototypen nachjustiert und finalisiert werden. Im Mai sollten die fertigen Spiele dann in der ukrainischen Hauptstadt Kiew präsentiert werden. Dazu wird es nicht kommen.
Zu den genauen Gründen macht das US State Department keine Angaben – bei den Organisatoren herrscht Ratlosigkeit, in die sich auch Wut und Frust mischt.
Aus für Global Game Jam: „Schockiert, aber nicht überrascht“
Die Tiefausläufer der Entscheidung reichen bis nach Deutschland. Jörg Friedrich ist Teil der deutschen Ctrl+Alt+Disinfo-Fachjury und im Hauptberuf einer der Geschäftsführer des preisgekrönten Berliner Studios Paintbucket Games (Through the Darkest of Times, The Darkest Files).
„Ich bin schockiert, aber nicht überrascht“, so Friedrich. „Wenn wir in Zukunft aufklärerische Spiele und Events machen wollen, die sich kritisch mit Desinformation auseinandersetzen, dann müssen wir das von Europa aus tun – die US-Regierung scheint sich gerade offiziell von diesem Anliegen verabschiedet zu haben oder sogar auf der anderen Seite zu stehen. Es erinnert mich persönlich an die Entwicklung in Russland in den Zehner Jahren.“
Auch Hendrik Lesser, der den Global Game Jam in seiner Funktion als Serien-Gründer (u. a. Remote Control Productions, Lesser Evil) und Präsident der European Game Developer Federation (EGDF) von Anfang an unterstützt hat, sieht in der Entscheidung eine logische Fortsetzung der jüngsten geopolitischen Entwicklungen.
Lesser: „Bin ich überrascht? Null. Das war leider erwartbar. Ich sehe die Vollbremsung aber nicht als Kettensägen-Aktion à la Milei und Musk, also als libertäre Verkleinerung des Staates. Hier geht es ganz bewusst um zwei Themen – einmal darum, der Ukraine jeden Support abzudrehen. Also darum, ihnen das Gefühl zu geben, allein zu sein und aufgeben zu müssen. Es geht um die Zerstörung von Hoffnung. Zum anderen soll ein Fundament der liberalen Demokratien relativiert und umgekehrt zu werden. Sprich: Dass ein Projekt, das sich explizit um Desinformation kümmert, abgebrochen wird, unterstreicht, was wir derzeit erleben – die Transformation der Wahrheiten, wie wir sie kennen, in Wahrheiten der Mächtigen. Motto: Was die Trump-Administration behauptet, ist wahr – und nicht das, was von Wissenschaftlern oder gar von der Zivilgesellschaft kommt. Die Konsequenz daraus lautet: Fight back – mehr denn je.“
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